Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag auf Vorabentscheidung vom 07.07.1987 - VII K 8/87
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Tarifierung eines Video-Camera-Recorders.
2. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden gemäß Art.177 Abs.1 und 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft folgende Fragen vorgelegt:
a) Ist der Gemeinsame Zolltarif dahin auszulegen, daß eine Gerätekombination (Video-Camera-Recorder), die in einem gemeinsamen Gehäuse eine Videokamera der Tarifst. 85.15 A IV des Gemeinsamen Zolltarifs und ein Aufzeichnungs- und Wiedergabegerät der Tarifst. 92.11 B I a des Gemeinsamen Zolltarifs enthält, in Anwendung der Allgemeinen Tarifierungsvorschrift 3b nach dem zuletzt bezeichneten Gerät als charakterbestimmendem Bestandteil zu tarifieren ist, wenn die Aufzeichnung von Fernsehprogrammen nur mittels eines externen Video- Tuners und eines lediglich als Sonderzubehör lieferbaren Zusatzgeräts (Adapters) möglich ist?
b) Bei Verneinung der Frage a):
Ist die Allgemeine Tarifierungsvorschrift 3b dahin auszulegen, daß die in Frage a) bezeichnete Gerätekombination nach der Videokamera als charakterbestimmendem Bestandteil zu tarifieren ist?
Normenkette
GZT Tarifnr 85.15 Tarifst A-4; GZT ATV 3b; EWGVtr Art. 177 Abs. 1, 3; GZT Tarifnr 92.11 Tarifst B-1-a
Nachgehend
EuGH (Entscheidung vom 28.02.1989; Aktenzeichen 245/87) |
Tatbestand
Die beklagte Oberfinanzdirektion (OFD) wies in ihrer der Klägerin erteilten verbindlichen Zolltarifauskunft (vZTA) --Nr.374/1986 vom 16.Dezember 1986-- einen Video-Camera-Recorder, bestehend aus einer in einem gemeinsamen Gehäuse untergebrachten Videokamera und einem mit Magnetbandkassetten arbeitenden Fernseh-Bild- und Tonaufzeichnungs- und -wiedergabegerät --Magnetbandgerät für Magnetbänder mit einer Breite von weniger als 1,3 cm und einer Bandlaufgeschwindigkeit von 23,39 mm/s--, der zur Aufzeichnung der mit der Kamera aufgenommenen Bilder und --bei Verwendung eines als Sonderzubehör lieferbaren AV-Eingangsadapters-- von Fernsehprogrammen, ferner zum Abspielen eigener Videoaufzeichnungen und fremder bespielter VHS-Cassetten über Fernsehempfänger geeignet ist, der Tarifst. 92.11 B I a des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) zu. Zur Begründung führte die OFD aus, für die Tarifierung käme neben der Tarifst. 92.11 B I a (für das Fernseh-Bild- und Tonaufzeichnungs- und -wiedergabegerät) zwar auch Tarifst. 85.15 A IV (für die Fernsehkamera) in Betracht, anzuwenden sei jedoch die zuerst genannte Tarifstelle, da das Aufzeichnungs- und Wiedergabegerät nach Verwendungszweck und Bedeutung charakterbestimmend sei (Allgemeine Tarifierungsvorschrift --ATV-- 3b).
Gegen diese vZTA richtet sich die Klage, mit der geltend gemacht wird, charakterbestimmender Bestandteil des Video-Camera-Recorders sei nach einer Vielzahl von Kriterien --Umfang und Menge, Wert, Erscheinungsbild, technische Gestaltungsmöglichkeit, technische Ausstattung und Ausstattungsqualität sowie Kauferwartung-- die Fernsehkamera. Die Zusatzeinrichtung zur Aufnahme von Fernsehprogrammen mittels (externen) Videotuners oder Fernsehgeräts --nur bei Verwendung des Adapters-- bestehe lediglich darin, daß an einer bestimmten Stelle des Recorders eine Verbindung zur Anschlußbuchse hergestellt werde. Diese nebensächliche Modifikation könne nicht dazu führen, daß ein anderer Bestandteil als die Kamera charakterbestimmend werde.
Entscheidungsgründe
Die Entscheidung über die Klage hängt von der Auslegung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften --hier: des GZT-- ab. Zu entscheiden ist über die Tarifierung eines Video-Camera-Recorders, der in einem gemeinsamen Gehäuse eine Videokamera --Fernsehkamera der Tarifst. 85.15 A IV GZT-- und ein Fernseh-Bild- und Tonaufzeichnungs- und -wiedergabegerät --Magnetbandgerät der Tarifst. 92.11 B I a GZT-- enthält. Letzteres dient zur Aufzeichnung der mit der Kamera aufgezeichneten Bilder, es kann aber auch mit Hilfe eines gesondert lieferbaren Zusatzgeräts (Adapter mit externer Stromquelle) über eine vorhandene Anschlußbuchse zur Aufzeichnung von Fernsehprogrammen verwendet werden.
