Entscheidungsstichwort (Thema)
§ 21 Abs. 2 BerlinFG erfordert ausschließliche Geschäftsführung in Berlin (West)
Leitsatz (NV)
1. Es entspricht dem BFH-Urteil vom 28. Februar 1990 I R 120/86, BFHE 160, 96, BStBl II 1990, 553, daß der Begriff ausschließlich i.S. des § 21 Abs. 2 BerlinFG eng auszulegen ist. Er verlangt, daß es außerhalb von Berlin (West) keinen Ort gibt, von dem aus an der Geschäftsleitung mitgewirkt wird.
2. Die unter Nr. 1 genannte Rechtsfrage bedarf keiner weiteren Klärung durch den BFH.
3. Zu den Anforderungen an die Begründung einer Divergenzrevision.
Normenkette
AO 1977 § 10; BerlinFG § 21 Abs. 2; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2
Verfahrensgang
Tatbestand
Das FA hatte der Klägerin, einer GmbH, Berlinvergünstigungen versagt, weil sich ihre Geschäftsleitung nicht ausschließlich in Berlin (West) befand. Das FG Berlin bestätigte diese Auffassung unter Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung. Die Klägerin legte Nichtzulassungsbeschwerde ein.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist teilweise unzulässig und im übrigen unbegründet. Sie war deshalb insgesamt als unbegründet zurückzuweisen.
1. Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache
Die Rechtsfrage, auf die die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) die Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde stützt, hat keine grundsätzliche Bedeutung.
a) Als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung bezeichnet die Klägerin die, ob der Begriff der Geschäftsleitung i.S. des § 21 Abs. 2 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) im Sinne der Legaldefinition des § 10 der Abgabenordnung (AO 1977) auszulegen ist. Diese Frage ist jedoch eindeutig zu bejahen. Sie wurde auch vom Finanzgericht (FG) in der Vorentscheidung bejaht. Schon deshalb kann es in einem gedachten Revisionsverfahren zu einer weitergehenden Klärung der Rechtsfrage nicht kommen.
b) Die Klägerin hat in ihrer Beschwerdebegründung übersehen, daß nach § 21 Abs. 2 BerlinFG eine Körperschaft nicht nur ihre Geschäftsleitung in Berlin (West) haben muß. Die Geschäftsleitung muß sich dort ausschließlich befinden. Deshalb kommt es für die Entscheidung über den Rechtsstreit auf die Frage an, was unter dem Begriff ausschließlich i.S. des § 21 Abs. 2 BerlinFG zu verstehen ist. Für die Antwort auf diese Rechtsfrage ergibt sich aus § 10 AO 1977 nichts, weil der Begriff ausschließlich in der Vorschrift nicht verwendet wird. Es handelt sich um ein Merkmal, das lediglich auf Grund des § 21 Abs. 2 BerlinFG zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 10 AO 1977 hinzutreten muß. Dies ist eindeutig und bedarf keiner besonderen Klärung durch ein Revisionsverfahren.
c) Das FG legt den Begriff ausschließlich i.S. des § 21 Abs. 2 BerlinFG in ständiger Rechtsprechung eng aus. Es verlangt, daß es in den einschlägigen Fällen außerhalb von Berlin (West) keinen Ort gibt, von dem aus an der Geschäftsleitung mitgewirkt wird (vgl. FG Berlin, Urteile vom 28. März 1988 VIII 356/86, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1988, 547; vom 16. Januar 1989 VIII 539/87; vom 20. Januar 1989 VIII 510/88; vom 20. Februar 1989 VIII 215/88; vom 5. Juni 1989 VIII 40/88; vom 26. Juni 1989 VIII 239/88, und vom 9. Oktober 1989 VIII 410/88). Diese Auslegung ist grundsätzlich möglich. Der erkennende Senat ist ihr in seinem Urtei vom 28. Februar 1990 I R 120/86 (BFHE 160, 96, BStBl II 1990, 553 - wenn auch bezogen auf das in § 21 Abs. 2 BerlinFG ebenfalls genannte Merkmal des Sitzes -) gefolgt. Dazu läßt die Formulierung unter II.2 1. Absatz in BFHE 160, 96, BStBl II 1990, 553 erkennen, daß das Wort ausschließlich im Bezug auf die Geschäftsleitung nicht anders als im Bezug auf den Sitz ausgelegt werden kann. Folglich hat auf der Grundlage der genannten Entscheidung eine GmbH auch ihre Geschäftsleitung nicht ausschließlich in Berlin, wenn maßgebliche Geschäftsführungsaufgaben nicht nur vorübergehend von einem Ort außerhalb Berlins ausgeführt werden. Damit ist die Rechtsfrage, deren Beantwortung für die Entscheidung über den Rechtsstreit in erster Linie von Bedeutung ist, höchstrichterlich geklärt. Wann im Einzelfall maßgebliche Geschäftsführungsaufgaben nicht nur vorübergehend von außerhalb Berlins ausgeführt werden, ist eine überwiegend auf tatsächlichem Gebiet liegende Frage, die in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung hat. Etwas anderes wird auch von der Klägerin in der Beschwerdebegründung nicht behauptet.
