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BFH Beschluss vom 08.08.1995 - VII R 25/94 (NV)

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuererklärungspflicht des Konkursverwalters bei Massearmut

 

Leitsatz (NV)

1. Beruht die Änderung oder Zurücknahme eines Verwaltungsakts (hier: Aufhebung der Anordnung zur Abgabe von Steuererklärungen und der Androhung von Zwangsgeldern gegenüber dem Konkursverwalter) auf Gründen, die nicht in der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts liegen, sondern auf einer zwischenzeitlich eingetretenen Änderung des Sachverhalts (hier: Einstellung des Konkursverfahrens), so ist die Kostenentscheidung des in der Hauptsache erledigten Verfahrens nicht nach § 138 Abs. 2 FGO, sondern nach § 138 Abs. 1 FGO zu treffen.

2. Die vom Konkursverwalter behauptete Massearmut steht der Anordnung zur Abgabe der Steuererklärungen für den Gemeinschuldner und ihrer zwangsweisen Durchsetzung gegenüber dem Konkursverwalter grundsätzlich nicht entgegen.

 

Normenkette

FGO § 138 Abs. 1-2; KO §§ 6, 204; AO 1977 § 34 Abs. 1, 3, § 328 ff.

 

Gründe

Da der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, ist nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden (§ 138 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

Obwohl die Erledigung dadurch eingetreten ist, daß dem Antrag des Klägers auf Aufhebung der angefochtenen Verfügungen über die Abgabe der Steuererklärungen und die Androhung von Zwangsgeldern entsprochen worden ist, sind -- entgegen der Auffassung des Klägers -- die Kosten nicht nach § 138 Abs. 2 FGO dem FA aufzuerlegen. Die Kostenfolge ist vielmehr der Grundregel des § 138 Abs. 1 FGO zu entnehmen, wonach über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden ist; d. h., daß der mutmaßliche Ausgang des Verfahrens mitzuberücksichtigen ist, wenn keine Erledigung der Hauptsache eingetreten wäre. Denn § 138 Abs. 2 FGO enthält nur eine Konkretisierung dieser Grundregelung, indem die Vorschrift unterstellt, daß bei Zurücknahme oder Änderung eines Verwaltungsakts die erlassende Behörde im gerichtlichen Verfahren voraussichtlich unterlegen wäre. Beruht aber -- wie im Streitfall -- die Änderung oder Zurücknahme auf Gründen, die nicht in der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts liegen, sondern auf einer zwischenzeitlich eingetretenen Änderung des Sachverhalts, so ist unter Berücksichtigung des Sinnes und Zweckes der Kostenvorschriften, daß der Unterlegene des Verfahrens die Kosten zu tragen hat, die Kostenentscheidung nach § 138 Abs. 1 FGO zu treffen (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 29. Juli 1976 VIII B 6/75, BFHE 120, 9, BStBl II 1977, 119; vom 9. Juni 1988 VII R 129/87, BFH/NV 1990, 122; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 138 Rdnr. 32, 33; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., § 138 FGO Tz. 61).

Im Streitfall beruht die Aufhebung der angefochtenen Verwaltungsakte durch das FA, die zu der Erledigung des Verfahrens geführt hat, darauf, daß inzwischen das Konkursverfahren über das Vermögen der GmbH mangels Masse (§ 204 KO) ein gestellt worden ist. Der Gemeinschuldner -- hier: die GmbH -- erhält damit das Recht zurück, über die Konkursmasse frei zu verfügen (§ 206 Abs. 1 KO). Das Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Konkursverwalters über das zur Konkursmasse gehörige Vermögen (§ 6 KO) und damit die Verpflichtung des Konkursverwalters zur Erfüllung der steuerlichen Pflichten des Gemeinschuldners (§ 34 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 der Abgabenordnung -- AO 1977 --) sind somit erloschen. Das FA kann deshalb seit der Einstellung des Konkursverfahrens von dem Kläger als Konkursverwalter die Abgabe der Steuererklärungen der GmbH nicht mehr verlangen. Die angefochtenen Anordnungsverfügungen und die Zwangsgeldandrohungsverfügungen waren deshalb aufzuheben.

