Leitsatz (amtlich)
Die beim BFH entstandenen Gebühren und Auslagen sind auch insoweit beim FG anzusetzen, als der BFH mit dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des dem Revisionsverfahren zugrunde liegenden Verwaltungsakts befaßt war.
Normenkette
FGO §§ 147, 148 Abs. 1, § 69 Abs. 3; GKG § 4 Abs. 1; ZPO § 943 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) beantragte nach Einlegung der beim BFH unter dem Az. V R ... noch anhängigen Revision gegen das klageabweisende Urteil des FG ... vom ... die Aussetzung der Vollziehung des dem Revisionsverfahren zugrunde liegenden Rückforderungsbescheids des Beklagten und Revisionsbeklagten (FA). Durch Beschluß vom 4. Juni 1970 lehnte der erkennende Senat den Antrag ab. Mit Schreiben vom 29. Juli 1970 teilte die Geschäftsstelle des FG ... der Geschäftsstelle des BFH mit, die Zuständigkeit für den Kostenansatz in dieser Sache liege beim BFH und sie selbst werde deshalb keine Verfügungen nach § 147 Satz 1 FGO erlassen. Die Geschäftsstelle des FG beruft sich dabei auf den Beschluß des BFH VI S 2/66 vom 15. Februar 1967 (BFH 87, 602, BStBl III 1967, 256), in dem das gerichtliche Aussetzungsverfahren nach § 69 Abs. 3 FGO als ein selbständiges, neben dem Hauptverfahren laufendes Verfahren gekennzeichnet wird. Sie ist der Meinung, der BFH müsse als Gericht des ersten Rechtszugs im Sinne des § 147 FGO angesehen werden, wenn er in einem selbständigen Verfahren die erste Entscheidung über einen Antrag treffe, und habe deshalb auch die in § 147 FGO dem Gericht des ersten Rechtszugs auferlegte Pflicht zum Ansatz der Kosten wahrzunehmen. Die Geschäftsstelle des BFH setzte hierauf die dem Steuerpflichtigen auferlegten Kosten durch Verfügung vom 10. August 1970 mit ... DM fest.
Gegen diese Verfügung hat der Vertreter der Bundeskasse beim BFH die Erinnerung eingelegt (§ 148 Abs. 1 FGO) und die Aufhebung der Kostenrechnung mit der Begründung beantragt, daß der BFH für den Kostenansatz im Verfahren der vorliegenden Art nicht zuständig sei.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Erinnerung ist zulässig und begründet.
Nach § 147 FGO werden die Gebühren und Auslagen des Gerichts bei dem Gericht des ersten Rechtszugs angesetzt. Nach § 148 Abs. 1 FGO ist gegen den Kostenansatz die Erinnerung an das Gericht gegeben. Nach herrschender Meinung handelt es sich dabei um das Gericht, dessen Geschäftsstelle die angefochtene Kostenverfügung erlassen hat, hier also um den BFH.
Die Frage, wer zur Einlegung der Erinnerung befugt ist, wird in der FGO nicht geregelt. Es ist deshalb gemäß § 140 Abs. 1 FGO das GKG sinngemäß anzuwenden. Aus § 4 Abs. 1 dieses Gesetzes ergibt sich, daß neben dem Kostenschuldner auch die Staatskasse für diesen Rechtsbehelf legitimiert ist. Der Vertreter der Staatskasse (Bundeskasse) beim BFH ist nach der Verfügung des Präsidenten des BFH vom 26. November 1968 der Kostenprüfungsbeamte ... für die erstinstanzlichen Sachen beim BFH. Zur Bestellung dieses Beamten war der Präsident des BFH durch Nr. 2 des Erlasses des BdF vom 20. Februar 1967 I A/7 - FG 2018 - 1/67 (BStBl I 1967, 31) ermächtigt. In diesem Erlaß wird der Präsident des BFH gebeten, in den Fällen, in denen gemäß § 147 FGO die Gerichtskosten vom BFH als dem Gericht des ersten und letzten Rechtszugs anzusetzen sind, die Durchführungsbestimmungen zu den Kostengesetzen (Kostenverfügung) die bundeseinheitlich von den Ländern am 1. Oktober 1957 in Kraft gesetzt wurden, anzuwenden. Im § 41 der Kostenverfügung ist bestimmt, daß die Vorstände der Justizbehörden die ordnungsmäßige Erledigung des Kostenansatzes durch den Kostenbeamten zu überwachen haben und daß die besondere Prüfung des Kostenansatzes Aufgabe der Kostenprüfungsbeamten ist. Nach herrschender Meinung ist der Kostenprüfungsbeamte (§ 42 der Kostenverfügung) auch der Vertreter der Staatskasse im Sinne des § 4 GKG (Lauterbach, Kostengesetze, Anm. 2 A b; Mielke, Gerichtskostengesetz, Anm. 3 b, je zu § 4 GKG). Die Beauftragung des Präsidenten des BFH mit der sinngemäßen Anwendung der Kostenverfügung in Kostensachen des BFH beinhaltet deshalb die Überwachung des Kostenansatzes beim BFH und die dazu erforderliche Bestellung des Kostenprüfungsbeamten, der als Vertreter der Bundeskasse fungiert. Der Antragsteller ist deshalb zur Einlegung der Erinnerung seiner Person nach befugt.
