Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine außerordentliche Beschwerde wegen Verletzung rechtlichen Gehörs
Leitsatz (NV)
- Mit der außerordentlichen Beschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit kann regelmäßig eine Verletzung rechtlichen Gehörs durch gerichtliche Entscheidung nicht eingewandt werden; dies gilt zumindest dann, wenn der Einwand nicht substantiiert vorgetragen wird.
- Die Mitwirkung eines befangenen Richters kann mit der außerordentlichen Beschwerde nur geltend gemacht werden, wenn er bereits im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung von der Mitwirkung ausgeschlossen war (Anschluss an BFH-Beschluss vom 5. Dezember 1967 VII B 21/66, BFHE 90, 285, BStBl II 1969, 6).
Normenkette
GG Art. 103; FGO §§ 51, 69 Abs. 5
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
1. Zum einen sieht die Finanzgerichtsordnung (FGO) eine Beschwerde gegen Beschlüsse über die Ablehnung von Anträgen auf Aussetzung der Vollziehung nur vor, wenn sie ―anders als im Streitfall― ausdrücklich vom Finanzgericht (FG) zugelassen worden ist. Gegen die Nichtzulassung ist eine Beschwerde nach § 128 Abs. 3 FGO unstatthaft (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 26. Januar 1998 VII B 215/97, BFH/NV 1998, 866, 867; vom 19. Februar 1998 III B 1/98, BFH/NV 1998, 1228, m.w.N.).
2. Zum anderen lässt die Beschwerdebegründung entgegen der Auffassung der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) keine Mängel der angefochtenen Entscheidung erkennen, die die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer "außerordentlichen Beschwerde" erfüllen.
a) Die Zulassung dieses in der FGO selbst nicht vorgesehenen "Ausnahme-Rechtsmittels" hat die Rechtsprechung nur für Sonderfälle "greifbarer Gesetzwidrigkeit" in Erwägung gezogen, d.h. für Fälle, in denen die erstinstanzliche Entscheidung "jeglicher Grundlage" entbehrt und eine "nicht hinnehmbare Gesetzwidrigkeit" zur Folge hat (BFH-Beschluss vom 26. August 1991 IV B 135/90, BFH/NV 1992, 509, 510). Nach anderen Entscheidungen muss die kraft Gesetzes unanfechtbare Entscheidung unter "schwer wiegenden" Verletzungen von Verfahrensvorschriften zustande gekommen sein oder auf einer Gesetzesauslegung beruhen, die "offensichtlich" Wortlaut und Gesetzeszweck widerspricht und eine Gesetzesanwendung zur Folge hat, die durch das Gesetz ersichtlich ausgeschlossen werden sollte (BFH-Beschlüsse vom 22. November 1994 VII B 144/94, BFH/NV 1995, 791, und in BFH/NV 1998, 866).
Diese Voraussetzungen sind eng auszulegen, weil der Ausschluss von Nichtzulassungsbeschwerden gegenüber Beschlüssen der vorliegenden Art auch verfassungsrechtlich unbedenklich ist (s. dazu BFH-Beschluss vom 21. Januar 1998 VII B 255/97, BFH/NV 1998, 818, 819), selbst wenn damit im Einzelfall etwaige Gesetzesverstöße hingenommen werden. Denn Rechtsrichtigkeit und Rechtssicherheit sind als prinzipiell gleichwertige Elemente der Gerechtigkeit zu werten (s. dazu Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 20. April 1982 2 BvL 26/81, BVerfGE 60, 253, 267 ff.). Danach kann eine außerordentliche Beschwerde nur dann Erfolg haben, wenn die in Frage stehende Gerichtsentscheidung auf einem gravierenden, "unerträglichen" und außerdem offenkundigen, d.h. ohne weiteres erkennbaren Rechtsverstoß beruht und dies durch den Rechtsbehelfsführer substantiiert und in sich schlüssig dargetan wird (Senatsbeschluss vom 22. Oktober 1998 X B 163/98, BFH/NV 1999, 504).
b) Diesen Anforderungen an die Zulässigkeit einer außerordentlichen Beschwerde, für die im Übrigen eine Abhilfemöglichkeit durch das FG zu Recht verneint wurde (BFH-Beschluss vom 3. Mai 1984 VII B 84/83, BFHE 141, 116, BStBl II 1984, 562), entspricht der Vortrag der Antragsteller nicht.
aa) Mit ihrem Einwand, das FG habe ihren Aussetzungsantrag zu Unrecht ausschließlich mit der Begründung "daß angeblich innerhalb der gesetzten Frist eine Begründung nicht erfolgt sei", als unzulässig verworfen, machten die Antragsteller eine Verletzung rechtlichen Gehörs geltend, die nach ständiger BFH-Rechtsprechung regelmäßig keine "greifbare Gesetzwidrigkeit" unanfechtbarer Entscheidungen begründet (BFH-Beschlüsse vom 7. Januar 2000 VII B 292/99, BFH/NV 2000, 481; vom 22. November 2000 I B 106/00, BFH/NV 2001, 619). Die Antragsteller haben ihre Auffassung, die ihnen gesetzte Frist sei zu kurz gewesen, nicht substantiiert.
bb) Schließlich führt auch die Mitwirkung des als befangen abgelehnten Richters nicht zur Zulässigkeit der außerordentlichen Beschwerde.
Zwar kommt eine solche Beschwerde wegen schwer wiegender Verletzung von Verfahrensvorschriften im Falle einer offenkundig falschen Besetzung des Gerichts bei der Entscheidung in Betracht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 19. April 1989 II B 177/88, BFH/NV 1990, 576; vom 8. April 1997 IX B 4/97, BFH/NV 1997, 699). Eine solche "falsche Besetzung" liegt aber nur vor, wenn der betroffene Richter im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bereits von der Mitwirkung ausgeschlossen war (vgl. hierzu BFH-Beschluss vom 5. Dezember 1967 VII B 21/66, BFHE 90, 285, BStBl II 1969, 6), nicht aber, wenn wie im Streitfall der Befangenheitsantrag erst nach der gerichtlichen Entscheidung gestellt wurde (BFH-Beschluss vom 7. Dezember 1999 IV B 146/99, BFH/NV 2000, 413).
3. Eine Kostenentscheidung ist mangels gesetzlicher Grundlage im außerordentlichen Beschwerdeverfahren nicht zu treffen (BFH-Beschlüsse vom 27. Dezember 1994 X B 124/93, BFH/NV 1995, 534; vom 15. März 1999 V S 5/99, BFH/NV 1999, 1228).
Fundstellen
Haufe-Index 726100 |
BFH/NV 2002, 926 |