Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe; Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; Zustellung des Urteils
Leitsatz (NV)
- PKH kann auch für ein Rechtsmittel beantragt werden, das noch nicht eingelegt worden ist.
- Dem Beschwerdeführer ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Frist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde zwar versäumt, einen Antrag auf PKH jedoch innerhalb der Rechtsmittelfrist stellt und zugleich die Erklärung i.S. des § 117 Abs. 2 bis 4 ZPO vorlegt (Bestätigung der BFH-Rechtsprechung).
- Den Beteiligten muss nicht das handschriftlich unterzeichnete Original des Urteils zugestellt werden.
Normenkette
FGO § 53 Abs. 2, §§ 56, 105 Abs. 1, § 104 Abs. 1 S. 2; VwZG § 2 Abs. 1; ZPO §§ 114, 117 Abs. 2-4
Tatbestand
Das beklagte Finanzamt (FA) im Klageverfahren wegen Einkommensteuer 1986 änderte den an die Kläger und Antragsteller (Kläger) gerichteten Einkommensteuerbescheid 1986 durch Änderungsbescheid vom 30. September 1994. Gegen den Änderungsbescheid wurde kein Einspruch eingelegt.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) betreffend Vollstreckung des Änderungsbescheids, trug der Kläger erstmals vor, der Zugang des geänderten Einkommensteuerbescheids 1986 sei nicht nachgewiesen.
Die Kläger erhoben Klage mit dem Antrag, den Änderungsbescheid vom 30. September 1994 für das Jahr 1986 mit Rücksicht auf die mangelnde Zustellung aufzuheben.
Das FG wies die Klage ab. Der Änderungsbescheid betr. 1986 sei nicht nichtig. Er sei den Klägern ordnungsgemäß bekannt gegeben
und bestandskräftig geworden. Das ergebe sich u.a. aus der Tatsache, dass eineinhalb Monate nach der Absendung ein Aufteilungsantrag gestellt worden sei.
Das Urteil des FG wurde den Klägern am 16. Februar 2000 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 16. März 2000 (eingegangen am 16. März 2000) stellen die Kläger den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH). Zur Begründung verweisen sie auf den Entwurf einer Revision mit Revisionsbegründung gemäß § 116 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gegen das Urteil des FG vom 27. Oktober 1999.
Die nur vom Kläger unterzeichnete Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse haben die Kläger mit Schriftsatz vom 12. April 2000 vorgelegt.
Das FA beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Der Antrag auf Bewilligung von PKH für die Revision gegen das Urteil des FG ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 142 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung ―ZPO―).
Die Kläger haben innerhalb der Frist des § 120 Abs. 1 FGO keine Revision eingelegt, sondern ihrem Antrag nur einen Entwurf der Revisionsschrift beigefügt. PKH kann jedoch auch für eine beabsichtigte Rechtsverfolgung beantragt werden (§ 114 ZPO).
Da das finanzgerichtliche Urteil am 16. Februar 2000 zugestellt worden ist, wäre aber eine zukünftig eingelegte Revision verspätet (§ 120 Abs. 1 FGO). Die Rechtsverfolgung der Kläger hat daher nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn damit zu rechnen ist, dass ihnen für die Fristversäumnis Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird (§ 56 FGO). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) hätten die Kläger Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn ihr PKH-Gesuch bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist ―hier also bis zum 16. März 2000― zusammen mit der Erklärung i.S. des § 117 Abs. 2 bis 4 ZPO vorläge (BFH-Beschlüsse vom 19. November 1985 VII B 103/85, BFH/NV 1986, 180, zu 3.; vom 10. November 1994 VII S 23/94, BFH/NV 1995, 542). Die durch einen Rechtsanwalt vertretenen Kläger haben die Erklärung gemäß § 117 Abs. 2 und 3 ZPO jedoch erst mit Schreiben vom 12. April 2000 (Eingang 13. April 2000) vorgelegt. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wäre damit grundsätzlich ausgeschlossen, die Revision mithin unzulässig.
Abgesehen davon ist in dem Entwurf der Revisionsschrift ein Verfahrensfehler i.S. des § 116 FGO nicht schlüssig dargelegt. Die Kläger rügen Verletzung des § 104 Abs. 1 und 2, des § 105 Abs. 1 und des § 94 FGO i.V.m. §§ 159 ff. ZPO. Ein Verstoß der von den Klägern gerügten Art gegen diese Vorschriften gehört aber nicht zu den in § 116 FGO genannten Verfahrensfehlern. Darüber hinaus ist eine Verletzung des § 104 Abs. 1 oder des § 105 Abs. 4 FGO nicht dargetan. Innerhalb von 2 Wochen ist der Geschäftstelle des Gerichts das Urteil gemäß § 105 Abs. 4 Satz 2 FGO übergeben worden. Es ist nicht dargetan, dass die Urteilsgründe erst so spät abgefasst wurden, dass von einer fehlenden Begründung i.S. des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO auszugehen ist (vgl. dazu Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 27. April 1993 GmS-OGB 1/92, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1993, 674).
Den Beteiligten muss nicht das handschriftlich unterzeichnete Original des Urteils zugestellt werden (§§ 105 Abs. 1, 104 Abs. 1 Satz 2, 53 Abs. 2 FGO, § 2 Abs. 1 des Verwaltungszustellungsgesetzes).
Laut Postzustellungsurkunde vom 16. Februar 2000 wurde den Prozessbevollmächtigten der Kläger das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 27. Oktober 1999 mit dem Urteil zugestellt.
Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen (BFH-Beschluss vom 26. Februar 1985 VIII S 17/84, BFH/NV 1985, 98, 99).
Fundstellen
Haufe-Index 509997 |
BFH/NV 2001, 62 |