Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmung von unbebauten Grundstücken zum Betriebsvermögen
Leitsatz (amtlich)
1. Es bedarf keiner höchstrichterlichen Klärung, dass nicht nur die Zuordnung von Wirtschaftsgütern zum gewillkürten, sondern auch die zum notwendigen Betriebsvermögen die Bestimmung zu betrieblichen Zwecken voraussetzt. Insbesondere die Zuordnung von unbebauten Grundstücken zum notwendigen Betriebs- oder Privatvermögen richtet sich nach dem nach außen erkennbaren Nutzungswillen des Steuerpflichtigen.
2. Es bedarf des Weiteren keiner höchstrichterlichen Klärung, dass die Widmung eines Wirtschaftsgutes nicht stets die Erfassung mit ihm zusammenhängender Einnahmen und Ausgaben in der Buchführung voraussetzt. Das gilt insbesondere dann, wenn das Wirtschaftsgut im Zeitpunkt seiner Einbuchung noch keine Erträge oder Aufwendungen verursacht.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2; EStG § 4 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, beschäftigt sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Küchenmöbeln, Fenstern, Türen und Fassaden. An ihr sind A und B, die im erstinstanzlichen Verfahren beigeladen wurden, mit Kapitalanteilen von jeweils 50 v.H. als Kommanditisten beteiligt. Mit notariellem Kaufvertrag vom 13. August 1988 erwarben die Kommanditisten je zur Hälfte das unbebaute Grundstück C-straße 39 bis 45 in O. Im Kaufvertrag verpflichteten sie sich, "das Grundstück für die Erweiterung ihres angrenzenden Gewerbebetriebs (gemeint war der Gewerbebetrieb der Klägerin) zu nutzen, soweit das nach baurechtlichen Bestimmungen und unter Berücksichtigung der vorhandenen Nachbarbebauung zulässig ist". Soweit das Grundstück dennoch einer wohnbaulichen Nutzung zugeführt würde, sollte der Kaufpreis erhöht werden. Auf dem Grundstück sollten eine Produktionshalle und Parkplätze für die Klägerin errichtet werden.
Das Grundstück wurde als Sonderbetriebsvermögen der Kommanditisten in der Bilanz der Klägerin zum 31. Dezember 1988 ausgewiesen.
Die Stadt O erteilte der Klägerin unter dem Datum vom 4. Juli 1989 eine Baugenehmigung für die Anlegung eines Parkplatzes. Hiergegen klagten mehrere Anwohner. Daraufhin lehnte die Stadt eine Bauvoranfrage der Klägerin zur Errichtung der Produktionshalle am 18. Dezember 1989 mit der Begründung ab, dass das Grundstück in einem Wohngebiet liege.
Am 18. Januar 1991 beantwortete die Stadt eine vorsorglich gestellte Bauvoranfrage der Klägerin hinsichtlich der Errichtung von drei Mietwohnhäusern und eines überdachten Lagerplatzes für den Fall eines negativen Ausganges des bei Gericht anhängigen Verfahrens positiv. Daraufhin verzichtete die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 22. März 1991 vor dem Verwaltungsgericht auf die Ausnutzung der Baugenehmigung vom 4. Juli 1989 (Parkplatz). Die Stadt O hob die Baugenehmigung auf.
Der Bauantrag der Kommanditisten auf Errichtung von drei Wohnhäusern vom 8. Mai 1991 wurde mit Bescheid vom 15. November 1991 positiv beschieden. Die Mietwohnhäuser wurden im September 1992 bezugsfertig. Nach Fertigstellung der Mietwohnhäuser wurde das Grundstück in die Parzellen 358 (3 103 qm) und 359 (2 831 qm) aufgeteilt. Die Mietwohnhäuser stehen auf der Parzelle 358. Die Parzelle 359 wird von der Klägerin als Hof- und Lagerplatz genutzt.
Die Errichtung der Wohnhäuser wurde durch Mittel der Kommanditisten finanziert. Die entsprechenden Beträge wurden in der Bilanz der Klägerin als Gesellschafter-Darlehen ausgewiesen. Im Rahmen der Jahresabschlussarbeiten zum 31. Dezember 1992 wurden im Frühjahr 1993 die Parzelle 358 des Grundstücks C-straße 39 bis 43 und die errichteten Wohnhäuser im Wege der Bilanzberichtigung erfolgsneutral aus den Sonderbilanzen ausgebucht. Die Bilanz datiert vom 3. März 1994.
Aufgrund einer im Jahre 1996 bei der Klägerin für 1992 bis 1994 durchgeführten Betriebsprüfung sah der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) die Parzelle 358 mit den errichteten Mietwohnhäusern als Sonderbetriebsvermögen der Kommanditisten an. Das FA ging davon aus, dass dieses Sonderbetriebsvermögen mit den Abschlussbuchungen für den Jahresabschluss per 31. Dezember 1992 im Frühjahr 1993 durch die Kommanditisten entnommen worden sei. Als Entnahmegewinn des Jahres 1993 (2. Streitjahr) errechnete das FA für den Grund und Boden 294 785 DM und für das Gebäude einen Betrag von 220 280 DM. Die für 1992 bisher als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erklärte Differenz zwischen Einnahmen und Werbungskosten (97 103 DM) behandelte das FA als Einkünfte aus Gewerbebetrieb des Jahres 1992 (1. Streitjahr).
Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage trug die Klägerin vor, die Grundstücksparzelle 358 und die errichteten Mietwohnhäuser seien zu keiner Zeit notwendiges oder gewillkürtes Sonderbetriebsvermögen der Kommanditisten gewesen.
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Die Revision gegen sein am 13. Dezember 2000 verkündetes Urteil ließ das Finanzgericht (FG) nicht zu.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin, die auf Verfahrensmängel sowie das Erfordernis der Fortbildung des Rechts und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gestützt wird.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Die Frage, ob die Revision zuzulassen ist, ist im Streitfall noch nach der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (FGO a.F.) zu beantworten. Gemäß Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757) richtet sich die Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs gegen eine gerichtliche Entscheidung nach den bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Vorschriften, wenn die Entscheidung vor dem 1. Januar 2001 verkündet oder von Amts wegen anstelle einer Verkündung zugestellt worden ist. Das Urteil des FG ist am 13. Dezember 2000 verkündet worden.
1. Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO a.F.)
a) Es ist nicht feststellbar, dass das FG gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO verstoßen hätte.
Nach dieser Vorschrift hat das FG bei seiner Entscheidung das Gesamtergebnis des Verfahrens zu berücksichtigen. Zur Rüge eines Verstoßes gegen § 96 Abs. 1 FGO reicht es indessen nicht aus, geltend zu machen, das Gericht habe ein bestimmtes Vorbringen eines Prozessbeteiligten nicht ausdrücklich in seinem Urteil gewürdigt. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, zumal es nach Art. 103 des Grundgesetzes (GG) nicht verpflichtet ist, sich mit jedem Vorbringen in der Begründung seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ―BVerfG― vom 2. Dezember 1969 2 BvR 320/69, BVerfGE 27, 248, 252).
Im Wesentlichen rügt die Klägerin, das FG habe ihr Vorbringen nicht zutreffend gewürdigt. Ein solcher Mangel führt jedoch ―selbst wenn er vorliegen sollte― nicht zur Zulassung der Revision (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 82 f, m.w.N.).
b) Der zusätzlich vorgetragene Verfahrensmangel der mangelnden Sachaufklärung (§ 76 FGO) ist nicht in zulässiger Weise gerügt.
Die Klägerin trägt nicht vor, dass das FG Beweisanträge übergangen habe. Bei einer Rüge der Verletzung der von Amts wegen gebotenen Pflicht zur Sachaufklärung muss der Beschwerdeführer u.a. darlegen, welche Tatsachen auch ohne Antrag aufzuklären und welche Beweise zu erheben gewesen wären. Ferner muss die Beschwerde erkennen lassen, aus welchen Gründen der durch einen sachkundigen Prozessbevollmächtigten vertretene Kläger keine entsprechenden Beweisanträge gestellt hat, gleichwohl aber sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung von sich aus aufdrängen musste (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 17. November 1997 VIII B 12/97, BFH/NV 1998, 608, m.w.N.; Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz. 69).
2. Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO a.F.)
a) Das angefochtene Urteil weicht nicht vom BFH-Urteil vom 25. November 1997 VIII R 4/94 (BFHE 184, 255, BStBl II 1998, 461) ab.
In diesem Urteil heißt es in Abschnitt II Nr. 2 e: "Die Widmung eines Wirtschaftsguts zu betrieblichen Zwecken wird in der Regel durch den Ausweis der mit diesen Wirtschaftsgütern zusammenhängenden Aufwendungen und Erträge in der Buchführung der Personengesellschaft und durch die Aktivierung dieser Wirtschaftsgüter zum Ausdruck gebracht (vgl. BFH-Urteile vom 18. Oktober 1989 X R 99/87, BFH/NV 1990, 424, m.w.N.; in BFHE 168, 572, BStBl II 1993, 21, 23)".
Das FG hat keinen hiervon abweichenden Rechtssatz aufgestellt. Allerdings setzt seine Rechtsauffassung voraus, dass es Fälle gibt, in denen von der Widmung eines Wirtschaftsgutes für betriebliche Zwecke auszugehen ist, obwohl die mit ihm zusammenhängenden Aufwendungen und Erträge nicht in der Buchführung des Unternehmens ausgewiesen sind. Eine solche Auffassung ist indes mit dem oben wiedergegebenen Rechtssatz aus dem BFH-Urteil in BFHE 184, 255, BStBl II 1998, 461 vereinbar. Das ergibt sich aus der Formulierung "in der Regel". Insbesondere beim Erwerb unbebauter Grundstücke gibt es ―abgesehen von den Anschaffungskosten― in der Regel keine Aufwendungen und Erträge, deren Verbuchung etwas über die Widmung des Grundstücks zum Betriebs- oder zum Privatvermögen aussagen könnte. Im Fall des BFH-Urteils vom 6. Dezember 1977 VIII R 29/75 (BFHE 124, 424, BStBl II 1978, 330) hatte das FG sogar ein nicht bilanziertes Grundstück deswegen als Betriebsvermögen angesehen, weil es im Bebauungsplan als Gewerbegebiet ausgewiesen war, weil es nach dem Kaufvertrag zur Errichtung eines Gewerbebetriebs verwendet werden sollte und weil die Gemeinde aus Gewerbeförderungsmitteln zur Begleichung des Kaufpreises beigetragen hatte. Der BFH hat diese Würdigung für möglich gehalten. Auch im Streitfall sollte das Grundstück nach den Bekundungen im Kaufvertrag in erster Linie der Betriebserweiterung dienen. Unter diesen Umständen konnte das FG ohne Abweichung von dem angeblichen Divergenzurteil zu dem Schluss gelangen, die Aktivierung in den Sonderbilanzen der Gesellschafter spreche für eine Widmung zum Betriebsvermögen.
