Entscheidungsstichwort (Thema)
Richterablehnung wegen Fristsetzung zur Vorlage der Gewinnermittlung
Leitsatz (NV)
Die richterliche Aufforderung an den Kläger, innerhalb einer nicht zu kurz bemessenen Frist zum Nachweis der Angaben in der Steuererklärung die Gewinnermittlung vorzulegen, rechtfertigt nicht die Besorgnis der Befangenheit des Richters.
Normenkette
FGO § 51 Abs. 1 S. 1; ZPO § 42 Abs. 2
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ―eine GmbH, deren alleiniger Geschäftsführer der Steuerberater A ist― erhob am 10. Juli 1998 beim Finanzgericht (FG) gegen den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt ―FA―) Klage wegen der auf einer Schätzung beruhenden Festsetzung des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrags 1995. Der in dem Rechtsstreit zum Berichterstatter bestellte Richter am FG B forderte die Klägerin am 12. Oktober 1998 auf, innerhalb einer Frist von einem Monat den Gegenstand ihres Klagebegehrens zu bezeichnen und die Tatsachen anzugeben, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren sie sich als beschwert ansehe. Am letzten Tag der Frist legte die Klägerin dem FG die Gewerbesteuererklärung für 1995 vor und teilte mit, die Tatsachen für ihre Beschwer ergäben sich aus der Erklärung. B übersandte die Erklärung dem FA am 19. November 1998 zur Stellungnahme. Das FA teilte dem FG daraufhin am 30. November 1998 mit, da die Klägerin der Steuererklärung keine Gewinnermittlung beigefügt habe, sei das FA nicht bereit, den angefochtenen Bescheid entsprechend den Angaben in der Erklärung zu ändern. Mit Schreiben vom 3. Dezember 1998 bat B deshalb die Klägerin, bis zum 15. Januar 1999 noch die Gewinnermittlung einzureichen, damit der Rechtsstreit abgeschlossen werden könne.
Da die Klägerin der Bitte nicht nachkam, setzte B ihr am 21. Januar 1999 eine Frist gemäß § 79b Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) von einem Monat zur Vorlage des Jahresabschlusses. Das war für die Klägerin Anlass, B wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Zur Begründung trug sie im Wesentlichen und sinngemäß vor, B verstehe sich offenbar als verlängerter Arm des FA, das deutlich erkennbar nach jeder erfüllten Beleganforderung die Vorlage weiterer Unterlagen verlange, um die Erledigung der entscheidungsreifen Sache weiter zu verzögern.
B nahm zum Ablehnungsantrag sinngemäß wie folgt dienstlich Stellung: Er fühle sich gegenüber der Klägerin und A nicht befangen. Die Fristsetzung vom 21. Januar 1999 sei ihm als der einzige Weg erschienen, das Verfahren weiter zu fördern. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei die Sache noch nicht entscheidungsreif, da sich ohne Vorlage der Gewinnermittlung der erklärte Verlust von 832 DM nicht überprüfen lasse.
Das FG sah den Ablehnungsantrag als unbegründet an und lehnte ihn ―ohne Mitwirkung des B― durch Beschluss vom 22. April 1999 ab.
Mit Schriftsatz des A vom 10. Mai 1999 hat die Klägerin Beschwerde eingelegt. Sie beantragt, den Beschluss vom 22. April 1999 zu ändern und das Ablehnungsgesuch für begründet zu erklären.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die von der Klägerin vorgebrachten Ablehnungsgründe sind nicht geeignet, der Unparteilichkeit des B zu misstrauen.
1. Gemäß § 42 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung ―ZPO― i.V.m. § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO findet die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Dies ist der Fall, wenn ein Verfahrensbeteiligter bei Würdigung aller Umstände einen vernünftigen und auch bei objektiver Betrachtungsweise anzuerkennenden Grund zu der Annahme hat, der Richter werde aus einer in seiner Person liegenden individuellen Ursache heraus nicht unvoreingenommen, sondern unsachlich oder willkürlich entscheiden; dass der Richter sich tatsächlich von unsachlichen Überlegungen oder Rücksichtnahmen leiten lässt oder sich selbst für befangen hält, ist keine Voraussetzung für den Erfolg eines Ablehnungsgesuchs (s. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 17. April 1996 I B 134/95, BFH/NV 1996, 826; vom 30. Januar 1997 I B 79/96, BFH/NV 1997, 671; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., 1997, § 51 Rz. 37 f., m.w.N.; s.a. Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts ―BVerfG― vom 3. März 1966 2 BvE 2/64, BVerfGE 20, 9, 14; vom 29. Mai 1973 2 BvQ 1/73, BVerfGE 35, 171, 172).
2. Zutreffend hat das FG entschieden, dass die von der Klägerin kritisierte Prozessführung des B ―die Fristsetzungen und Aufforderungen zur Vorlage der Gewinnermittlung― bei vernünftiger und objektiver Betrachtungsweise auch aus der Sicht der Klägerin nicht die Annahme rechtfertigt, B werde aus einer in seiner Person liegenden individuellen Ursache heraus unsachlich oder willkürlich entscheiden.
a) Die Fristsetzungen waren zur Förderung des Verfahrens geboten. Die Fristen waren nicht zu kurz bemessen und setzten die Klägerin keinem unzumutbaren Zeitdruck aus.
b) Auch dass B die Vorlage der Gewinnermittlung forderte, nachdem das FA eine außergerichtliche Erledigung des Rechtsstreits wegen des Fehlens der Gewinnermittlung abgelehnt hatte, rechtfertigt nicht den Schluss, B lasse sich der Klägerin gegenüber von unsachlichen Erwägungen leiten. B forderte die Gewinnermittlung an, um die Angaben in der Gewerbesteuererklärung überprüfen zu können. Daraus konnte die Klägerin zwar schließen, dass B nicht bereit ist, ihren Angaben in der Gewerbesteuererklärung ohne weitere Überprüfung zu folgen. Bei vernünftiger und objektiver Betrachtungsweise ist es aber auch für einen Verfahrensbeteiligten wie die Klägerin einsichtig, dass weder das FA noch das FG einen wegen Nichtabgabe der Gewerbesteuererklärung erlassenen Schätzungsbescheid allein aufgrund einer nachgereichten Steuererklärung ändern muss. Vielmehr entspricht es einer ordnungsmäßigen Besteuerung, wenn sich FA und FG zumindest anhand der Gewinnermittlung davon überzeugen wollen, dass die Zahlenangaben in der Gewerbesteuererklärung nicht ebenfalls nur Schätzungen ―und zwar der Klägerin― sind.
Fundstellen
Haufe-Index 425044 |
BFH/NV 2000, 1114 |