Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsrecht Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Zur Unterscheidung zwischen erlaubnispflichtiger Betätigung als selbständiger Stundenbuchhalter und zulassungsfreier Hilfeleistung in Steuersachen im Angestelltenverhältnis.
Normenkette
GG Art. 12; AO §§ 96, 107a Abs. 2 Nr. 9, Abs. 4
Tatbestand
Das Finanzamt hatte dem Beschwerdegegner (Bg.), der hauptberuflich seit 1938 als Buchhalter bei einem Handelsunternehmen beschäftigt ist, im Herbst 1947 erlaubt, zusätzlich nebenberuflich als Stundenbuchhalter im Angestelltenverhältnis bei vier kleineren Betrieben tätig zu sein.
Nachdem der Bg. die buchhalterische Betreuung von zwei dieser Steuerpflichtigen aufgegeben hatte, ist er seit 1952 noch zusätzlich bei einem Bäckereiunternehmen als Stundenbuchhalter tätig, also ausschließlich des Hauptarbeitsverhältnisses bei drei weiteren Steuerpflichtigen.
Unter Bezugnahme auf einen Erlaß des Niedersächsischen Ministers der Finanzen - Steuer und Zollabteilung - Gem. S. 1145 - 156/St 6 vom 7. März 1949 untersagte das Finanzamt ihm unter Androhung eines Erzwingungsgeldes durch eine den Gegenstand dieses Rechtsbeschwerdeverfahrens bildende Verfügung, sich als Stundenbuchhalter zu betätigen, soweit diese Tätigkeit einschließlich des erwähnten Handelsunternehmens "insgesamt drei Arbeitsverhältnisse übersteigt".
Durch den mit der Rechtsbeschwerde angefochtenen Beschluß hat das Finanzgericht die Verfügung des Finanzamts aufgehoben.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde des Vorstehers des Finanzamts (Beschwerdeführer - Bf. -), welche die Oberfinanzdirektion weiter geleitet hat, kann keinen Erfolg haben.
Zutreffend ist das Finanzgericht davon ausgegangen, daß nach § 1 der Verordnung zur Durchführung des § 107 a der Reichsabgabenordnung (DV zu § 107 a AO) vom 11. Januar 1936 (Reichsgesetzblatt - RGBl. - I S. 11, Reichssteuerblatt - RStBl. - 1936 S. 65) der Begriff der erlaubnispflichtigen Hilfeleistung in Steuersachen im Sinne des § 107 a AO auch die Hilfeleistung bei Erfüllung der Buchführungspflichten umfaßt, die auf Grund von Steuergesetzen bestehen. Der Erlaubniszwang des § 107 a AO gilt daher auch für die sogenannten Stundenbuchhalter, die Steuerpflichtigen die Bücher führen, wenn sie diese Tätigkeit selbständig (freiberuflich) ausüben. Andererseits besteht nach § 107 a Abs. 3 Ziff. 8 a. a. O. keine Erlaubnispflicht für Angestellte, soweit sie Steuersachen ihrer Dienstherren erledigen.
Nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs, der sich der erkennende Senat des Bundesfinanzhofs insoweit anschließt, kann die Frage, ob es sich im Einzelfall tatsächlich um einen typischen selbständigen Stundenbuchhalter handelt, der ohne dienstvertragliche Bindungen gegen Entgelt Steuerpflichtigen die Buchführung besorgt, oder um ein echtes Angestelltenverhältnis, nur unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalles entschieden werden (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs VI 54/38 vom 3. Februar 1938, RStBl. 1938 S. 273); in diesem Urteil ist ausgeführt, daß auch das Vorliegen mehrerer Beschäftigungsverhältnisse (im damaligen Falle vier) der Annahme von echten Angestelltenverhältnissen nicht entgegenzustehen braucht.
Im Streitfall ist das Finanzgericht ohne Rechtsirrtum und ohne Verstoß gegen den Inhalt der Akten zu dem Ergebnis gelangt, daß es sich auch bei der zusätzlichen Betätigung bei den drei kleineren Steuerpflichtigen, die der Bg. - außer seiner Hauptbeschäftigung - ausübt, um echte Angestelltenverhältnisse handelt.
Die Ausführungen der Rechtsbeschwerde sind nicht geeignet, diese rechtlichen und tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz zu entkräften. Insbesondere kann die Verfahrensrüge keinen Erfolg haben, nach der das Finanzgericht seiner Aufklärungspflicht nicht ausreichend entsprochen haben soll, weil es keine besonderen Ermittlungen über den Charakter der vorliegenden Vertragsverhältnisse angestellt habe. Dazu bestand für das Finanzgericht um so weniger Veranlassung, als das Finanzamt in dem finanzgerichtlichen Verfahren das Vorliegen von echten Arbeitsverhältnissen nicht bestritten, vielmehr die Untersagung der Tätigkeit "in einem vierten Arbeitsverhältnis" ausdrücklich mit der Regelung in dem erwähnten Ministerialerlaß begründet hat. Es ist nach den Umständen des Streitfalles nicht zu beanstanden, daß das Finanzgericht bei seiner Beweiswürdigung entscheidend darauf abgestellt hat, daß der Bg. für alle vier Arbeitsverhältnisse Lohnsteuerkarten beantragt, bei seinen Arbeitgebern abgegeben hat, und daß die bezahlten Vergütungen ordnungsmäßig dem Lohnsteuerabzug unterworfen haben. Zutreffend hat das Finanzgericht auch hervorgehoben, daß der Bg. - im Gegensatz zu einem freiberuflich schaffenden Helfer in Steuersachen - bei seiner buchhalterischen Betätigung grundsätzlich an die Weisungen seiner Auftraggeber gebunden ist. Darin ist die in der Rechtsbeschwerde vermißte Eingliederung in den Betrieb zu erblicken. Dabei ist es unerheblich, daß der Bg. in gleicher Weise mit einer gewissen Selbständigkeit arbeiten mag, wie das auch für jeden Bilanzbuchhalter zutrifft, der nur in seinem Betrieb tätig ist. Die Frage, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für ein Angestelltenverhältnis gegeben sind, ist im wesentlichen eine Frage der tatsächlichen Beurteilung. Der Senat trägt keine Bedenken, insoweit der Würdigung der Vorinstanz zu folgen.
