Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittel gegen eine im Urteil abgelehnte Aussetzung des Verfahrens
Leitsatz (NV)
Das Finanzgericht kann einen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens in einem besonderen Beschluß oder im Urteil zur Hauptsache ablehnen. Hat das Finanzgericht erst im Urteil über den Antrag auf Aussetzung entschieden, ist der behauptete, in der verweigerten Aussetzung liegende Verfahrensmangel mit der Revision oder - wenn die Revision nicht zugelassen worden ist - mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend zu machen.
Normenkette
FGO §§ 74, 115, 128
Tatbestand
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) machte bei der Einkommensteuerveranlagung 1989 Vorsorgeaufwendungen in Höhe von 9520 DM als Sonderausgaben sowie außergewöhnliche Belastungen nach § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 247 DM geltend. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte die Vorsorgeaufwendungen mit dem Sonderausgabenhöchstbetrag (§ 10 Abs. 3 EStG) von 3510 DM. Die Aufwendungen nach § 33 EStG wirkten sich nicht aus, da sie die zumutbare Belastung (§ 33 Abs. 3 EStG) nicht überstiegen. Auf das zu versteuernde Einkommen wendete das FA den Grundtarif (§ 32a Abs. 1 bis 4 EStG) an. Der Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 1989, mit dem die Kläger Verfassungswidrigkeit des Grundfreibetrags, des Sonderausgabenhöchstbetrags und des Abzugs der zumutbaren Belastung rügte, war erfolglos.
Mit der Klage brachte die Klägerin vor, die Höhe des Grundfreibetrags nach § 32a EStG sei realitätsfremd im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG). Auf Antrag der Klägerin setzte das Finanzgericht (FG) mit Beschluß vom 24. Februar 1992 das Verfahren aus, bis das BVerfG über die bei ihm anhängigen Verfahren hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des Grundfreibetrags entschieden habe.
Mit Schreiben vom 23. November 1992 teilte das FG der Klägerin mit, im Hinblick auf die Entscheidungen des BVerfG zum Grundfreibetrag lägen die Voraussetzungen für die Aussetzung des Verfahrens nicht mehr vor; es gab der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 18. Dezember 1992. Nachdem innerhalb der Frist keine Äußerung der Klägerin eingegangen war, hob das FG die Aussetzung des Verfahrens durch Beschluß vom 18. Dezember 1992 (zugestellt am 29. Dezember 1992) auf und führte das Verfahren fort.
Am 28. Dezember 1992 ging beim FG ein Schreiben der Klägerin ein, mit dem sie vortrug, sie halte den Klageantrag hinsichtlich des Grundfreibetrags nicht mehr aufrecht. Sie beabsichtige, in der mündlichen Verhandlung zusätzlich zu beantragen, die außergewöhnliche Belastung ohne Berücksichtigung der zumutbaren Belastung zum Abzug zuzulassen und die geltend gemachten Versicherungsbeiträge in voller Höhe zu berücksichtigen. Zur Begründung verwies sie auf die Verfahren beim BVerfG 1 BvL 20/84, 1 BvL 72/86, 2 BvR 1282/80, 2 BvR 1282/84, 2 BvR 1282/85, 2 BvR 1282/89 und 1 BvR 1220/88. Ferner beantragte sie, das Verfahren auszusetzen, bis das BVerfG über die anhängigen Verfassungsbeschwerden 2 BvR 1127/92 und 1136-1138/92 abschließend entschieden habe.
Mit Schreiben vom 7. Januar 1993 (Eingang beim FG am 11. Januar 1993) erhob die Klägerin Beschwerde gegen den Beschluß über die Aufhebung der Aussetzung vom 18. Dezember 1992. Das FG half der Beschwerde nicht ab. Es beraumte mündliche Verhandlung auf den 17. Februar 1993 an und wies die Klage durch Urteil ab. Es führte aus: Das nach Ablauf der einmonatigen Klagefrist geltend gemachte Rechtsschutzbegehren unter gleichzeitiger Abstandnahme von dem ursprünglichen Gegenstand des Klagebegehrens sei eine nicht sachdienliche und daher unzulässige Klageänderung. Im übrigen halte der Senat § 10 Abs. 3 und § 33 Abs. 3 EStG für verfassungsmäßig. Eine Aussetzung des Verfahrens nach § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) komme nicht in Betracht. Die von der Klägerin genannten Verfahren vor dem BVerfG seien jedenfalls insoweit aussichtslos, als das BVerfG - die Verfassungswidrigkeit der genannten Vorschriften unterstellt - im Interesse einer verläßlichen Finanz- und Haushaltsplanung eine rückwirkende Auswirkung (Neuregelung) verneinen werde.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Gegen Entscheidungen über die Aussetzung des Verfahrens ist die Beschwerde gegeben (§ 128 Abs. 2 FGO). Über die Aussetzung eines Verfahrens muß aber nur dann durch Beschluß entschieden werden, wenn das Verfahren ausgesetzt wird (§ 74 FGO). Will das FG einen Antrag auf Aussetzung ablehnen, kann es die Ablehnung in einem besonderen Beschluß oder auch erst im Urteil aussprechen (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. Oktober 1967 VI B 43/67, BFHE 90, 393, BStBl II 1968, 118, und vom 28. Oktober 1992 X B 68/92, BFH/NV 1993, 372). Nur die Entscheidung durch besonderen Beschluß ist mit der Beschwerde anfechtbar. Hat das FG erst im Urteil über den Antrag auf Aussetzung entschieden, ist der behauptete, in der verweigerten Aussetzung liegende Verfahrensmangel, sofern - wie im Streitfall - die Revision nicht zugelassen ist, mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend zu machen (z.B. BFH-Beschluß vom 8. Mai 1991 I B 132, 134/90, BFHE 164, 194, BStBl II 1991, 641). Hebt das FG eine Aussetzung des Verfahrens durch Beschluß wieder auf, ist gegen die Entscheidung ebenfalls die Beschwerde gegeben.
Im Streitfall hatte das FG das Verfahren ausgesetzt bis zur Entscheidung des BVerfG zum Grundfreibetrag. Nachdem das BVerfG hierüber entschieden hatte, waren die Voraussetzungen für die Aussetzung weggefallen. Zu Recht hat daher das FG die Aussetzung aufgehoben.
Den erst nach Absendung des Aufhebungsbeschlusses eingegangenen Antrag der Klägerin, das Verfahren im Hinblick auf die wegen der Sonderausgabenhöchstbeträge beim BVerfG anhängigen Verfahren auszusetzen, hat das FG erst im Urteil abgelehnt. Den in der Nichtaussetzung ggf. liegenden Verfahrensverstoß hätte die Klägerin daher mit einer Nichtzulassungsbeschwerde geltend machen müssen.
Fundstellen
Haufe-Index 419448 |
BFH/NV 1994, 253 |