Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozessführungsbefugnis
Leitsatz (NV)
Erheben die Mitglieder einer Erbengemeinschaft eine den Erblasser betreffende Anfechtungsklage, dann hat die Rücknahme der Klage durch einen der Erben nicht zur Folge, dass die Klage insgesamt unzulässig wird. Vielmehr ist das Klageverfahren des zurücknehmenden Erben einzustellen und dieser gemäß § 59 FGO i.V. mit § 62 Abs. 2 ZPO zum Klageverfahren der übrigen Erben hinzuzuziehen.
Normenkette
BGB § 238 Abs. 1, § 239 S. 1; FGO §§ 59, 72 Abs. 2, § 73 Abs. 1; ZPO § 62
Verfahrensgang
FG des Landes Brandenburg (Urteil vom 12.04.2006; Aktenzeichen 2 K 1715/05) |
Tatbestand
I. Die benannten Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) zu 1 bis 4 sind die alleinigen Erben nach Herrn P senior. Mit Schreiben vom 30. Januar 2001 beantragten die Kläger zu 1 und 2 im Namen der (ungeteilten) Erbengemeinschaft, die Steuerbescheide für die Streitjahre 1960 bis 1965 betreffend den Erblasser gemäß Art. 19 Satz 2 des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) über die Herstellung der Einheit Deutschlands (Einigungsvertrag --EinigVtr--) aufzuheben. Für die Klägerinnen zu 3 und 4 legten sie jeweils eine Vollmacht vor, nach der der Kläger zu 2 bevollmächtigt wurde, sie in allen Entschädigungsansprüche des Erblassers betreffenden Angelegenheiten zu vertreten. Den Aufhebungsantrag lehnte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) mit dem an die Klägerin zu 1 adressierten Bescheid vom 13. Juni 2005 ab. Den von allen Klägern eingelegten Einspruch wies das FA durch die Einspruchsentscheidung vom 14. Oktober 2005 zurück. Diese Einspruchentscheidung wurde an die anwaltlich vertretenen Erben bekannt gegeben.
Hiergegen erhoben die Kläger Klage. Für die Kläger trat als Prozessbevollmächtigter eine Rechtsanwaltssozietät (künftig: Klägervertreter) auf. Im Verlauf des Klageverfahrens wandte sich die Klägerin zu 3 mit Schreiben vom 21. November 2005 gegen eine ihr übersandte Kostenrechnung. Sie trug vor, sie habe weder einen Auftrag zur Klageerhebung noch eine Prozessvollmacht erteilt. Hierauf übersandte der Berichterstatter des Finanzgerichts (FG) eine Ablichtung dieses Schreibens an die Klägervertreter. Unter Bezugnahme auf dieses Schreiben forderte der Berichterstatter die Klägervertreter mit ausschließender Wirkung auf, "dem Gericht eine Vollmacht im Original bis zum 6. Januar 2006 einzureichen". Der Berichterstatter wies u.a. darauf hin, dass damit gerechnet werden müsse, dass die Klage endgültig als unzulässig abgewiesen werde, wenn die Prozessvollmacht nicht bis zu dem angegebenen Fristende beim Gericht eingegangen sei.
Bis zum 6. Januar 2006 legten die Klägervertreter lediglich von den Klägern zu 1 und 2 ausgestellte Prozessvollmachten vor. Die Klage für die Klägerinnen zu 3 und 4 nahmen die Klägervertreter zurück. Sie vertraten die Auffassung, die Klage sei zulässig. Nach § 2039 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) könne ein Erbe für alle Mitglieder der Erbengemeinschaft tätig werden. Am 13. Februar 2006 legten die Klägervertreter dem FG auch von den Klägerinnen zu 3 und 4 ausgestellte Prozessvollmachten vor.
Das FG hat die Klage aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12. April 2006 als unzulässig abgewiesen. Von den Klägervertretern sei innerhalb der gesetzten Ausschlussfrist nicht eine schriftliche Originalvollmacht aller Erben vorgelegt worden. Die Kläger zu 1 und 2 seien nicht i.S. von § 58 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) befugt gewesen, eine für die Erbengemeinschaft wirkende Vollmacht zu erteilen. Gegenteiliges folge auch nicht aus § 2039 Satz 1 BGB. Denn diese Vorschrift gelte nur für die Durchsetzung von Ansprüchen, nicht jedoch für Gestaltungsklagen.
