Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde: Grundsätzliche Bedeutung und Sicherung der Rechtseinheit, Berichtigung gemäß § 129 AO 1977
Leitsatz (NV)
- Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache bedarf es neben der Formulierung einer konkreten Rechtsfrage auch der Angabe, weshalb die Sache über den konkreten Fall hinaus im Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Handhabung und Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und im konkreten Fall klärungsfähig ist.
- Ob bei fehlerhaften Eintragungen im Eingabewertbogen für das maschinelle Steuerfestsetzungsverfahren ein mechanisches Versehen, ein Irrtum über den Programmablauf oder ein die Berichtigung nach § 129 AO 1977 ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum vorliegt, muss nach den Verhältnissen des Einzelfalls beurteilt werden. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um eine Tatfrage, die der revisionsgerichtlichen Prüfung nur in eingeschränktem Umfang unterliegt.
- Zur Darlegung der Erforderlichkeit einer Revisions-Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO n.F.) gehört mindestens, dass das Urteil, von dem die Vorentscheidung abgewichen ist, und der Rechtssatz, den sie falsch ausgelegt oder angewandt hat, bezeichnet werden.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2, § 116 Abs. 3 S. 3; AO 1977 § 129
Tatbestand
I. Mit Steuerbescheid vom … setzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) die Einkommensteuer 1992 der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) fest. Aufgrund unterlassener Eintragung einer Kennziffer in den Eingabebogen wurde in dem Abrechnungsteil des Steuerbescheides die Steuer entgegen den tatsächlich geleisteten Zahlungen als in voller Höhe gezahlt ausgewiesen.
Anlässlich einer kassentechnischen Überprüfung entdeckte das FA den Fehler und erteilte den Klägern einen Abrechnungsbescheid über einen Nachzahlungsbetrag zur Einkommensteuer 1992.
Hiergegen haben die Kläger nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage erhoben, mit der sie geltend machen, dass es für eine Änderung des mit dem Steuerbescheid verbundenen Abrechnungsbescheides an einer gesetzlichen Grundlage fehle.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Die Korrektur des Abrechnungsteils des Steuerbescheides sei gemäß § 129 der Abgabenordnung (AO 1977) möglich gewesen. Es liege eine offensichtliche Unrichtigkeit vor, da nach den Feststellungen in der mündlichen Verhandlung der fehlerhafte Abrechnungsteil des Einkommensteuerbescheides vom 10. Januar 1996 auf einem Irrtum über den Ablauf des maschinellen Verfahrens bzw. dem Übersehen notwendiger Eintragungen beruht habe.
Mit der Beschwerde machen die Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und die Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geltend.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig.
1. Nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision u.a. zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). In der Begründung der Beschwerde müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden. An dem Erfordernis, dass die mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Sache darzulegen ist, hat sich durch die Änderung der FGO durch das Zweite Gesetz zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757), das am 1. Januar 2001 in Kraft getreten ist, nichts geändert (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
Hinreichend dargelegt ist die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache nur dann, wenn der Kläger die Rechtsfragen bezeichnet, deren Beantwortung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts erfordert. Ferner sind zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache Angaben dazu notwendig, inwieweit die richtige Antwort auf eine in dem angestrebten Revisionsverfahren zu klärende Rechtsfrage zweifelhaft ist, in welchem Umfang und aus welchen Gründen sie umstritten ist und welche unterschiedlichen Auffassungen zu ihr in der Rechtsprechung oder im Schrifttum vertreten werden (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Dezember 1998 VII B 239/97, BFH/NV 1999, 1093, m.w.N.).
Die Kläger haben zwar eine Rechtsfrage formuliert, sie haben aber nicht dargelegt, weshalb die Sache über den konkreten Fall hinaus im Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Handhabung und Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und im konkreten Fall klärungsfähig ist.
