Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Der Senat tritt der Auffassung im Beschluß des Reichsfinanzhofs VI B 19/41 vom 7. Januar 1942 (RStBl 1942 S. 25) bei, wonach die einjährige Frist des § 387 Abs. 3 Satz 4 AO auch für die Fälle gilt, in denen keine neue, sondern eine erstmalige Zerlegung vorzunehmen ist.
Die vorbezeichnete Frist läuft jedenfalls dann neu, wenn die erstmalige Festsetzung des Steuermeßbetrags nur vorläufig war und durch eine endgültige Festsetzung ersetzt wird.
Normenkette
AO § 387 Abs. 3 S. 4, § 100; GewStG § 28
Tatbestand
Die Firma A. in X. betreibt die Herstellung von Zementwaren, Kies- und Sandgewinnung, Herstellung und Vertrieb von Klinkern sowie den Groß- und Kleinhandel mit Baustoffen. Sie unterhält Betriebstätten in den Gemeinden X. und Y. und ab 1950 auch in der Gemeinde Z. Das Finanzamt hatte die einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträge für die Erhebungszeiträume II/1948 bis 1950 gegenüber der Firma zunächst vorläufig festgesetzt. Die Vorläufigkeit der Festsetzung ist in den Bescheiden damit begründet, daß eine änderung hinsichtlich der Feststellung, ob es sich um einen Gewerbebetrieb handelt, vorbehalten bleibt. Eine Zerlegung der Gewerbesteuermeßbeträge auf die vorgenannten Gemeinden ist im Rahmen des vorläufigen Festsetzungsverfahrens nicht vorgenommen worden. Die vorläufigen Festsetzungsbescheide sind im November 1952 rechtskräftig geworden.
Auf Grund des Ergebnisses einer bei der Firma im Jahre 1954 durchgeführten Betriebsprüfung hat das Finanzamt unter dem 28. Juni 1954 die endgültigen Festsetzungsbescheide für II/1948 bis 1950 erlassen und gleichzeitig die Gewerbesteuermeßbeträge, die sich gegenüber den vorläufig festgesetzten Beträgen erhöht hatten, auf die beteiligten Gemeinden nach dem Verhältnis der gezahlten Arbeitslöhne (ß 29 Abs. 1 Ziff. 2 des Gewerbesteuergesetzes - GewStG -) zerlegt.
Gegen den Zerlegungsbescheid hat die Gemeinde X. Beschwerde eingelegt. Sie macht geltend, das Finanzamt sei im Hinblick auf § 387 Abs. 3 der Reichsabgabenordnung (AO) nicht berechtigt gewesen, die Zerlegung durchzuführen, da die ursprünglichen Gewerbesteuermeßbescheide rechtskräftig gewesen seien, seit dem Eintritt der Rechtskraft mehr als ein Jahr vergangen sei und die übrigen Gemeinden innerhalb dieser Frist keinen Antrag auf Beteiligung an der Zerlegung gestellt hätten. Die Vorschrift des § 387 Abs. 3 AO gelte auch für den Fall, daß eine Zerlegung überhaupt unterblieben sei (Beschluß des Reichsfinanzhofs VI B 19/41 vom 7. Januar 1942, Reichssteuerblatt - RStBl - 1942 S. 25). Daran könne auch der Umstand nichts ändern, daß das Finanzamt die ursprünglichen Bescheide als vorläufige gemäß § 100 AO bezeichnet habe.
Die Beschwerde hatte keinen Erfolg. Der angezogene Beschluß des Reichsfinanzhofs, so führt die Oberfinanzdirektion aus, stütze zwar die Auffassung der Beschwerdeführerin (Bfin.), eine Zerlegung könne nach Ablauf der Jahresfrist auch dann nicht mehr vorgenommen werden, wenn sie unterblieben sei. über den Zeitpunkt, wann die Frist zu laufen beginne, könnten aus dem Beschluß jedoch keine Folgerungen gezogen werden. Im § 387 Abs. 3 Satz 4 AO werde ausgeführt, daß eine neue Zerlegung nicht stattfinde, wenn ein Jahr verflossen sei, seitdem die Festsetzung des zu zerlegenden Steuermeßbetrages unanfechtbar geworden sei. Hiernach sei nicht darauf abzustellen, wann die Festsetzung der einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträge erstmals rechtskräftig geworden sei. Jede Berichtigung, die dem Steuerpflichtigen eine Rechtsmittelmöglichkeit gebe, setze demgemäß eine neue Jahresfrist in Lauf.
Mit der weiteren Beschwerde wendet sich die Gemeinde X. gegen die Auffassung der Oberfinanzdirektion. Sie würde zu einer Rechtsunsicherheit führen und die Bestimmung des § 387 Abs. 3 AO illusorisch machen. äußerstenfalls müsse der Zerlegung auf die Unterschiedsbeträge zwischen den alten und den neuen Meßbeträgen beschränkt werden.
Entscheidungsgründe
Die weitere Beschwerde ist unbegründet. Nach dem angeführten Beschluß des Reichsfinanzhofs VI B 19/41 vom 7. Januar 1942, dem der Senat beitritt, gilt die einjährige Frist des § 387 Abs. 3 Satz 4 AO auch für die Fälle, in denen keine neue, sondern eine erstmalige Zerlegung vorzunehmen ist. Ob, wie die Vorbehörde meint, jede Berichtigung einer rechtskräftigen Steuermeßbetragsfestsetzung die Frist neu in Lauf setzt, oder ob sie grundsätzlich nur von der Rechtskraft der erstmaligen Festsetzung ab läuft, kann dahingestellt bleiben. Denn auf jeden Fall muß der Lauf einer neuen Frist angenommen werden, wenn die erstmalige Festsetzung des Meßbetrags nur vorläufig ist und durch eine endgültige ersetzt wird. Im Fall der vorläufigen Festsetzung muß sich die Gemeinde von vornherein auf eine änderung des ihr zufließenden Steuerbetrages einstellen. Der Erlaß vorläufiger Festsetzungsbescheide entspricht im vorliegenden Fall der Vorschrift des § 100 Abs. 1 AO und ist daher nicht zu beanstanden. Im übrigen wäre das Finanzamt, da die Firma nach § 162 Abs. 10 AO der Betriebsprüfung unterliegt, auch nach § 100 Abs. 2 AO zum Erlaß vorläufiger Festsetzungsbescheide befugt gewesen.
Der Hilfsantrag der Bfin., die Zerlegung auf die Unterschiedsbeträge zwischen den vorläufigen und den endgültig festgesetzten Steuermeßbeträgen zu beschränken, findet im Gesetz keine Stütze. Der Zerlegung sind vielmehr mit Recht die vollen, durch die endgültigen Steuermeßbescheide festgesetzten Meßbeträge zugrunde gelegt worden.
Hiernach war die weitere Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 408717 |
BStBl III 1957, 178 |
BFHE 1957, 479 |
BFHE 64, 479 |