Mit ihrer wegen der Nichtzulassung der Revision eingelegten Beschwerde machen die Kläger geltend, das FG habe die Klage zu Unrecht abgewiesen. Sie bringen u.a. vor, das angefochtene Urteil beruhe auf Verfahrensfehlern. Das FG habe nicht berücksichtigt, dass für die Kläger zu 1 und 2 innerhalb der gesetzten Ausschlussfrist Prozessvollmachten vorgelegt worden seien. Hinsichtlich der Klägerinnen zu 3 und 4 sei das Setzen einer Ausschlussfrist ermessensfehlerhaft gewesen. Denn diese hätten den anderen Klägern rechtsgeschäftliche Vollmachten erteilt, die bereits dem FA vorgelegt worden seien. Insofern hätte das FG allein in Betracht ziehen können, den Klägern zu 1 und 2 eine Frist zu setzen, ihre Bevollmächtigung durch die Klägerinnen zu 3 und 4 nachzuweisen. Die Zulassung der Revision sei überdies zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Der Bundesfinanzhof (BFH), der Bundesgerichtshof (BGH) und das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hätten für unterschiedliche Konstellationen jeweils anerkannt, dass ein einzelner Erbe einen Anspruch des Erblassers gemäß § 2039 Satz 1 BGB geltend machen könne.
Die Kläger beantragen, die Revision gegen das angefochtene Urteil des FG vom 12. April 2006 zuzulassen.
Das FA beantragt, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
Die Kläger hätten nicht in schlüssiger Weise Gründe für die Zulassung der Revision dargelegt. Insbesondere hätten sie keinen Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO dargelegt.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist begründet. Die Kläger rügen schlüssig einen Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO. Dieser liegt auch tatsächlich vor. Das FG hat zu Unrecht die Klage als unzulässig abgewiesen.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH liegt ein Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO vor, wenn das FG eine zulässige Klage durch Prozessurteil als unzulässig abweist (BFH-Beschluss vom 29. Oktober 2004 XI B 99/02, juris Nr: StRE200451510). Dies kann dann der Fall sein, wenn das FG zu Unrecht davon ausgeht, eine Präklusionsvorschrift (hier § 62 Abs. 3 Satz 3 FGO) sei einschlägig (BFH-Beschluss vom 28. November 2003 III B 75/03, BFH/NV 2004, 523). § 62 Abs. 3 Satz 3 FGO ist nicht anwendbar, wenn die richterliche Verfügung über das Setzen einer solchen Ausschlussfrist inhaltlich unbestimmt oder inhaltlich unrichtig ist oder die angeforderten Prozessvollmachten innerhalb der gesetzten Ausschlussfrist tatsächlich vorgelegt wurden (BFH-Urteile vom 30. März 1988 I R 140/87, BFHE 153, 388, BStBl II 1988, 836, und vom 28. Februar 1989 VIII R 181/84, BFH/NV 1989, 716, jeweils zur Vorgängervorschrift des Art. 3 § 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit --VGFGEntlG--).
2. Hiervon ausgehend erweist sich die Abweisung der Klage gegenüber den Klägern zu 1 und 2 als unzulässig, bereits deshalb als unzutreffend, weil für diese, was mit der Beschwerdebegründung zutreffend vorgetragen wurde, innerhalb der gesetzten Ausschlussfrist eine Prozessvollmacht vorgelegt worden ist. Denn die von ihnen ausgestellten Prozessvollmachten wurden dem FG am 9. Dezember 2005 und damit innerhalb der gesetzten Ausschlussfrist übermittelt. Unerheblich ist, dass die Kläger diesen Sachverhalt lediglich im Zusammenhang mit einem anderen von ihnen geltend gemachten Grund für die Zulassung der Revision dargestellt haben (vgl. BFH-Beschluss vom 28. Mai 2003 VII B 236/02, BFH/NV 2003, 1208).
