Entscheidungsstichwort (Thema)
Mehrfache Revisionseinlegung; keine Vertretungsberechtigung von Lohnsteuerhilfevereinen und Konsularbeamten vor dem BFH
Leitsatz (NV)
- Über die mehrfache Einlegung eines Rechtsmittels gegen ein und dieselbe Entscheidung ist einheitlich zu entscheiden.
- Lohnsteuerhilfevereine gehören nicht zu dem Kreis der nach Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG vor dem BFH Vertretungsberechtigten.
- Der Leiter der Sozialabteilung eines Generalkonsulats gehört unbeschadet der Regelung in Art. 45 Abs. 2 des Deutsch-Spanischen Abkommens über soziale Sicherheit vom 4. Dezember 1973 nicht zu dem Kreis der nach Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG vor dem BFH Vertretungsberechtigten.
Normenkette
FGO §§ 35, 36 Abs. 1, § 72 Abs. 2 S. 2, § 73 Abs. 1, § 124 Abs. 1, § 125 Abs. 1 S. 1, § 126 Abs. 1; BFHEntlG Art. 1 Nr. 1; EStG § 33a Abs. 1, § 65; EWGV 1408/71
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hat gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG) mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten, dem Lohnsteuerhilfeverein A e.V., vom 2. März 2000 Revision eingelegt. Dieses Rechtsmittel hat der Kläger mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 3. März 2000 zurückgenommen.
Mit einem weiteren Schriftsatz, datierend vom 3. März 2000, legte der Kläger erneut Revision gegen das Urteil des FG ein. Der Kläger wurde hierbei vertreten durch den Leiter der Sozialabteilung des spanischen Generalkonsulates in … Der Schriftsatz trägt den Briefkopf des spanischen Generalkonsulates. Als Prozessbevollmächtigter wird im Revisionsschriftsatz der "Lohnsteuerhilfeverein A e.V., vertreten durch Herrn C" genannt. Die Prozessvollmacht des Klägers ist auf Herrn C persönlich ausgestellt. Zur Frage der Vertretungsbefugnis trägt der Kläger insoweit vor, Herr C besitze aufgrund der im Anhang III Buchst. A Nr. 28 enthaltenen Reserve des Art. 45 Abs. 2 des Deutsch-Spanischen Abkommens über soziale Sicherheit vom 4. Dezember 1973 die Postulationsfähigkeit vor dem Bundesfinanzhof (BFH), da der Kinderfreibetrag und der Freibetrag wegen Unterhalt von Kindern nach § 33a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Surrogate des Kindergeldes und daher eine der in Art. 4 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 (VO Nr. 1408/71) des Rates vom 14. Juni 1971 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ―ABlEG― Nr. L 149/2 vom 5. Juli 1971) aufgezählten Familienleistungen seien. Deshalb würden auch Streitigkeiten in Kindergeldangelegenheiten der in Spanien wohnenden Rentner nach der genannten Verordnung der Europäischen Gemeinschaften vor deutschen Sozialgerichten sowie dem Bundessozialgericht geregelt und vom Prozessbevollmächtigten des Klägers geführt.
In der Sache trägt der Kläger vor, er habe Anspruch auf Berücksichtigung von ―an seine Tochter und an seine Enkel geleisteten― Unterhaltszahlungen als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33a Abs. 1 EStG. Das in Deutschland gezahlte Kindergeld betrage 220 DM pro Kind und Monat, während die von spanischen Behörden geleisteten Zahlungen sich lediglich auf 35 DM pro Monat beliefen, so dass allein durch das spanische Kindergeld die notwendige steuerliche Entlastung nicht gewährleistet sei. Die Auslegung des § 65 EStG durch das FG stelle eine Diskriminierung des Klägers dar und verstoße gegen Art. 48 und Art. 51 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften (EGV). Der Kläger regt an, die im Antrag gestellte Frage zur Vorabentscheidung nach Art. 177 EGV dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vorzulegen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) beantragt, die Revision zu verwerfen, da der Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht zu den in Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) genannten Personen gehöre.