Auch das Rechtsschutzbedürfnis für den Rechtsbehelf ist anzuerkennen, obgleich der Vertreter der Bundeskasse nicht behauptet hat, die Bundeskasse sei durch den Kostenansatz materiell benachteiligt. Denn auch die Durchsetzung der Gesetzmäßigkeit des Verfahrens in Kostensachen ist, wie sich aus § 41 der Kostenverfügung entnehmen läßt, ein legitimes Anliegen der öffentlichen Kassen.
Im Gegensatz zur Auffassung der Geschäftsstelle des FG ... ist der Ansatz der Kosten eines Verfahrens wegen Aussetzung der Vollziehung, das erst im Zusammenhang mit der Revision beim BFH anhängig geworden und von diesem unmittelbar entschieden worden ist, gemäß § 147 Satz 1 FGO nicht Sache der Geschäftsstelle des BFH.
Allerdings muß eingeräumt werden, daß der BFH hier im Rahmen eines von der FGO besonders geregelten und in diesem Sinne "selbständigen" Verfahrens als erste mit diesem Verfahren befaßte Instanz tätig geworden ist. Gleichwohl kann er aber nicht als "Gericht des ersten Rechtszugs" im Sinne des § 147 FGO angesehen werden. Denn nach § 69 Abs. 3 FGO ist die Befugnis zur Durchführung des selbständigen Nebenverfahrens ausschließlich dem Gericht der "Hauptsache" übertragen. Als Gericht der Hauptsache wird aber der BFH - abgesehen von den hier nicht in Frage stehenden Fällen des § 37 FGO - nur in zweiter Instanz tätig. Da der BFH somit nur in seiner Funktion als erkennendes Revisions gericht die Zuständigkeit zur Entscheidung über den im Rahmen einer Revision gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung erlangt, kann er in diesem selben Nebenverfahren nicht zugleich als "Gericht des ersten Rechtszugs" gelten. Für diese Auffassung spricht auch die Regelung in § 943 Abs. 1 ZPO, aus der klar zu entnehmen ist, daß das Berufungsgericht, das unmittelbar um Erlaß eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung angegangen wird und darüber ebenfalls in einem "selbständigen" Nebenverfahren zu entscheiden hat, auch insoweit nicht als Gericht des ersten Rechtszugs, sondern als "Berufungsgericht" anzusehen ist (so auch das Kammergericht, Beschluß vom 29. November 1907, Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiete des Zivilrechts Bd. 17 S. 124).
Diese Auslegung des Gesetzes entspricht auch den Grundsätzen der Verfahrensökonomie.
Der Erinnerung des Vertreters der Bundeskasse war daher stattzugeben und die Sache in entsprechender Anwendung des § 70 Abs. 1 FGO an das FG zu verweisen.
Das Verfahren ist gemäß § 148 Abs. 3 FGO kostenfrei.
Fundstellen
BStBl II 1970, 851 |
BFHE 1971, 67 |