Dem steht auch nicht entgegen, dass hinsichtlich der Klägerinnen zu 3 und 4 (angeblich) die Ausschlussfrist zur Vorlage der Prozessvollmacht versäumt worden ist und die von diesen erhobene Klage mit Schriftsatz vom 8. Dezember 2005 zurückgenommen wurde.
a) Hierbei folgt der angerufene Senat im Ausgangspunkt der Auffassung des FG, dass die Kläger mit ihrer Klage ein Gestaltungsrecht geltend machen. Dies hat zur Folge, dass sie gemäß § 2038 Abs. 1 Satz 1 BGB aus materiell-rechtlichen Gründen lediglich gemeinschaftlich zur Prozessführung befugt sind. Entgegen der Ansicht der Kläger sind weder § 2038 Abs. 1 Satz 2 noch § 2039 Satz 1 BGB einschlägig.
aa) Der von den Klägern geltend gemachte Anspruch geht dahin, gemäß § 19 Satz 2 EinigVtr die angefochtenen Steuerbescheide der DDR aufzuheben, weil sie mit rechtsstaatlichen Grundsätzen oder mit den Regelungen des EinigVtr unvereinbar seien. Ziel der Klage ist mithin eine Aufhebung dieser Steuerbescheide durch das FG und damit eine Aufhebung im Rahmen von § 172 Abs. 1 Nr. 2d der Abgabenordnung --AO 1977-- (Senatsurteil vom 25. Januar 1995 X R 146/93, BFHE 177, 317, BStBl II 1995, 686; von Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 172 AO Rz. 204). Gegenstand des Klagebegehrens ist mithin ein Gestaltungsrecht der Erbengemeinschaft.
bb) Die Berechtigung zur Geltendmachung von Gestaltungsrechten, die einer Erbengemeinschaft zustehen, beurteilt sich grundsätzlich allein nach § 2038 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Anwendbarkeit von § 2038 Abs. 1 Satz 2 und § 2039 BGB, wonach ein einzelner Erbe berechtigt ist, anstelle der Erbengemeinschaft zu handeln, scheidet in einem solchen Fall regelmäßig aus.
Dies entspricht der ganz überwiegenden Auffassung in der Rechtsprechung und in der Literatur (vgl. BGH-Urteil vom 26. Januar 1951 V ZR 61/50, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1951, 308; BVerwG-Urteil vom 19. März 1956 V C 265.54, NJW 1956, 1295; Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 10. Juli 1991 8 S 1589/91, NJW 1992, 388; Palandt/Edenhofer, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Aufl., § 2039 Rn. 4 f.; differenzierend MünchKommBGB/Heldrich, 4. Aufl., § 2039 Rdnr. 35). § 2039 BGB berechtigt nach seinem Wortlaut den einzelnen Erben, Ansprüche des Nachlasses geltend zu machen. Ansprüche sind indessen darauf gerichtet, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen verlangen zu können (§ 194 BGB). Wird hingegen mit einer Anfechtungsklage die Aufhebung eines Steuerbescheids begehrt, spricht das Gericht im Erfolgsfalle nicht die Verpflichtung aus, den Steuerbescheid aufzuheben, sondern das Gericht hebt ihn selbst auf (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Soweit der BFH im Urteil vom 19. Januar 1989 V R 98/83 (BFHE 156, 8, BStBl II 1990, 360) entschieden hat, Miterben könnten einen Anspruch auf Erlass von Säumniszuschlägen aus sachlichen in der Person des Erblassers liegenden Gründen gemäß § 2039 Satz 1 BGB einzeln geltend machen, ist diese Sachlage mit derjenigen im vorliegenden Streitfall nicht vergleichbar. Denn mit dem Begehren auf Erlass von Säumniszuschlägen wird kein Anfechtungs-, sondern ein Verpflichtungsbegehren i.S. von § 101 FGO verfolgt. Der Streitfall ist auch nicht mit den Fallgestaltungen vergleichbar, die dem Teilurteil des BGH vom 13. Juli 1954 V ZR 56.50 (BGHZ 14, 251) und dem Beschluss des BVerwG vom 9. Juni 1986 5 B 147.83 (Buchholz 310 § 153 VwGO Nr. 21) zugrunde lagen. In diesen Entscheidungen wurde der einzelne Miterbe als berechtigt angesehen, gemäß § 2039 BGB eine