Entscheidungsgründe
II. 1. Der Senat hat die beiden Verfahren III R 19/00 und III R 25/00 miteinander verbunden (§ 73 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―), weil über die mehrfache Einlegung eines Rechtsmittels gegen ein und dieselbe Entscheidung einheitlich zu entscheiden ist (vgl. BFH-Beschluss vom 30. Januar 1997 III B 164/96, III B 165/96, BFH/NV 1997, 523, m.w.N.).
2. Mit Schriftsatz vom 3. März 2000 hat der Kläger die gegen das Urteil des FG vom 9. Februar 2000 eingelegte Revision vom 2. März 2000 zurückgenommen (§ 125 Abs. 1 Satz 1 FGO). Im Revisionsverfahren wurde der Kläger insoweit von einem Lohnsteuerhilfeverein vertreten. Unbeschadet des Umstandes, dass Lohnsteuerhilfevereine nicht zu dem Kreis der nach Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG vor dem BFH Vertretungsberechtigten gehören (BFH-Beschluss vom 18. März 1999 I B 128/98, BFH/NV 1999, 1233), ist die Zurücknahme der Revision wirksam. Denn für die Zurücknahme der Revision besteht nach der ständigen Rechtsprechung des BFH kein Vertretungszwang (z.B. BFH-Urteil vom 14. Juli 1976 VIII R 52/76, BFHE 119, 233, BStBl II 1976, 630). Das Revisionsverfahren ist danach entsprechend § 72 Abs. 2 Satz 2 FGO einzustellen (vgl. BFH-Beschluss vom 21. Januar 1992 IX R 85/90, BFH/NV 1993, 375).
3. Mit Schriftsatz vom 3. März 2000 legte der Kläger erneut Revision gegen das Urteil des FG ein. Über das vom Kläger geführte Rechtsmittel ist einheitlich zu entscheiden, auch wenn der Kläger die zeitlich frühere Revision vom 2. März 2000 zurückgenommen hat (BFH-Beschluss vom 19. Juli 1984 IX R 16/81, BFHE 141, 467, BStBl II 1984, 833).
Die vom Kläger mit Schriftsatz vom 3. März 2000 eingelegte Revision ist unzulässig. Sie ist daher durch Beschluss zu verwerfen (§ 124 Abs. 1, § 126 Abs. 1 FGO).
Vor dem BFH muss sich ―wie auch aus der Rechtsmittelbelehrung in dem angefochtenen Urteil ausdrücklich hervorgeht― jeder Beteiligte, sofern es sich nicht um eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder um eine Behörde handelt, durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen (Art. 1 Nr. 1 Satz 1 BFHEntlG). Dies gilt auch für die Einlegung der Revision (Art. 1 Nr. 1 Satz 2 BFHEntlG). Fehlt es an dem Erfordernis der ordnungsgemäßen Vertretung durch einen Angehörigen der in Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG aufgeführten Berufsgruppen, ist die betreffende Prozesshandlung unwirksam.
Der für den Kläger als Prozessbevollmächtigter aufgetretene Leiter der Sozialabteilung des spanischen Generalkonsulats ist kein Angehöriger der in Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG aufgeführten Berufsgruppen. Im Streitfall ist daher die Einlegung der Revision durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers unwirksam. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Art. 45 Abs. 2 des Deutsch-Spanischen Abkommens über soziale Sicherheit vom 4. Dezember 1973 (BGBl II 1977, 685, 708). Danach sind die diplomatischen und berufskonsularischen Behörden eines Vertragsstaates ―hier: des spanischen Staates― befugt, die Staatsangehörigen des eigenen Staates gegenüber den Trägern, Behörden und Gerichten der Sozialversicherung des anderen Vertragsstaates zu vertreten, ohne dass es der Vorlage einer besonderen Vollmacht bedürfte. Der Kläger macht im vorliegenden Rechtsstreit jedoch keine sozialversicherungsrechtlichen, sondern abgabenrechtliche Ansprüche auf dem Finanzrechtsweg (§ 35 FGO) geltend. In Revisionsverfahren gegen Urteile des FG wird der Vertretungszwang vor dem insoweit gemäß § 36 Abs. 1 FGO funktionell zuständigen BFH abschließend durch Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG geregelt. Da der Kläger hiernach nicht ordnungsgemäß vertreten ist, ist die Revision als unzulässig zu verwerfen.
Fundstellen
Haufe-Index 447424 |
BFH/NV 2001, 329 |