2. Divergenz
Insoweit ist die Beschwerde unzulässig, weil die von der Klägerin behauptete Divergenz entgegen § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der Beschwerdebegründung nicht ausreichend dargelegt ist.
a) Eine Abweichung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO setzt voraus, daß das FG in der Vorentscheidung zu einer Rechtsfrage eine andere Rechtsauffassung als der Bundesfinanzhof (BFH) in der Entscheidung vertreten hat, zu der eine Divergenz behauptet wird (vgl. BFH-Beschluß vom 20. Februar 1980 II B 26/79, BFHE 129, 313, BStBl II 1980, 211). Da nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO die Divergenz in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde bezeichnet werden muß, muß sich aus ihr der Rechtssatz ergeben, der das erstinstanzliche Urteil trägt. Diesem ist der abweichende Rechtssatz aus der näher zu bezeichnenden Rechtsprechung des BFH gegenüberzustellen (vgl. Herrmann, Die Zulassung der Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde im Steuerprozeß, Freiburg 1986, S. 81). Daran fehlt es im Streitfall.
b) Die Klägerin hat zwar eine Abweichung der Vorentscheidung gegenüber dem BFH-Urteil vom 3. August 1977 I R 128/75 (BFHE 123, 188, BStBl II 1977, 857) behauptet. Sie hat jedoch keinen Rechtssatz wiedergegeben, den der BFH (a.a.O.) aufgestellt hat. Das Urteil ist nicht zu § 21 Abs. 2 BerlinFG ergangen. Es befaßt sich auch nicht mit dem Begriff ausschließlich i.S. des § 21 Abs. 2 BerlinFG. Entsprechendes gilt für das in der Beschwerdebegründung ebenfalls erwähnte BFH-Urteil vom 5. November 1982 VI R 227/78 (BFHE 137, 137, BStBl II 1983, 125). Auch dieses Urteil betrifft nicht die Tatbestandsvoraussetzungen des § 21 Abs. 2 BerlinFG.
3. Sonstiges
Zwar wirft die Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung dem FG vor, es habe den Sachverhalt nicht in der erforderlichen Weise festgestellt und sich statt dessen auf Vermutungen und Unterstellungen gestützt. Die Klägerin hat dieses Vorbringen jedoch keinem Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO zugeordnet. Sie hat insbesondere nicht dargelegt, weshalb und welche weitere Sachaufklärung sich dem FG auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung im übrigen hätte aufdrängen müssen.
In der Sache greift die von der Klägerin erhobene Rüge nicht durch. Die Klägerin führt unter II. ihrer Beschwerdebegründung selbst aus, daß sämtliche geschäftsführenden Entscheidungen i.S. des § 10 AO 1977 von dem faktischen Geschäftsführer X ausgeführt wurden. Wenn sich der Geschäftsführer im Streitjahr 1988 aber nur an 39 Tagen in Berlin (West) aufhielt, so spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, daß X viele Geschäftsführertätigkeiten von außerhalb Berlins erledigte. Bei dieser Sachlage wäre es die Aufgabe der Klägerin gewesen, in dem vor dem FG geführten Klageverfahren nicht nur das Gegenteil zu behaupten, sondern auch Beweise für die Richtigkeit des eigenen Vorbringens anzubieten.
Fundstellen
Haufe-Index 419449 |
BFH/NV 1994, 363 |