Wiederaufnahmeklage zu verfolgen bzw. einen Rechtsstreit über eine Nichtigkeitsklage aufzunehmen. Entscheidend war in beiden Fällen, dass der Erblasser mit seiner Klage einen Anspruch geltend gemacht hatte und sich die Rechtsverfolgung durch den einzelnen Miterben im Ergebnis als Weiterverfolgung des vom Erblasser geltend gemachten Anspruchs darstellte. Soweit das BVerwG in seinem Urteil vom 7. Mai 1965 IV C 24.65 (NJW 1965, 1546) Bedenken gegen die Auffassung erhoben hat, wonach § 2039 Satz 1 BGB im Falle der Anfechtung von Verwaltungsakten unanwendbar sei, liegt ein nicht bindendes obiter dictum vor. Nach Ansicht des erkennenden Senats spricht entscheidend gegen die Anwendbarkeit von § 2039 Satz 1 BGB im Falle der Anfechtung eines Steuerbescheids, dass in einem Prozess, den der einzelne Miterbe berechtigterweise gemäß § 2039 Satz 1 BGB führt, die anderen Miterben nicht beteiligt sind und weder notwendig hinzuzuziehen noch notwendig beizuladen sind (BFH-Urteil in BFHE 156, 8, BStBl II 1990, 360).
Soweit schließlich die Rechtsprechung in einzelnen Fällen die Berechtigung eines Miterben anerkannt hat, eine Klage als notwendige Maßregel zur Erhaltung des Nachlasses i.S. von § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB zu erheben (BVerwG-Urteile in NJW 1965, 1546, und vom 20. Mai 1998 11 C 7.97, Buchholz 424.01 § 44 Flurbereinigungsgesetz --FlurbG-- Nr. 78), hat die Rechtsprechung die Anerkennung eines solchen Notverwaltungsrechts von den Umständen des Einzelfalls abhängig gemacht und es insbesondere dann anerkannt, wenn die Zustimmung der anderen Miterben nicht mehr rechtzeitig erlangt werden kann. Des Rückgriffs auf ein solches Notverwaltungsrecht bedarf es im Streitfall indessen nicht, weil auf andere Weise sichergestellt ist, dass ein Rechtsverlust nicht eintritt (s. unter b).
b) Erheben nicht alle Miterben eine auf die Anfechtung eines Steuerbescheids gerichtete Klage, dann hat dies nicht zur Folge, dass die Klage wegen der fehlenden Prozessführungsbefugnis als unzulässig abzuweisen wäre. Nichts anderes kann gelten, wenn zwar im Namen aller Miterben Klage erhoben wird, der Prozessbevollmächtigte aber nicht innerhalb der ihm vom Gericht gesetzten Ausschlussfrist für einen einzelnen Miterben seine Bevollmächtigung durch Vorlage einer Originalvollmacht nachweisen kann.
Die Rechtsprechung hat nämlich aus dem Umstand, dass Erben im Rahmen des § 2038 Abs. 1 BGB zu einem gemeinsamen Handeln gezwungen sind und deshalb aus materiell-rechtlichen Gründen eine notwendige Streitgenossenschaft (§ 59 FGO i.V.m. § 62 Abs. 1 der Zivilprozessordnung --ZPO--) vorliegt (vgl. hierzu Gräber/ Koch, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 59 Rz 8 2. Spiegelstrich), den Schluss gezogen, dass Miterben, die nicht bzw. nicht wirksam Klage erhoben haben, von den anderen klagenden Miterben i.S. von § 62 ZPO vertreten werden (BFH-Urteil vom 7. August 1986 IV R 137/83, BFHE 147, 224, BStBl II 1986, 910). Die Vertretungsfiktion des § 62 ZPO verhindert mithin, dass die Klage des einzelnen Miterben bereits daran scheitert, dass andere mit ihm gemeinsam zur Klage befugten Miterben keine wirksame Klage erhoben haben. Die "säumigen" Miterben sind deshalb gemäß § 59 FGO i.V.m. § 62 Abs. 2 ZPO zum Verfahren hinzuzuziehen. Dieser Rechtsauffassung, die in der Literatur weitgehend Zustimmung gefunden hat (Gräber/Koch, a.a.O., § 59 Rz 9; Spindler in HHSp, § 59 FGO Rz. 33; Brandt in Beermann/Gosch, FGO, § 59 Rz. 32; kritisch Bier in Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO § 64 Rn. 23), schließt sich der angerufene Senat an.