b) Das angefochtene Urteil weicht auch nicht von den BFH-Urteilen vom 9. August 1989 X R 20/86 (BFHE 158, 316, BStBl II 1990, 128) und vom 6. November 1991 XI R 27/90 (BFHE 170, 18, BStBl II 1993, 391) ab.
Die Klägerin weist zutreffend darauf hin, dass die Entscheidung in BFHE 158, 316, BStBl II 1990, 128 die Bemerkung enthält, eine Entnahme bedürfe nicht stets der buchmäßigen Darstellung; es könne auch ein anderes schlüssiges Verhalten genügen, durch das die Verbindung des Wirtschaftsgutes zum Betrieb gelöst werde (s. Nr. 2 der Gründe). Die Entscheidung in BFHE 170, 18, BStBl II 1993, 391 enthält sinngemäß die gleiche Aussage.
Allerdings war in beiden Entscheidungen die Aussage, dass auch ohne Ausbuchung des Wirtschaftsgutes eine Entnahme vorliegen könne, nicht entscheidungserheblich. Der BFH hat im einen wie im anderen Fall eine Entnahme verneint. Im Urteil in BFHE 158, 316, BStBl II 1990, 128 hat er sogar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Erklärung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ―ein Umstand, dem die Klägerin besondere Bedeutung beimisst― für sich allein nicht ausreiche, um die Verknüpfung des Wirtschaftsgutes mit dem Betrieb zu lösen.
Wenn daher das FG angenommen hat, dass die Gesellschafter der Klägerin das Grundstück nicht bereits im Jahre 1991 entnommen haben, so handelt es sich um eine Tatsachenwürdigung, die ―wie bereits unter 1. a) ausgeführt― im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht überprüft werden kann.
3. Grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO a.F.).
Entgegen der Auffassung der Klägerin könnte das von ihr angestrebte Revisionsverfahren nicht zur Klärung der von ihr für bedeutsam gehaltenen Frage führen, ob in der Bilanzierung eines Grundstücks eine Widmung zum Betriebsvermögen auch dann gesehen werden kann, wenn der Steuerpflichtige der Auffassung ist, bei dem betreffenden Wirtschaftsgut handle es sich um notwendiges Betriebsvermögen.
Nach neuerer und zwischenzeitlich ständiger Rechtsprechung des BFH gehören zum notwendigen Betriebsvermögen alle Wirtschaftsgüter, die in dem Sinn dem Betrieb dienen, dass sie objektiv erkennbar (endgültig) zum unmittelbaren Einsatz im Betrieb selbst bestimmt sind (Blümich/Wacker, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 4 EStG Rz. 159, m.w.N.). Es kann demnach nicht mehr davon gesprochen werden, dass für die Zuordnung zum notwendigen Betriebsvermögen die Widmung durch den Steuerpflichtigen unbeachtlich ist (vgl. auch Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 20. Auflage, § 4 Rz. 104, 115).
Die Bedeutung des Verhaltens des Steuerpflichtigen für die Zuordnung zum notwendigen Betriebsvermögen wird besonders deutlich bei unbebauten Grundstücken (BFH-Urteil in BFHE 124, 424, BStBl II 1978, 330, s.o. unter 2. a). Wenn daher die Gesellschafter der Klägerin ―wofür die äußeren Umstände sprechen― bei Erwerb des streitigen Grundbesitzes der Auffassung waren, das Grundstück solle betrieblichen Zwecken dienen, so war das Grundstück in ihre Sonderbilanzen aufzunehmen. Dafür, dass die Gesellschafter der Klägerin von Anfang an eine private Nutzung des Grundstücks beabsichtigten, aber gleichwohl glaubten, es handle sich um notwendiges Sonderbetriebsvermögen, gibt es keinen Anhaltspunkt. Eine spätere Änderung der Nutzungsabsicht ist unbeachtlich (BFH-Urteil in BFHE 124, 424, BStBl II 1978, 330).
Fundstellen
Haufe-Index 731114 |
BFH/NV 2002, 860 |
BStBl II 2002, 690 |
BFHE 198, 463 |
BFHE 2003, 463 |
BB 2002, 1085 |
BB 2002, 1588 |
DB 2002, 1027 |
DStRE 2002, 796 |
HFR 2002, 584 |