Entscheidungsstichwort (Thema)
Parkhaus eines Warenhauses nicht grundsteuerfrei; Klageänderung
Leitsatz (NV)
Ein Parkhaus, das eine Unternehmerin auf dem Nachbargrundstück ihres Warenhauses betreibt und das von jedermann gegen Entgelt zum Parken benutzt werden kann, ist kein dem öffentlichen Verkehr unmitttelbar dienendes Bauwerk i. S. der Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 3 Buchst. a GrStG.
Übergang von der Anfechtungs- zur Verpflichtungsklage.
Normenkette
GrStG 1973 § 4 Nr. 3 Buchst. a, § 17 Abs. 2 Nr. 2; FGO § 67 Abs. 1-2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Aktiengesellschaft, betreibt in A ein Warenhaus und unterhält auf dem benachbarten Grundstück ein Parkhaus, das von jedermann gegen Entgelt zum Parken benutzt werden kann. Ein Kunde, der das Parkhaus benutzt und im Warenhaus einkauft, bekommt einen Teil der Parkgebühr vergütet. Den Grundsteuermeßbetrag für das Parkhausgrundstück auf den Hauptveranlagungszeitpunkt 1. Januar 1974 hatte das Finanzamt (FA) durch Bescheid vom 13. März 1979 auf 3 921,75 DM festgesetzt. Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 3 Buchst. a GrStG hatte es nicht für gegeben erachtet.
Im Dezember 1981 beantragte die Klägerin unter Hinweis auf § 20 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a GrStG, den Grundsteuermeßbescheid ,,aufzuheben, da für den ganzen Steuergegenstand ein Befreiungsgrund" vorliege. Auch ,,Parkhäuser, die zu einem Warenhaus gehören", dienten dem öffentlichen Verkehr i. S. des § 4 Nr. 3 Buchst. a GrStG.
Das FA lehnte den Antrag auf Weisung der OFD ab unter Hinweis auf Abschn. 18 Abs. 1 der Grundsteuer-Richtlinien 1978 (GrStR). Das Parkhaus der Klägerin diene ,,nicht dem öffentlichen Verkehr, weil ein Entgelt zu entrichten" sei.
Mit ihrer Klage hatte die Klägerin zunächst begehrt, ,,den Grundsteuermeßbescheid vom 13. 3. 1979 ersatzlos aufzuheben". Die Festsetzung des Grundsteuermeßbetrages auf den Hauptveranlagungszeitpunkt 1. Januar 1974 auf 3 921,75 DM durch Bescheid vom 13. März 1979 sei rechtswidrig. In der mündlichen Verhandlung vor dem FG hat sie beantragt, ,,die ablehnende Verfügung des Beklagten vom 13. April 1982 und den Einspruchsbescheid vom 14. Mai 1982 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, für das Grundstück in A mit Wirkung vom 1. Januar 1981 den Grundsteuermeßbetrag auf 388,65 DM herabzusetzen.
Das FG hat die Klage abgewiesen. Es hat die Ansicht vertreten, es könne dahingestellt bleiben, ob sämtliche Merkmale des § 4 Nr. 3 Buchst. a GrStG erfüllt seien. Denn selbst wenn das zu bejahen sein sollte, sei ,,das Parkhausgrundstück nach § 8 Abs. 2 GrStG nicht befreit". Das Parkhaus diene ,,dann sowohl steuerbegünstigen Zwecken im Sinne von § 4 Nr. 3 Buchst. a GrStG als auch anderen, nicht begünstigten Zwecken". Diese anderen Zwecke überwögen: Die Klägerin halte das Parkhaus nicht bereit, ,,um die allgemeine Verkehrssituation zu verbessern, sondern um den Gewinn des Warenhauses zu steigern".
Das FG hat die Revision zugelassen, weil es der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimißt. Sein Urteil ist auszugsweise veröffentlicht in EFG 1987, 319 Nr. 341.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 4 Nr. 3 Buchst. a GrStG. Zudem habe das FG seine Pflicht zur Sachverhaltsermittlung verletzt (§ 76 Abs. 1 FGO). Seine Behauptung, der nicht begünstigte Zweck überwiege eindeutig, sei durch nichts belegt. Das FG hätte feststellen müssen, wie viele Kunden oder Nichtkunden ihre Wagen in dem Parkhaus abstellen. Wenn das FG eine Repräsentativerhebung durchgeführt haben würde, so würde es festgestellt haben, daß die 200 Parkplätze überwiegend von Nichtkunden benutzt werden. Die Klägerin beantragt:
Das Urteil des FG und den ablehnenden Verwaltungsakt des FA aufzuheben und das FA zu verpflichten, für das Parkhausgrundstück mit Wirkung ab 1. Januar 1981 den Grundsteuermeßbetrag auf 388,65 DM herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist zurückzuweisen (§ 126 Abs. 4 FGO).
