Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine grundsätzliche Bedeutung bei Ermessensentscheidung (hier: Erlass)
Leitsatz (NV)
Die Frage, ob ein Erlass aus persönlichen Billigkeitsgründen auch dann in Betracht kommt, wenn die Steuern bereits entrichtet sind, hat keine grundsätzliche Bedeutung, weil die Ermessensentscheidung über den Erlass von Steuerschulden immer von der Würdigung der Umstände des Einzelfalles abhängt.
Normenkette
AO 1977 § 227; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, § 116 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
Niedersächsisches FG (Urteil vom 11.01.2006; Aktenzeichen 7 K 595/04) |
Gründe
Die Beschwerde des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) gegen die Nichtzulassung der Revision ist unzulässig, denn sie entspricht nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Kläger hat in seiner Beschwerdebegründung den geltend gemachten Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO nicht schlüssig dargelegt.
1. a) Macht der Beschwerdeführer die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend, so muss er substantiiert darauf eingehen, weshalb die Beantwortung der von ihm aufgeworfenen Rechtsfragen aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Zur schlüssigen Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfragen muss der Beschwerdeführer begründen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Fragen zweifelhaft und streitig sind. Dazu gehört auch, dass sich der Beschwerdeführer mit den zu der von ihm für klärungsbedürftig gehaltenen Rechtsfragen bereits vorhandenen höchstrichterlichen Rechtsprechung auseinander setzt und substantiiert darlegt, weshalb nach seiner Ansicht diese Rechtsprechung bislang keine Klärung herbeigeführt habe (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 32 und 33, m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH--).
b) Diesen Erfordernissen genügt die Beschwerdebegründung des Klägers nicht. Der Kläger hat die Klärungsbedürftigkeit der von ihm als grundsätzlich bedeutsam formulierten Frage, ob der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) auch das Vorliegen persönlicher Billigkeitsgründe prüfen muss, wenn ein Steuerpflichtiger die Erstattung bereits gezahlter Steuern beantragt, nicht hinlänglich dargelegt. Hierzu wäre es namentlich --woran es fehlt-- geboten gewesen, sich mit der im Streitfall einschlägigen umfangreichen höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Billigkeitserlass gemäß § 227 der Abgabenordnung (AO 1977) auseinander zu setzen und schlüssig aufzuzeigen, wieso trotz dieser Rechtsprechung ein weiterer (im allgemeinen Interesse liegender) Klärungsbedarf bestehe (vgl. z.B. dazu Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 32, m.w.N.).
Im Übrigen ist durch die Rechtsprechung geklärt, dass ein Erlass aus persönlichen Billigkeitsgründen --neben der Erlassbedürftigkeit und Erlasswürdigkeit des Antragstellers-- voraussetzt, dass der Erlass der Steuer dem Steuerpflichtigen und nicht einem Dritten (Gläubiger des Steuerpflichtigen) zugute kommt (vgl. BFH-Urteil vom 11. Mai 1965 I 390/61, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1965, 483; BFH-Beschluss vom 26. Oktober 1999 V B 130/99, BFH/NV 2000, 411). Zudem hängt die Ermessensentscheidung über den Erlass von Steuerschulden (§ 227 AO 1977) von der Würdigung der Umstände des Einzelfalles ab (vgl. BFH-Beschluss vom 9. Dezember 1997 V B 71/97, BFH/NV 1998, 877) und betrifft daher nur das individuelle Interesse des Klägers an einer richtigen Entscheidung, nicht aber das für die Revisionszulassung maßgebende Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts. Eine Revisionszulassung könnte deshalb nur die richtige Rechtsanwendung im Streitfall klären. Dies ist mit einer Nichtzulassungsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht erreichbar (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1998, 877).
2. Im Kern erschöpft sich die Beschwerdebegründung --nach Art einer Revisionsbegründung-- in Ausführungen darüber, dass und warum das FG den Streitfall unrichtig entschieden habe. Fehler bei der Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts im konkreten Einzelfall rechtfertigen jedoch für sich gesehen grundsätzlich nicht die Zulassung der Revision (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 24, m.w.N.).
Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn der Beschwerdeführer --woran es im Streitfall mangelt-- schlüssig und substantiiert darlegt, dass die Vorentscheidung an einem besonders schwerwiegenden materiell-rechtlichen Fehler leide, der nach den Vorstellungen des Gesetzgebers (vgl. Begründung zum Entwurf des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2000, BTDrucks 14/4061, S. 9) und der Rechtsprechung des BFH (vgl. z.B. Beschluss vom 13. Oktober 2003 IV B 85/02, BFHE 203, 404, BStBl II 2004, 25, m.w.N.) zur Zulassung der Revision führen könnte.
3. Die weitere Begründung des Klägers im Schriftsatz vom 13. Juni 2006 ist verspätet, weil sie nicht innerhalb der --am 3. Mai 2006 abgelaufenen-- Beschwerdebegründungsfrist eingegangen ist. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde insbesondere hinsichtlich der Anforderungen an ihre Begründung grundsätzlich nur nach den innerhalb der Begründungsfrist vorgebrachten Ausführungen zu beurteilen; spätere Darlegungen sind --abgesehen von bloßen Erläuterungen und Ergänzungen des fristgemäßen Vorbringens-- nicht zu berücksichtigen (Senatsentscheidung vom 30. Januar 2006 X B 116/05, BFH/NV 2006, 969).
Fundstellen