Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsätzliche Bedeutung; Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung; Offenbare Unrichtigkeit
Leitsatz (NV)
1. Um eine offenbare Unrichtigkeit i.S. von § 129 AO 1977 handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung bei mechanischen Versehen wie beispielsweise Eingabe- und Übertragungsfehlern. Sie kann aber auch in einem unbeabsichtigten, unrichtigen Ausfüllen des Eingabebogens oder in einem Irrtum über den tatsächlichen Programmablauf oder in der Nichtbeachtung der für das maschinelle Veranlagungsverfahren geltenden Dienstanweisung bestehen.
2. Fehler bei der Auslegung oder Nichtanwendung einer Rechtsnorm, unrichtige Tatsachenwürdigung, unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts oder Fehler, die auf mangelnder Sachaufklärung bzw. Nichtbeachtung feststehender Tatsachen beruhen, schließen die Anwendung der Korrekturnorm aus.
3. Besteht eine mehr als nur theoretische Möglichkeit eines Rechtsirrtums, so liegt kein bloßes mechanisches Versehen und damit auch keine offenbare Unrichtigkeit mehr vor.
4. Ob jede Möglichkeit eines Rechtsirrtums, eines Denkfehlers oder einer unvollständigen Sachaufklärung bzw. fehlerhaften Tatsachenwürdigung auszuschließen ist, beurteilt sich nach den Verhältnissen des Einzelfalles, vor allem nach Aktenlage. Die Entscheidung darüber im konkreten Fall ist im Wesentlichen eine Tatfrage, die revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist.
Normenkette
AO 1977 § 129; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2, § 116 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
Gründe
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) abgesehen.
Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 FGO).
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 2. Alternative FGO nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen dargetan (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
1. a) Für die Geltendmachung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist eine substantiierte Darlegung der Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Fall voraussichtlich auch klärbar ist, erforderlich. Dazu ist auszuführen, dass die Beurteilung der aufgeworfenen Rechtsfrage von der Klärung einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtslage abhängt. Hierzu muss sich der Beschwerdeführer insbesondere mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), den Äußerungen im Schrifttum sowie mit ggf. veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinander setzen. Hat der BFH über die Rechtsfrage bereits entschieden, so ist zusätzlich darzulegen, weshalb eine erneute Entscheidung des BFH für erforderlich gehalten wird. Eine weitere bzw. erneute Klärung der Rechtsfrage kann z.B. geboten sein, wenn gegen die bisherige Rechtsprechung gewichtige Einwendungen erhoben worden sind, mit denen sich der BFH bislang noch nicht auseinander gesetzt hat. Darüber hinaus ist auf die Bedeutung der Klärung der konkreten Rechtsfrage für die Allgemeinheit einzugehen (BFH-Beschluss vom 17. Oktober 2001 III B 65/01, BFH/NV 2002, 217).
b) Es fehlt bereits an der erforderlichen Darlegung der sog. Breitenwirkung der erstrebten höchstrichterlichen Entscheidung. Einwendungen, die sich gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils wenden, sind grundsätzlich nicht geeignet, das für das Zulassungsverfahren erforderliche Allgemeininteresse zu indizieren (BFH-Beschluss vom 9. August 2002 III B 34/02, BFH/NV 2002, 1616).
c) Darüber hinaus hat der Kläger auch nicht die Klärungsbedürftigkeit abstrakter Rechtsfragen hinreichend dargelegt.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind zur Berichtigung von Steuerbescheiden nach § 129 der Abgabenordnung (AO 1977) berechtigende offenbare Unrichtigkeiten mechanische Versehen wie beispielsweise Eingabe- oder Übertragungsfehler; sie können aber auch in einem unbeabsichtigten, unrichtigen Ausfüllen des Eingabebogens oder in einem Irrtum über den tatsächlichen Programmablauf bzw. in der Nichtbeachtung der für das maschinelle Veranlagungsverfahren geltenden Dienstanweisung bestehen. Fehler bei der Auslegung oder Nichtanwendung einer Rechtsnorm, unrichtige Tatsachenwürdigung, unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts oder Fehler, die auf mangelnder Sachaufklärung bzw. Nichtbeachtung feststehender Tatsachen beruhen, schließen die Anwendung der Vorschrift hingegen aus (BFH-Urteile vom 27. März 1987 VI R 63/84, BFH/NV 1987, 480, m.w.N.;vom 5. Februar 1998 IV R 17/97, BFHE 185, 345, BStBl II 1998, 535; vom 16. März 2000 IV R 3/99, BFHE 191, 226, BStBl II 2000, 372, 375; BFH-Beschluss vom 9. Juni 1988 VI B 170/87, BFH/NV 1989, 6).