Im finanzgerichtlichen Verfahren ist die Klägerin von der Anfechtungsklage zur Verpflichtungsklage übergegangen. Die Änderung der Klage war zulässig, denn das FA hatte sich in der mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen (§ 67 Abs. 1 und 2 FGO). Demzufolge ist die Aussage des FG in dem angefochtenen Urteil, das Parkhausgrundstück sei - selbst wenn sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 4 Nr. 3 Buchst. a GrStG vorlägen - ,,nach § 8 Abs. 2 GrStG nicht befreit", so zu verstehen: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Neuveranlagung des Steuermeßbetrages, weil nicht - wie § 17 Abs. 2 Nr. 2 GrStG voraussetze - ,,die letzte Veranlagung fehlerhaft" sei. Diese Entscheidung selbst stellt sich aus anderen Gründen als den vom FG seinem Urteil zugrunde gelegten als richtig dar (§ 126 Abs. 4 FGO).
Eine unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts ergeben die Entscheidungsgründe insofern, als das FG die Ansicht vertreten hat, die letzte vorausgegangene Veranlagung sei nicht fehlerhaft gewesen, weil ,,das Parkhausgrundstück . . . sowohl steuerbegünstigten Zwecken i. S. des § 4 Nr. 3a GrStG als auch anderen . . . Zwecken, nämlich wirtschaftlichen Interessen der Klägerin" diene und diese Zwecke eindeutig überwögen, so daß ,,das Parkhausgrundstück nach § 8 Abs. 2 GrStG nicht befreit" sei. Denn das Parkhausgrundstück dient nicht sowohl steuerbegünstigten Zwecken (§ 4 Nr. 3 Buchst. a GrStG) als auch anderen Zwecken, sondern ausschließlich anderen (nicht begünstigten) Zwecken. Bei dieser Sach- und Rechtslage, für deren Beurteilung der Zeitpunkt der Entscheidung des FG maßgebend ist (§ 101 FGO, Urteil des BFH vom 17. Mai 1977 VII R 101/76, BFHE 122, 376, 380, BStBl II 1977, 706), kann die Ergänzungsvorschrift des § 8 Abs. 2 GrStG ihre GrStG ihre Wirkung nicht entfalten (vgl. auch BFH-Urteil vom 31. Juli 1985 II R 242/82, BFHE 144, 277, 279, BStBl II 1985, 681).
Die Entscheidung selbst stellt sich aber aus folgenden Gründen als richtig dar.
Es war richtig, die Verpflichtungsklage abzuweisen. Denn die Voraussetzungen für eine fehlerbeseitigende Neuveranlagung des Grundsteuermeßbetrags auf den 1. Januar 1981 (§ 17 Abs. 2 Nr. 2 GrStG) lagen aus folgendem Grunde nicht vor: Das Parkhaus der Klägerin war kein dem öffentlichen Verkehr unmittelbar dienendes Bauwerk im Sinne der Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 3 Buchst. a GrStG, weil es nicht durch Widmung und Indienststellung zu einer (rechtlich) öffentlichen Sache geworden war. Es genügt nicht für die Grundsteuerbefreiung, daß der Eigentümer im Rahmen seiner Verfügungsmacht (§ 903 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) das Parkhaus während der Öffnungszeiten von einem unbestimmten Personenkreis zum Parken benutzen und dadurch die Fahrwege und Abstellflächen des Parkhauses zu (tatsächlich) öffentlichen Verkehrsflächen im Sinne des Straßenverkehrsrechts werden läßt. Straßenrecht und Straßenverkehrsrecht sind unterschiedliche Gesetzgebungsmaterien mit unterschiedlichen Zielsetzungen (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 9. Oktober 1984 2 BvL 10/82, BVerfGE 67, 299, 314).
Fundstellen
Haufe-Index 416158 |
BFH/NV 1990, 126 |