Daraus folgt aber nicht, daß die Anordnung zur Abgabe der Steuererklärungen der GmbH und die Androhung von Zwangsgeld gegenüber dem Kläger von Anfang an rechtswidrig gewesen wären. Die Aufhebung der angefochtenen Verfügungen durch das FA war allein durch die erst im Revisionsverfahren erfolgte Veränderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse -- Einstellung des Konkursverfahrens, Wegfall der steuerlichen Verpflichtungen für den Konkursverwalter -- veranlaßt. Die Kostenentscheidung für den in der Hauptsache erledigten Rechtsstreit ist damit nach § 138 Abs. 1 FGO nach dem mutmaßlichen Ausgang des gerichtlichen Verfahrens in dem Fall, daß das Konkursverfahren nicht eingestellt worden wäre, zu treffen. Danach ist es gerechtfertigt, dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Ohne die Einstellung des Konkursverfahrens und die Erledigung des Rechtsstreits wäre die Revision des Klägers voraussichtlich als unbegründet zurückgewiesen worden. Zur Begründung verweist der Senat auf seinen in dieser Sache ergangenen Gerichtsbescheid sowie auf sein Urteil vom 23. August 1994 VII R 143/92 (BFHE 175, 309, BStBl II 1995, 194). Nach den genannten Entscheidungen kann der Konkursverwalter, der zur Abgabe von Steuererklärungen für den Gemeinschuldner verpflichtet ist -- das gilt, wie in dem Gerichtsbescheid ausgeführt, auch für die hier angeforderte Erklärung zur Feststellung des gemeinen Werts der Anteile an der GmbH --, diese nicht mit der Begründung ablehnen, die Kosten für die Erstellung der Steuererklärung durch einen Steuerberater könnten aus der Konkursmasse nicht beglichen werden. Die vom Kläger vorgetragene Massearmut stand somit der Anordnung zur Abgabe der vom FA angeforderten Steuererklärungen für die GmbH und ihrer zwangsweisen Durchsetzung gegenüber dem Konkursverwalter nicht entgegen.

Die Einwendungen, die der Kläger zur Begründung seines Antrags auf mündliche Verhandlung gegen die im Gerichtsbescheid zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung des Senats erhoben hat, greifen nicht durch. Die in dem Gerichtsbescheid (ebenso Urteil in BFHE 175, 309, 317, BStBl II 1995, 194) angedeutete Möglichkeit, nach der die Erfüllung der Steuererklärungspflicht vom Konkursverwalter doch nicht mehr verlangt werden könnte, bezieht sich auf die besondere Sachlage, daß umfangreiche Vorarbeiten (etwa Buchführung, Gewinnermittlung) zur Erstellung der Steuererklärungen erforderlich sind, zu denen der Konkursverwalter selbst nicht in der Lage ist, ein von ihm beauftragter Steuerberater im Hinblick auf die bekanntgegebene Masseunzulänglichkeit es aber ablehnt, für die Konkursmasse tätig zu werden. Für das Bestehen einer derartigen Ausnahmesituation, in der die Androhung und Festsetzung von Zwangsmitteln wegen der Nichtabgabe der Steuererklärungen ermessensfehlerhaft sein könnte, lagen aber im Streitfall -- wie der Senat ausgeführt und der Kläger mit seinem Antrag auf mündliche Verhandlung nicht bestritten hat -- keine Anhaltspunkte vor. Ferner waren keine Gründe dafür ersichtlich, warum der Kläger als Rechtsanwalt und Konkursverwalter nicht auch selbst, d. h. ohne die Einschaltung eines Steuerberaters, zu der Erstellung der vom FA angeforderten Steuererklärungen der GmbH, die nicht mit ersichtlichen Schwierigkeiten verbunden war, in der Lage gewesen sein sollte.

Dem Kläger waren demnach unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, da seine Revision ohne die eingetretene Verfahrenserledigung voraussichtlich ohne Erfolg geblieben wäre.

 

Fundstellen

Haufe-Index 420896

BFH/NV 1996, 13

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    Finanzgerichtsordnung / § 138 [Kostenentscheidung bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache]
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