Leitsatz (amtlich)
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten oder eines Beistands kann für das Vorverfahren nur dann für notwendig erklärt werden, wenn dieser im Vorverfahren dem FA gegenüber erkennbar aufgetreten ist.
Normenkette
FGO § 139 Abs. 3 S. 3
Tatbestand
In der Hauptsache hat der Senat durch Urteil III 169/64 vom 15. März 1968 das Urteil des FG und die Einspruchsentscheidung des FA aufgehoben und die Kreditgewinnabgabe (KGA) dem Antrag der Klägerin entsprechend festgesetzt. Die Kosten des gesamten Verfahrens wurden dem FA auferlegt. Im Kostenerstattungsverfahren wurde daraufhin u. a. beantragt, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären. Dieser Antrag wurde vom FG durch Beschluß vom 25. Juli 1969 abgelehnt. Das FG führte im wesentlichen aus: Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren könne nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO nur dann für notwendig erklärt werden, wenn die Person, die den Steuerpflichtigen unterstützt habe, nach außen erkennbar hervorgetreten sei, wie das FG München durch rechtskräftigen Beschluß II 39/65 vom 28. Februar 1968 (EFG 1968, 212) entschieden habe. Nach dem Inhalt der KGA-Akte seien diese Voraussetzungen im Streitfall nicht erfüllt.
Gegen diesen Beschluß hat der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin Beschwerde erhoben, der das FG nicht abgeholfen hat. Zur Begründung trägt er im wesentlichen vor: § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO spreche nicht davon, daß der Bevollmächtigte nach außen besonders vortreten müsse. Selbst wenn dies aber richtig sei, sei die Ablehnung seines Antrags nicht gerechtfertigt. Er bearbeite die Steuersachen der Klägerin seit 1931. Das ergebe sich nicht nur aus den Steuerakten, sondern sei auch amtsbekannt. In einem Erörterungstermin vor dem FG vom 10. Dezember 1952 sei er in der KGA-Sache für die Klägerin aufgetreten. In der Erklärung und Selbstberechnung zur KGA sei angegeben, daß er bei der Anfertigung mitgewirkt habe. Sämtliche Schriftsätze im KGA-Verfahren trügen sein Aktenzeichen. Die Einspruchsentscheidung sei ihm von der Klägerin vorgelegt worden, wie aus einem Schreiben der Klägerin vom 8. Mai 1958 hervorgehe. Der Inhalt der Schriftsätze lasse erkennen, daß die Steuerpflichtige nicht ohne Hilfe durchgekommen sei. Es müsse angenommen werden, daß sie sich dabei der Unterstützung ihres Steuerberaters bedient habe.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Beschwerde ist nicht begründet.
Gebühren und Auslagen des Vorverfahrens sind nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO unter zwei Voraussetzungen erstattungsfähig:
1. Es muß im Vorverfahren ein Bevollmächtigter oder Beistand zugezogen gewesen sein;
2. die Zuziehung dieses Bevollmächtigten oder Beistands muß durch das Gericht für notwendig erklärt worden sein.
Der Senat tritt der Auffassung des FG bei, daß es im Streitfall bereits an der ersten Voraussetzung fehlt.
Für die Frage, ob ein Bevollmächtigter oder Beistand zugezogen war, kann nur auf den Zeitraum abgestellt werden, in dem das Vorverfahren anhängig war, d. h. auf den Zeitraum von der Einlegung des Einspruchs bis zur Zustellung der Einspruchsentscheidung. Deshalb liegen alle Hinweise des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin auf Umstände aus der Zeit vor Einlegung des Einspruchs und aus der Zeit nach der Zustellung der Einspruchsentscheidung neben der Sache. Aus den von ihm vorgetragenen Umständen aus der Zeit, in der das Vorverfahren anhängig war, läßt sich entgegen seiner Auffassung nicht ableiten, daß er als Bevollmächtigter oder Beistand zugezogen war.
Nach § 240 AO kann sich, wer einen Rechtsbehelf einlegt oder zum Verfahren zugezogen ist, durch Bevollmächtigte vertreten lassen. Diese Vorschrift erweitert für das Rechtsbehelfsverfahren die Regelung in § 107 Abs. 1 AO, nach der die Zuziehung eines Bevollmächtigten nur bei Abwesenheit oder sonstiger Verhinderung zulässig ist. Im übrigen finden aber auch auf den im Rechtsbehelfsverfahren zugezogenen Bevollmächtigten die sonst für Bevollmächtigte geltenden Vorschriften, z. B. § 107 Abs. 2-4, 6 und 7 AO, Anwendung. Anwendung findet auch § 102 Abs. 2 AO, nach dem für die Vertretung und Vollmacht grundsätzlich die Vorschriften des bürgerlichen Rechts gelten. Vertretung im Sinne des BGB ist rechtsgeschäftliches Handeln im Namen des Vertretenen. Willenserklärungen des Vertreters wirken nach § 164 Abs. 1 BGB unmittelbar für und gegen den Vertreter, wobei es keinen Unterschied macht, ob die Erklärung ausdrücklich im Namen des Vertretenen abgegeben wird oder ob die Umstände ergeben, daß sie im Namen des Vertretenen erfolgen soll. Schon daraus erhellt, daß der Bevollmächtigte selbst Erklärungen abgeben muß, allerdings nicht im eigenen Namen, sondern im Namen des Vertretenen. Unterstützt er nur den Vertretenen bei der Abfassung von Erklärungen und gibt der Vertretene diese Erklärungen selbst ab, so ist der Bevollmächtigte nicht als solcher aufgetreten; es liegt keine "Zuziehung" im Sinn des § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO vor. Auch bei der Zuziehung eines Beistands liegt es nicht anders. Nach § 107 Abs. 5 AO kann sich der Steuerpflichtige in jeder Lage des Verfahrens, also auch im Rechtsbehelfsverfahren, eines Beistands bedienen. Der Begriff des Beistands stammt aus dem Prozeßrecht (vgl. § 62 Abs. 1 FGO, § 90 ZPO). Nach den prozeßrechtlichen Vorschriften können sich die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung eines Beistandes bedienen. Was der Beistand vorträgt, gilt als von dem Beteiligten, der sich seiner bedient, vorgetragen, soweit dieser es nicht sofort widerruft oder berichtigt (§ 90 Abs. 2 ZPO). Hieraus geht hervor, daß auch der Beistand selbst Erklärungen abgeben muß. Der Unterschied zum Bevollmächtigten liegt darin, daß er nicht wie dieser seinen Auftraggeber vertritt, sondern neben ihm tätig wird. Auch der Große Senat des BFH hat in dem Beschluß Gr. S. 8/66 vom 18. Juli 1967 (BFH 90, 156, BStBl II 1968, 59) im letzten Absatz ausgeführt, eine Entscheidung nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO setze voraus, "daß der Bevollmächtigte oder Beistand dem FA gegenüber auch wirklich aufgetreten ist".
Fundstellen
Haufe-Index 68717 |
BStBl II 1970, 123 |
BFHE 1970, 338 |