Die Kläger verweisen zutreffend darauf, dass der BFH zu der Frage des Vorliegens einer offenbaren Unrichtigkeit i.S. des § 129 AO 1977 bereits mehrfach Stellung genommen hat. In dem von den Klägern zitierten und ebenfalls von dem FG in Bezug genommenen Urteil vom 5. Februar 1998 IV R 17/97 (BFHE 185, 345, BStBl II 1998, 535) hat der BFH unter Hinweis auf seine bisherige ständige Rechtsprechung ausgeführt, dass Fehler bei Eintragungen in Eingabewertbögen für die automatische Datenverarbeitung als rein mechanische Versehen ähnliche offenbare Unrichtigkeiten i.S. des § 129 AO 1977 sein könnten, etwa bei Irrtümern über den Ablauf des maschinellen Verfahrens, Verwendung falscher Schlüsselzahlen oder Übersehen notwendiger Eintragungen. Es sei aber auch denkbar, dass fehlerhafte Eintragungen auf einem Rechtsirrtum beruhten, denn durch die Zuordnung von Daten zu bestimmten Kennziffern werde auch der Wille zu einer bestimmten rechtlichen Behandlung dieser Daten durch das festgelegte Datenverarbeitungsprogramm dokumentiert. Ob ein mechanisches Versehen, ein Irrtum über den Programmablauf oder ein die Berichtigung nach § 129 AO 1977 ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum vorliege, müsse nach den Verhältnissen des Einzelfalles beurteilt werden. Dabei handele es sich im Wesentlichen um eine Tatfrage, die der revisionsgerichtlichen Prüfung nur in eingeschränktem Umfang unterliege.
Die aufgeworfene Rechtsfrage, ob die Unterlassung der notwendigen Eintragung einer Kennziffer im maschinellen Verfahren durch den Sachbearbeiter des FA unter Nichtbeachtung einer Dienstanweisung zur EDV in jedem Falle ein mechanisches Versehen und damit eine Schreib- und Rechenfehlern ähnliche offenbare Unrichtigkeit i.S. des § 129 AO 1977 ist, die die jederzeitige Berichtigung des erlassenen Verwaltungsaktes durch die Finanzbehörde gestattet, oder ob darin auch ein Fehler liegen kann, der einem Rechtsanwendungsfehler gleichsteht und damit die Anwendung des § 129 AO 1977 ausschließt, wenn der Bearbeiter die Dienstanweisung nicht oder unzureichend kennt oder missverstanden hat, ist ausgehend von dieser Rechtsprechung nicht klärungsbedürftig. Denn der BFH hat diese Frage u.a. mit der Entscheidung in BFHE 185, 345, BStBl II 1998, 535 eindeutig dahin beantwortet, dass je nach den Umständen des Einzelfalls sowohl eine offenbare Unrichtigkeit als auch ein Rechtsanwendungsfehler vorliegen könne. Soweit die Kläger im Streitfall gleichwohl weiteren Klärungsbedarf sehen, geht es ihnen im Ergebnis nicht um die Klärung einer abstrakten Rechtsfrage, sondern um die Frage, ob das FG ausgehend von der Rechtsprechung des BFH den konkreten Einzelfall zutreffend gewürdigt hat. Da, wie ausgeführt, die Prüfung des tatsächlichen Geschehensablaufs der tatrichterlichen Würdigung des FG obliegt und die Feststellungen des FG von den Klägern nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden sind, sie auch nicht gegen die Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze verstoßen, sind sie einer revisionsrechtlichen Prüfung entzogen; eine Zulassung der Revision könnte auf ihre fehlerhafte Beurteilung ohnehin nicht gestützt werden.
2. Die Revision ist auch nicht zur Sicherung der Rechtseinheit (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) zuzulassen. Zur Darlegung der Voraussetzungen der vorgenannten Vorschrift ist gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO mindestens erforderlich, dass das Urteil, von dem die Vorinstanz abgewichen ist, und der Rechtssatz, den sie falsch ausgelegt oder angewandt hat, bezeichnet werden (BFH-Beschluss vom 30. August 2001 IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837). Daran fehlt es im Streitfall.
Die Beschwerde bezeichnet nicht, welche konkreten voneinander abweichenden abstrakten Rechtssätze der angefochtenen Entscheidung einerseits und der von ihr benannten Entscheidung des FG Baden-Würtemberg andererseits zugrunde liegen. Auch die Beschwerde geht davon aus, dass beide Entscheidungen auf die vom BFH aufgestellten Rechtsgrundsätze zurückgreifen. Im Ergebnis rügt die Beschwerde daher die fehlerhafte Subsumtion des vom FG festgestellten Sachverhalts unter den vom BFH aufgestellten Rechtssatz, was einer schlüssigen Darlegung des Zulassungsgrundes des § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO nicht genügt (vgl. auch Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Anm. 42).
Soweit die Beschwerde dahin zu verstehen ist, das FG sehe die unvollständige Ausfüllung des Eingabewertbogens in jedem Fall als mechanischen Fehler an, fehlt es an der substantiierten Darlegung, woraus sich diese Rechtsansicht des FG ergeben soll.
Fundstellen
Haufe-Index 776735 |
BFH/NV 2002, 1316 |