Der Video-Camera-Recorder ist eine Gerätekombination, die als solche von keiner Tarifnummer des GZT erfaßt wird. Sie ist nach ATV 2b Satz 3 nach den Grundsätzen der ATV 3 zu tarifieren, und zwar, da die Anwendung der ATV 3a ausscheidet, gemäß ATV 3b nach ihrem charakterbestimmenden Bestandteil. Hiervon gehen auch die Parteien aus. Während die Klägerin jedoch die Fernsehkamera als charakterbestimmend ansieht, vertritt die OFD unter Hinweis auf die im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (ABlEG) C 177/3 vom 15.Juli 1986 veröffentlichten Erläuterungen zum Zolltarif der Europäischen Gemeinschaften --zu Tarifst. 85.15 A IV und 92.11 B-- die Auffassung, die Ware gehöre zu Tarifst. 92.11 B I a GZT (vgl. Erläuterungen zum Zolltarif --ErlZT-- zu Tarifnr. 85.15 Teil II Rdziff.8 und 9 und zu Tarifnr. 92.11 Teil II Rdziff.6 bis 8).
Die Tarifst. 85.15 A IV erfaßt nach den angeführten Erläuterungen auch Geräte, die aus einer Fernsehkamera und einem Gerät bestehen, mit dem die Kamerabilder aufgezeichnet oder auch über einen Monitor wiedergegeben werden können. Geräte dieser Art sollen indessen zur Tarifst. 92.11 B gehören, wenn mit ihnen auch Fernsehprogramme mittels Video-Tuners aufgezeichnet werden können (vgl. auch den in ABlEG C 185/4 vom 25.Juli 1985 veröffentlichten Tarifierungsbeschluß des Ausschusses für das Schema des GZT, III Nr.4, ErlZT zu Tarifnr. 92.11 Teil III), "wobei der Video-Tuner in das Gerät eingebaut sein kann oder nicht". Bei Zugrundelegung dieser Tarifauffassung wäre die angefochtene vZTA zu bestätigen und die Klage abzuweisen. Es erscheint jedoch zweifelhaft, ob die den Erläuterungen --wichtiges Erkenntnismittel bei der Auslegung des GZT, aber keine das Gericht bindende Rechtsnorm-- offenbar zugrunde liegende Auffassung zutrifft, charakterbestimmender Bestandteil einer Gerätekombination von Fernsehkamera und Aufzeichnungs- und Wiedergabegerät sei stets das letztere, wenn mit ihm außer den Kamerabildern auch Fernsehprogramme mittels Video-Tuners --selbst eines externen-- aufgezeichnet werden können. Es kann dahingestellt bleiben, ob bei einer Gerätekombination Fernsehkamera/Aufzeichnungs- und Wiedergabegerät mit eingebautem Video-Tuner, geeignet (auch) zur Aufzeichnung von Fernsehprogrammen, zwangsläufig das Aufzeichnungs- und Wiedergabegerät als charakterbestimmender Bestandteil anzusehen ist. Diese Bewertung des Aufzeichnungs- und Wiedergabegeräts dürfte sich jedenfalls dann verbieten, wenn --wie im Streitfalle-- eine Fernsehaufzeichnung nur unter Verwendung einer nicht zum normalen Lieferprogramm gehörenden Zusatzeinrichtung möglich ist. Nach den für die Tarifierung maßgebenden objektiven Merkmalen des Video-Camera-Recorders, wie er zur zolltariflichen Beurteilung ansteht --ohne Zusatzeinrichtung--, ist er, auch mit Anschlußbuchse, nicht in der Lage, Fernsehprogramme mittels Video-Tuners aufzunehmen. So, wie der Video-Camera-Recorder zur Zollabfertigung gestellt wird, kann das in ihm neben der Kamera enthaltene Aufzeichnungs- und Wiedergabegerät lediglich die Kamerabilder aufnehmen und wiedergeben. Charakterbestimmend wäre danach, als Hauptbestandteil, die Kamera; ihre Tarifierung (Tarifst. 85.15 A IV GZT) würde die der Gerätekombination bestimmen.
Da die Tarifierung unter Berücksichtigung der angeführten Erläuterungen zweifelhaft ist, hat der Senat beschlossen, dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften die aus dem Tenor dieses Beschlusses ersichtlichen Fragen vorzulegen.
Fundstellen
Haufe-Index 61929 |
BFHE 150, 250 |
BFHE 1987, 250 |
HFR 1987, 540-540 (ST) |