Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Rüge der Verletzung des Rechts auf Gehör
Leitsatz (NV)
Wird eine Revision auf die Nichtgewährung des rechtlichen Gehörs durch das FG gestützt, so muß dargelegt werden, daß der Beteiligte und sein Prozeßbevollmächtigter die prozessualen Möglichkeiten ausgeschöpft haben, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen.
Dazu reicht es nicht aus, daß ein durch einen Prozeßbevollmächtigten vertretener Beteiligter geltend macht, erforderliche Prozeßhandlungen hätten infolge seines schlechten Gesundheitszustandes nicht vorgenommen werden können, es ist vielmehr auch darzulegen, daß der Prozeßbevollmächtigte dazu nicht in der Lage war.
Normenkette
FGO § 118 Abs. 3 Nr. 1, § 119 Nr. 3, § 120 Abs. 2 S. 2
Tatbestand
Gegen den Haftungsbescheid des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) erhob der Kläger und Revisionskläger (Kläger) nach teilweise erfolgreichem Einspruch Klage, die das Finanzgericht (FG) überwiegend abgewiesen hat.
Mit seiner Revision rügt der Kläger Verletzung des rechtlichen Gehörs und führt dazu aus: Die mündliche Verhandlung vor dem FG habe ihn sowohl psychisch als auch physisch überfordert. Dies sei auf mehrere Operationen zurückzuführen, denen er sich wegen der Einsetzung eines Herzschrittmachers habe unterziehen müssen. Er habe der Verhandlung vor dem FG deshalb nicht folgen können. Insbesondere die seiner Ansicht nach unwahre Aussage des Zeugen H habe ihn so schockiert, daß er nicht mehr in der Lage gewesen sei, die Vernehmung der Buchhalterin D als Zeugin zu veranlassen und die Vereidigung des Zeugen H zu beantragen. Seinem Bevollmächtigten sei diese gesundheitliche Behinderung erst nach Abschluß der mündlichen Verhandlung bekanntgeworden. Die Behinderung habe auch dazu geführt, daß er nicht ausreichende Unterlagen beigebracht habe. Für diesen schlechten Gesundheitszustand biete er ein ärztliches Attest an.
Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig. Sie entspricht nicht den Erfordernissen nach § 120 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Nach § 118 Abs. 3 Satz 1 FGO ist nur über die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu entscheiden. Diese Rüge kann aber schon deshalb keinen Erfolg haben, weil der Kläger nicht dargelegt hat, daß er und sein Prozeßbevollmächtigter die prozessualen Möglichkeiten ausgeschöpft haben, um sich rechtliches Gehör in dem von ihm für geboten erachteten Umfang zu verschaffen (vgl. Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 3. Dezember 1979 2 B 16/78, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Finanzgerichtsordnung, § 119 Nr. 3, Rechtsspruch 43; Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 119 Rdnr. 13, m.w.N.).
Zwar hat der Kläger vorgetragen, sein Gesundheitszustand habe sich während der mündlichen Verhandlung vor dem FG aufgrund der prozessualen Entwicklung und insbesondere wegen der für ihn ungünstigen Aussage des Zeugen H verschlechtert. Es fehlt aber an Darlegungen, denen zu entnehmen ist, daß die Verschlechterung des Gesundheitszustandes ursächlich dafür gewesen ist, daß der Kläger sich, wie er vorträgt, in dem nach seiner Auffassung erforderlichen Maß rechtliches Gehör nicht hat verschaffen können. Dazu wären zumindest Ausführungen dahin erforderlich gewesen, daß auch der Prozeßbevollmächtigte des Klägers - infolge des schlechten Gesundheitszustandes des Klägers - nicht in der Lage gewesen ist, die angeblich erforderlichen Prozeßhandlungen vorzunehmen. Sollte der Prozeßbevollmächtigte nicht in der Lage gewesen sein, die Notwendigkeit der Vornahme dieser Handlungen ohne besondere Hinweise des Klägers in der Hauptverhandlung zu erkennen, so hätte auch das dargelegt werden müssen.
Da die Beweiserhebung im Streitfall - ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung - im Beisein des Prozeßbevollmächtigten des Klägers stattgefunden hat, wäre es dessen Aufgabe gewesen, in der mündlichen Verhandlung die notwendigen Prozeßhandlungen vorzunehmen und insbesondere - durch entsprechende Beweisanträge - auf eine weitere Aufklärung des Sachverhalts zu drängen. Eine Verletzung der Aufklärungspflicht kommt grundsätzlich dann nicht in Betracht, wenn eine durch einen Prozeßbevollmächtigten vertretene Partei die von ihr vermißte Beweiserhebung nicht beantragt (vgl. Urteil des Senats vom 25. Oktober 1977 VII R 5/74, BFHE 124, 105, 108, BStBl II 1978, 274).
Mit dem Vorbringen des Klägers, daß sein Gesundheitszustand sich während der mündlichen Verhandlung vor dem FG aufgrund der prozessualen Entwicklung und insbesondere wegen der für ihn ungünstigen Aussage des Zeugen H verschlechtert habe, ist noch nicht dargetan, daß auch der Prozeßbevollmächtigte durch den Prozeßablauf in der Wahrnehmung der Rechte des Klägers beeinträchtigt worden ist und daß beide - Kläger und Prozeßbevollmächtigter - nicht mehr zu einer ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Rechte unter Ausschöpfung der zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs bestehenden prozessualen Möglichkeiten in der Lage gewesen sind (vgl. auch Urteil des BVerwG vom 9. Juli 1980 8 C 72/79, StRK, Finanzgerichtsordnung, § 119 NR. 3, Rechtsspruch 46).
Fundstellen
Haufe-Index 415660 |
BFH/NV 1988, 792 |