Besteht eine mehr als nur theoretische Möglichkeit eines Rechtsirrtums, so liegt kein bloßes mechanisches Versehen und damit auch keine offenbare Unrichtigkeit mehr vor, ebenso nicht bei einer unrichtigen Tatsachenwürdigung, bei der unzutreffenden Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts oder bei Fehlern, die auf mangelnder Sachaufklärung beruhen. Die offenbare Unrichtigkeit muss nicht aus dem Bescheid selbst erkennbar sein. Die Annahme einer solchen Unrichtigkeit kann zwar ausgeschlossen werden, wenn der Veranlagungsbeamte feststehende Tatsachen nicht berücksichtigt. Dabei muss es sich dann aber um Unrichtigkeiten handeln, die über mechanische Versehen deshalb hinausgehen, weil sie nicht ohne weitere Prüfung erkannt und berichtigt werden können, und deshalb letztlich auf unzureichender Sachaufklärung beruhen. Hat die Nichtberücksichtigung einer Tatsache dagegen ihren Grund in einer bloßen Unachtsamkeit und liegt sie offen zutage, so kann von einem auf mangelnder Sachaufklärung beruhenden Nichterkennen der Tatsache nicht gesprochen werden (BFH-Urteil vom 17. Februar 1993 X R 47/91, BFH/NV 1993, 638, m.w.N.). Eine offenbare Unrichtigkeit kommt namentlich dann in Betracht, wenn sich der Fehler aus der Steuererklärung und/oder den dieser beigefügten Unterlagen ergibt (BFH-Urteil in BFH/NV 1993, 638, dort auch eine Vielzahl weiterer Beispielsfälle).
Ob jede Möglichkeit eines Rechtsirrtums, eines Denkfehlers oder einer unvollständigen Sachaufklärung bzw. fehlerhaften Tatsachenwürdigung auszuschließen ist, beurteilt sich nach den Verhältnissen des Einzelfalles, vor allem nach Aktenlage. Die Entscheidung darüber im konkreten Fall ist im Wesentlichen eine Tatfrage, die revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist (§ 118 Abs. 2 FGO; BFH-Urteile vom 29. Januar 2003 I R 20/02, BFH/NV 2003, 1139; vom 23. Juli 2002 VIII R 6/02, BFH/NV 2003, 1; in BFHE 191, 226, BStBl II 2000, 372, 375; BFH-Beschluss vom 21. Oktober 1992 I B 85/92, BFH/NV 1994, 517, jeweils m.w.N.).
d) Der Kläger hat diese Rechtsprechungsgrundsätze und insbesondere die Maßgeblichkeit der dem Finanzgericht (FG) obliegenden Würdigung der Umstände im konkreten Fall selbst zutreffend referiert. Er hat indes nicht dargelegt, dass die Rechtsprechung losgelöst von den besonderen Umständen des konkreten Falles überhaupt zusätzliche, über die in ständiger Rechtsprechung bereits entwickelten Maßstäbe hinausgehende abstrakte Kriterien für die Auslegung und Anwendung des § 129 der Abgabenordnung (AO 1977) entwickeln könnte und ggf. welche (BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 1616).
Allein der Umstand, dass über einen genau vergleichbaren Sachverhalt bislang vom BFH noch nicht entschieden worden ist, verleiht der Rechtsfrage keine grundsätzliche Bedeutung. Im Übrigen lässt sich der Streitfall ohne weiteres anhand der umfangreichen höchstrichterlichen Rechtsprechung entscheiden (vgl. auch BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 1616).
2. Ebenso wenig hat der Kläger die Notwendigkeit einer Revisionsentscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung hinreichend dargetan.
a) Die schlüssige Darlegung einer Divergenz im engeren Sinne nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO erfordert die Gegenüberstellung abstrakter, tragender Rechtssätze aus den betroffenen Entscheidungen in der Weise, dass sich daraus die Abweichung der angefochtenen Entscheidung von Entscheidungen des BFH oder auch der FG deutlich ergibt.
Der Kläger hat zwar u.a. im Zusammenhang mit der Geltendmachung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache auch auf das Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 4. Januar 2002 5 K 2245/01 (Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2002, 977) Bezug genommen, indes eine Divergenz im vorgenannten Sinn insoweit nicht herausgearbeitet.
b) Soweit der Kläger im Kern eine unrichtige Rechtsanwendung durch das FG behauptet, macht er jedenfalls keinen ausnahmsweise eine Zulassung der Revision rechtfertigenden Fehler von erheblichem Gewicht geltend, der geeignet wäre, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen oder dass es sich gar um eine willkürliche, jeder gesetzlichen Grundlage entbehrende Entscheidung handelte (BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 1616, m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 1337257 |
BFH/NV 2005, 1013 |