Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage der Originalvollmacht des Bevollmächtigten
Leitsatz (NV)
1. Die auf den Prozeßbevollmächtigten lautende Vollmacht ist dem FG im Original, nicht nur in Ablichtung vorzulegen. Diese Frage hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) mehr.
2. Daß sich eine Originalvollmacht bei den Steuerakten, also nicht den Gerichtsakten, befindet, reicht nicht aus.
Normenkette
FGO § 62 Abs. 3
Tatbestand
Die Beschwerde richtet sich gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des FG, mit dem die auf Aufhebung eines Umsatzsteuerhaftungsbescheids gerichtete Klage als unzulässig abgewiesen wurde.
Da die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin mit der beim FG am 11. Juli 1985 eingereichten Klage nur eine Ablichtung der Prozeßvollmacht vorgelegt hatten und eine Originalvollmacht innerhalb der von der Geschäftsstelle zum 1. August 1985 gesetzten Frist nicht eingereicht wurde, setzte der Berichterstatter am 8. August 1985 für die Nachreichung der Originalvollmacht eine Ausschlußfrist bis zum 2. September 1985 (Art. 3 § 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit). Diese Ausschlußfrist wurde nicht eingehalten.Mit Schriftsatz vom 13. September 1985, eingegangen beim FG am 16. September 1985, legten die Prozeßbevollmächtigten eine Originalvollmacht der Klägerin vor und beantragten - sinngemäß - wegen Versäumung der Ausschlußfrist zum 2. September 1985 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Sie begründeten das Wiedereinsetzungsbegehren damit, die in der Kanzlei beschäftigte, erfahrene und als zuverlässig bekannte Sekretärin habe die Originalvollmacht von der Klägerin schriftlich angefordert
gehabt, sie aber - nach mehrfachen Fehlversuchen - erst am 2. September 1985 erhalten. Daraufhin habe die Sekretärin - nach einer vom FG telefonisch erhaltenen Auskunft, es sei für die Nachreichung der Originalvollmacht zu spät - die Originalvollmacht in der Kanzlei zu den Akten gegeben, wo der Vorgang erst nach Rückkehr des mit der Sache befaßten Rechtsanwalts aus dem Urlaub bemerkt worden sei. Es liege eine Verkettung unglücklicher Umstände vor.
Das FG hat die Abweisung der Klage als unzulässig damit begründet, daß die zum 2. September 1985 gesetzte Ausschlußfrist verstrichen und dem Wiedereinsetzungsbegehren nicht stattgegeben werden könne. Die Nichteinreichung der Originalvollmacht innerhalb der Ausschlußfrist (2. September 1985) beruhe nicht auf einem entschuldbaren Büroversehen (der Sekretärin), sondern auf einem von den Prozeßbevollmächtigten zu vertretenden Organisationsmangel (der Kanzlei), den sich die Klägerin zurechnen lassen müsse (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO).
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde wird geltend gemacht, die Entscheidung des FG habe zum einen grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), weil die Frage, ob dem FG die Vollmacht im Original oder in Ablichtung vorzulegen sei, zweifelhaft und höchstrichterlich noch nicht entschieden sei. Das finanzgerichtliche Urteil beruhe zum anderen auf einem entscheidungserheblichen Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), weil sich eine Originalvollmacht der Klägerin in den dem FG vorliegenden Steuerakten befunden habe und das Gericht daher in der Lage gewesen wäre, auf diese zurückzugreifen, ohne seinerseits auf Vorlage einer Originalvollmacht zu den Gerichtsakten zu bestehen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Die Frage, ob die Vollmacht beim FG im Original vorzulegen ist, oder ob die Einreichung einer Ablichtung genügt, hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, weil sie bereits höchstrichterlich entschieden ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den Bundesfinanzhof (BFH) erforderlich machen (vgl. Klein/Ruban, Der Zugang zum Bundesfinanzhof, Rdnr. 50). Der BFH hat hierzu bereits mehrfach den Standpunkt eingenommen, daß die Prozeßvollmacht dem Gericht im Original vorzulegen ist, die Einreichung einer Ablichtung also nicht genügt (vgl. Urteil vom 18. Februar 1987 II R 213/84, BFHE 149, 19, BStBl II 1987 392 unter Ziff. 2, mit Hinweisen auf die bisherige Rechtsprechung des BFH).
2. Der von der Klägerin geltend gemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor. Das FG ist nicht gehalten, eine in den Steuerakten der Klägerin befindliche Originalvollmacht selbst ausfindig zu machen. Erforderlich ist vielmehr der Nachweis der Bevollmächtigung durch Vorlage der Originalvollmacht bei Gericht (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., Tz. 54 zu § 62, mit Hinweisen; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., Tz. 9 zu § 62 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 415601 |
BFH/NV 1988, 648 |