Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenentscheidung bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache

 

Leitsatz (NV)

Bei einer Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache durch übereinstimmende Erledigungserklärungen ist nach § 138 Abs. 1 FGO über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden, wenn das FA dem Stundungsantrag nicht entsprochen, sondern nur die Vollstreckung eingestellt hat.

 

Normenkette

AO 1977 §§ 222, 258, 257 Abs. 1 Nr. 4; FGO § 138

 

Tatbestand

Mit der Klage begehrte der Kläger und Revisionskläger (Kläger) Stundung der Einkommensteuer-Abschlußzahlung für 1980 und der Einkommensteuer-Vorauszahlung für das vierte Quartal 1981. Die Einkommensteuerschulden beruhen im wesentlichen auf Provisionen der Firma A.

Zur Begründung seines Stundungsantrags führte der Kläger aus, er verfüge über keine finanziellen Mittel, um die Steuerschulden zu begleichen. Die in den Jahren 1980 und 1981 zugeflossenen Provisionen habe er zum Teil für Beteiligungen an einer Hotelkette, an einem Presseunternehmen bzw. an einer Rundfunkstation in den USA verwendet. Einen Betrag von . . . DM habe Herr B veruntreut, der während seines - des Klägers - Aufenthalts in den USA und in Mexiko Vollmacht über die Konten gehabt habe.

Der Kläger bot dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) an, seine Ansprüche gegen Herrn B in Höhe von . . . DM sowie gegen die Firma A in einer voraussichtlichen Höhe von . . . DM sowie gegen eine Frau C in Höhe von ca. . . . DM abzutreten.

FA und Oberfinanzdirektion (OFD) lehnten den Stundungsantrag ab, weil der Kläger nicht nachgewiesen habe, wo die Einnahmen aus den Jahren 1980 und 1981 geblieben seien, und weil bei einer Stundung die Steueransprüche gefährdet würden. Die Forderungsabtretungen stellten keine wirkliche Sicherung der Steueransprüche dar, da die Forderungen zum Teil uneinbringlich und zum Teil streitig seien.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es war der Auffassung, daß das FA die beantragte Stundung ermessensfehlerfrei abgelehnt habe.

Mit der Revision verfolgte der Kläger sein Begehren weiter.

Während des Klage- und Revisionsverfahrens unternahm das FA gegen den Kläger, der inzwischen nach den USA verzogen ist, mehrere Beitreibungsversuche. Unter anderem ließ es eine Sicherungshypothek auf ein Grundstück eintragen, an dem der Kläger zu 1/12 Miteigentümer ist. Ferner pfändete es die Ansprüche des Klägers gegen Herrn B. Im Mai 1986 vereinbarten der Kläger, das FA und Herr B u. a., daß Herr B in monatlichen Raten bis Ende Februar 1990 einen Betrag von . . . DM an das FA bezahlt. Das FA verpflichtete sich, solange Herr B seinen Zahlungsverpflichtungen nachkomme und sich die Vermögensverhältnisse des Klägers nicht wesentlich besserten, von weiteren Beitreibungsmaßnahmen abzusehen.

Unter Hinweis auf diese Vereinbarung erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.

Der Kläger beantragt, die Kosten des Verfahrens dem FA aufzuerlegen, weil das FA mit der Vereinbarung vom Mai 1986 im Ergebnis dem Stundungsantrag entsprochen habe.

Das FA ist dagegen der Auffassung, daß der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen habe, weil es keine Stundung (§ 222 der Abgabenordnung - AO 1977 -), sondern nur Vollstreckungsaufschub (§ 258 AO 1977) gewährt habe.

 

Entscheidungsgründe

Der Kläger hat nach § 138 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Rechtsstreit ist durch die übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten in der Hauptsache erledigt, unabhängig davon, ob tatsächlich eine Erledigung der Hauptsache eingetreten ist (vgl. z. B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15. Februar 1968 V B 46/67, BFHE 91, 514, BStBl II 1968, 413, und vom 13. August 1986 V R 112/80, BFH/NV 1987, 54). Das Urteil des FG ist damit gegenstandslos. Der Senat hat gemäß § 138 Abs. 1 FGO nur noch durch Beschluß über die Kosten des gesamten Verfahrens zu entscheiden.

Nach § 138 Abs. 2 FGO hat die Behörde die Kosten zu tragen, wenn sie den beantragten Verwaltungsakt erlassen hat. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Das FA hat die vom Kläger geschuldeten Steuern nicht gestundet (§ 222 AO 1977), sondern nur die Vollstreckungsmaßnahmen unter bestimmten Voraussetzungen eingestellt (§ 258 AO 1977).

Die Kostenentscheidung ist daher gemäß § 138 Abs. 1 FGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu treffen. Die Kosten des gesamten Verfahrens sind danach dem Kläger aufzuerlegen, da er vermutlich unterlegen wäre. Bei überschlägiger Prüfung läßt die die Stundung ablehnende Entscheidung des FA keinen Ermessensfehler erkennen. Zu Recht hat das FG in seinen Ausführungen über die Stundungswürdigkeit darauf abgestellt, daß der Kläger nicht belegmäßig nachgewiesen hat, wo die Einnahmen aus den Jahren 1980 und 1981 geblieben sind. Auch die Annahme des FG, die Steueransprüche würden durch eine Stundung gefährdet, ist nicht zu beanstanden. Denn bei einer Stundung hätte das FA die Vollstreckung einstellen müssen (§ 257 Abs. 1 Nr. 4 AO 1977) und sich somit der Möglichkeit begeben, die Steueransprüche durch Vollstreckungsmaßnahmen - wie z. B. durch Pfändung von Forderungen des Klägers - zu realisieren.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416425

BFH/NV 1990, 52

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