Die Berufung des Bf. (Vorsteher des Finanzamts) auf das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm - (2) 2 Sa 103/52 vom 24. April 1952 (auszugsweise wiedergegeben in Steuerrecht in Kurzform Gr. O Nr. 1307) geht fehl, weil auch dieses Urteil entscheidend auf den Einzelfall abstellt (so auch das in Finanz-Rundschau 1952 S. 293 mitgeteilte Urteil am Schluß). Nach dem Tatbestand des Urteils des Oberlandesgerichts Hamm (2) 2 Sa 103/52 war der dortige Angeklagte für 14 Geschäftsleute tätig gewesen; im Hinblick auf diese Vielzahl der Fälle und die sonstigen Umstände des Einzelfalles ist daher in dem damaligen Strafverfahren eine erlaubnispflichtige freiberufliche Hilfeleistung in Steuersachen angenommen worden. Ebenso ist der Tatbestand des in der Rechtsbeschwerde angeführten Urteils des Landesarbeitsgerichts Frankfurt/Main - I/II LA 455/52 vom 14. Januar 1953 (Der Betriebs- Berater 1953 S. 145) u. a. insofern anders gelagert, als es sich dort um eine beratende Tätigkeit handelte, während der Bg. als Buchhalter beschäftigt wird.
Anhaltspunkte dafür, daß die Wahl von Angestelltenverhältnissen im Streitfall zur Umgehung des Erlaubniszwangs mißbraucht wird (§ 107 a Abs. 4 AO), sind - entgegen der nicht näher im einzelnen begründeten Annahme der Rechtsbeschwerde - nicht gegeben. Dagegen spricht u. a. daß der Bg. unstreitig - außer seinem Hauptarbeitsverhältnis - zwei der Steuerpflichtigen schon seit über einem Jahrzehnt mit Kenntnis des Finanzamts und offenbar ohne Beanstandungen buchhalterisch betreut.
Der angeführte Ministerialerlaß ist für die Gerichte nicht verbindlich und kann daher das Verbot der Betätigung in einem vierten Arbeitsverhältnis nicht rechtfertigen. überdies ist nach dem Erlaß nur grundsätzlich das Bestehen von echten Arbeitsverhältnissen dann zu verneinen, wenn der betreffende Stundenbuchhalter mehr als drei Lohnsteuerkarten besitzt. Eine grundsätzliche Regelung schließt es nicht aus, daß in besonderen Fällen eine größere Anzahl von echten Arbeitsverhältnissen zur Verneinung der Erlaubnispflicht führen kann, wobei eine feste Begrenzung nach oben nicht möglich ist (vgl. dazu u. a. Erlaß der Oberfinanzdirektion Stuttgart S 1145 A vom 22. November 1952, Der Betriebs-Berater 1952 S. 1006, nach dem die Arbeit eines Stundenbuchhalters im Angestelltenverhältnis nicht zu beanstanden ist, wenn er im Dienst von drei bis fünf Arbeitgebern steht, wobei für die Zahl der Arbeitsverhältnisse der Umfang der Tätigkeit im Einzelfall maßgebend ist; ebenso Hübschmann-Hepp-Spitaler Anm. 8 zu § 107 a AO).
In Fällen nach Art des Streitfalles, in denen Anhaltspunkte für einen Mißbrauch im Sinne des § 107 a Abs. 4 AO nicht vorliegen, sind die Finanzverwaltungsbehörden nicht befugt, den Staatsbürger bei der Ausübung des durch Art. 12 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) grundsätzlich gewährleisteten Rechts auf freie Berufswahl und Berufsausübung zu beschränken. Da steuerliche Betreuung im Angestelltenverhältnis nach § 107 a Abs. 3 Ziff. 8 AO nicht erlaubnispflichtig ist, muß es dabei unerheblich bleiben, ob eine entsprechende Maßnahme auf einen Ministerialerlaß gestützt werden könnte, wenn dieser die Grenzen für ein etwa bei der Beurteilung in Betracht kommendes Ermessen zu eng zieht (vgl. dazu Urteil des Bundesfinanzhofs III 86/53 S vom 25. September 1953, Slg. Bd. 58 S. 33 ff., 36, Bundessteuerblatt III S. 304, Begründung zu Halbsatz 2: dritter Absatz).
Unter diesen Umständen bedarf es keines näheren Eingehens auf die zusätzliche Begründung des Finanzgerichts, nach der auch § 96 AO in Verbindung mit den auch im öffentlichen Recht zu beachtenden Grundsätzen von Treu und Glauben der Beschränkung des Bg. auf die Betätigung bei insgesamt drei Betrieben deshalb entgegenstehe, weil das Finanzamt dem Bg. früher erlaubt hat, in vier Nebenarbeitsverhältnissen als Stundenbuchhalter, also insgesamt bei fünf Steuerpflichtigen, tätig zu sein.
Die Rechtsbeschwerde war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 309 AO zurückzuweisen, ohne daß die vom Bf. beantragte Zurückverweisung an das Finanzgericht erforderlich erschien.
Fundstellen
Haufe-Index 408211 |
BStBl III 1955, 256 |
BFHE 1956, 147 |
BFHE 61, 147 |