c) Die Klage der Kläger zu 1 und 2 ist auch nicht deshalb unzulässig geworden, weil die übrigen Kläger ihre Klage zurückgenommen haben. Der angerufene Senat vermag nicht der Auffassung zu folgen, im Falle einer aus materiell-rechtlichen Gründen bestehenden Streitgenossenschaft bewirke die Rücknahme der Klage durch einen Streitgenossen, dass die Klage der übrigen Streitgenossen abzuweisen sei. Auch kann sich der Senat nicht der Auffassung anschließen, in einem solchen Fall sei die Klagerücknahme unzulässig (zum Streitstand vgl. Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 62 Rdnr. 35; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 65. Aufl., § 62 Rz. 20; Wieczorek/Schütze, 3. Aufl., § 62 ZPO Rdn. 74).
Vielmehr ist die Klagerücknahme wirksam und das Verfahren insoweit abzutrennen und einzustellen (§ 72 Abs. 2 Satz 2 und § 73 Abs. 1 Satz 1 FGO). Sodann ist der Kläger, der seine Klage zurückgenommen hat, zu dem Verfahren der verbliebenen Kläger gemäß § 59 FGO i.V.m. § 62 Abs. 2 ZPO hinzuziehen (Gräber/Koch, a.a.O., § 59 Rz 12; ähnlich Spindler in HHSp, § 59 FGO, Rz. 37). Die Rücknahme einer Klage hat nämlich zur Folge, dass die Klage als nicht anhängig geworden gilt (Gräber/Koch, a.a.O., § 72 Rz 30). Unter Berücksichtigung dieses Gesichtspunkts erscheint es gerechtfertigt, den Streitgenossen, der seine Klage zurückgenommen hat, nicht anders zu behandeln als denjenigen, der von Anfang an keine Klage erhoben hat.
3. Das FG hat auch zu Unrecht die von den Klägerinnen zu 3 und 4 erhobene Klage als unzulässig abgewiesen. Denn die vom Berichterstatter des FG gesetzte Ausschlussfrist zur Vorlage der Vollmacht war unwirksam, weil sie einen unklaren Inhalt hatte. Ferner hat das FG nicht beachtet, dass die Abweisung der von den Klägerinnen zu 3 und 4 erhobenen Klage auch deshalb nicht in Betracht kam, weil diese infolge der wirksamen Klagerücknahme (s.o. unter II.2.c) nicht mehr anhängig war.
Die gesetzte Ausschlussfrist war --aus der Sicht eines objektiven Empfängers betrachtet-- mehrdeutig. Im Hinblick auf das beigefügte Schreiben der Klägerin zu 3 konnte das an die Klägervertreter gerichtete Schreiben des Berichterstatters in dem Sinne verstanden werden, es werde aufgefordert, innerhalb der Ausschlussfrist eine Vollmacht dieser Klägerin vorzulegen. Denn in dem Schreiben ist die Rede von "der Vollmacht". Andererseits kann das Schreiben aber auch, wovon offenbar das FG ausgegangen ist, in dem Sinne verstanden werden, die Klägervertreter hätten eine von allen Klägern unterzeichnete Vollmacht vorzulegen. Bei einer solchen Auslegung wäre indessen der in dem Berichterstatterschreiben erfolgte Hinweis, wonach sonst die Klage (insgesamt) unzulässig sei, für den Fall unzutreffend, dass für einen Teil der Kläger rechtzeitig Originalvollmachten vorgelegt werden (s.o. unter II.2.c).
Fundstellen
Haufe-Index 1697690 |
BFH/NV 2007, 733 |