Entscheidungsstichwort (Thema)
Doppelte Haushaltsführung
Leitsatz (NV)
Die Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 8. Dezember 1997 GrS 1-2/95 BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193 befasst sich mit der Frage der Unternehmensfinanzierung und stellt es dem Eigentümer frei, ob er hierfür Eigenkapital und Fremdkapital einsetzt. Diese Ausführungen lassen sich nicht auf die Frage übertragen, ob eine beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung gegeben und steuerlich zu berücksichtigen ist, weil die für eine Wohnung des Steuerpflichtigen aufgewendeten Beträge nach § 12 Nr. 1 EStG grundsätzlich nicht steuerlich geltend gemacht werden können.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 Nr. 5, § 12 Nr. 1; FGO § 115 Abs. 2
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat gegen die Nichtzulassung der Revision Beschwerde erhoben. Er macht geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung und das Urteil weiche von Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) ab. Außerdem verweist er auf seine eingelegte Revision, welche er hilfsweise zum Gegenstand der Beschwerde macht.
Im Einzelnen führt er aus, das Finanzgericht (FG) nehme Bezug auf die BFH-Urteile vom 30. Oktober 1987 VI R 76/84 (BStBl II 1988, 358) und vom 22. September 1988 VI R 14/86 (BStBl II 1989, 94). Die beiden Urteile stünden aber im Widerspruch zum Beschluss des Großen Senats des BFH vom 8. Dezember 1997 GrS 1-2/95 (BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193), in dem die Begriffe "betrieblich begründet", "zeitlicher Zusammenhang" und "Absicht" eindeutig definiert würden. Der zum Kontokorrentkonto ergangene Beschluss des Großen Senats bedeute, dass die Aufwendungen der doppelten Haushaltsführung auf Grund der Neubegründung eines Wohnsitzes am Beschäftigungsort als Betriebsausgaben abziehbar seien. Es dürfe danach keine Rolle spielen, wenn zuvor aus privaten Gründen der Wohnsitz vom Beschäftigungsort wegverlegt wurde. Entscheidend für die betriebliche Veranlassung sei ausschließlich die tatsächliche Veranlassung, im zeitlichen Zusammenhang bestehende private Absichten spielten keine Rolle. Der Unternehmer sei in der Tatsachengestaltung frei.
Das FG habe die zweite Haushaltsführung dementsprechend bei isolierter Betrachtung auch als betrieblich veranlasst angesehen und die Klage nur auf Grund ergänzend angestellter Überlegungen abgewiesen, die nach dem Beschluss des Großen Senats nicht mehr relevant seien. Das FG-Urteil beruhe insbesondere auf dem "zeitlichen Zusammenhang" mit der früheren privat veranlassten Wegverlegung der Wohnung vom Beschäftigungsort. Demgegenüber seien nach dem Großen Senat betrieblich veranlasste Aufwendungen auch dann als Betriebsausgaben abziehbar, wenn diese im zeitlichen Zusammenhang bzw. in zeitlicher Nähe mit privaten Vorgängen stünden.
Hieraus ergebe sich auch eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, weil fraglich sei, ob der zu Schuldzinsen ergangene Beschluss hinsichtlich des Merkmals "zeitlicher Zusammenhang" auf den Bereich der doppelten Haushaltsführung anzuwenden sei.
Das FA beantragt, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen, weil sie den gesetzlichen Darlegungsanforderungen nicht genüge.
Entscheidungsgründe
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit der Kläger eine Abweichung des FG von der Rechtsprechung des BFH und Verfahrensfehler des FG geltend macht; im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet.
1. Nach Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757) richtet sich die Zulässigkeit des Rechtsbehelfs nach den bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Vorschriften.
Nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) a.F. ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) oder das Urteil von einer Entscheidung des BFH abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder bei einem geltend gemachten Verfahrensmangel die angefochtene Entscheidung auf diesem Mangel beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
In der Beschwerdeschrift muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des BFH, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F.).
a) Soweit der Kläger Verfahrensmängel rügt, hat er diese nicht in der dafür gesetzlich vorgeschriebenen Form (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F.) innerhalb der dafür bestimmten Frist von einem Monat nach Zustellung des Urteils (§ 115 Abs. 3 Satz 1 FGO a.F.) bezeichnet.
Es kann dahingestellt bleiben, ob der Verweis auf die Verfahrensrügen, die mit der Revision geltend gemacht wurden und die nicht die Voraussetzungen des § 116 FGO a.F. erfüllen, für die Bezeichnung i.S. des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F. ausreichen könnte (vgl. hierzu Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., 1977, § 115 Anm. 58). Denn die in dem Revisionsverfahren erhobenen Rügen genügen den gesetzlichen Anforderungen nicht. Insbesondere genügt für die schlüssige Rüge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht der Hinweis, das FG habe sich nicht mit jedem Vorbringen des Klägers auseinander gesetzt (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 119 Anm. 16).
Mit seinen nach Ablauf der Beschwerdefrist eingegangenen Erläuterungen der Verfahrensrügen wendet sich der Kläger im Grunde gegen die Gesamtwürdigung des FG, wonach im Streitfall ein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Wegzug und der acht oder zwölf Monate späteren Neubegründung eines zweiten Haushalts am Beschäftigungsort bestanden habe. Das rechtfertigt jedoch keine Zulassung der Revision, weil die Tatsachen- und Beweiswürdigung revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen und deshalb der Prüfung des BFH im Rahmen einer Verfahrensrüge entzogen sind. Die Rüge fehlerhafter Rechtsanwendung vermag die Zulassung der Revision nicht zu begründen (BFH-Beschlüsse vom 29. November 1995 XI B 69/95, BFH/NV 1996, 421; vom 18. Dezember 1996 XI B 71/96, BFH/NV 1997, 505, jeweils m.w.N.).
b) Zur Zulässigkeit einer auf Divergenz gestützten Nichtzulassungsbeschwerde muss dargelegt werden, dass das vorinstanzliche Gericht dem angefochtenen Urteil einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der von einem ―ebenfalls tragenden― abstrakten Rechtssatz einer Entscheidung des BFH abweicht (BFH-Beschluss vom 18. Januar 1991 VI B 140/89, BFHE 163, 204, BStBl II 1991, 309). Das setzt voraus, dass der Beschwerdeführer die betreffenden Rechtssätze der Vorentscheidung des BFH so genau bezeichnet, dass die behauptete Abweichung erkennbar wird (ständige Rechtsprechung, vgl. die Nachweise bei Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Anm. 63). Diesen Anforderungen genügen die Darlegungen des Klägers nicht.
Es reicht nicht, die Auffassung des FG als falsch zu bezeichnen und dies anhand eines bestimmten BFH-Urteils zu begründen. Damit wird allenfalls dargelegt, dass das FG die Rechtsprechung des BFH fehlerhaft angewendet hat, nicht aber, dass das FG seiner Entscheidung einen allgemeinen Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der mit den rechtlichen Erwägungen der Entscheidung des BFH nicht übereinstimmt (BFH-Beschluss vom 30. November 1989 V B 142/88, BFH/NV 1990, 785).
2. Soweit der Kläger mit seiner Beschwerde vorträgt, es bestehe ein Widerspruch zwischen den BFH-Urteilen in BStBl II 1988, 358 und in BStBl II 1989, 94 einerseits und der Entscheidung des Großen Senats in BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193 andererseits hinsichtlich der Auslegung der Begriffe "betrieblich begründet" und "zeitlicher Zusammenhang", begründet dies keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, weil sich für den Streitfall auf Grund der nicht vergleichbaren Fragestellungen kein solcher Widerspruch ergibt.
Die Entscheidung des Großen Senats in BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193 befasst sich mit der Frage der Unternehmensfinanzierung und stellt es dem Eigentümer frei, ob er hierfür Eigenkapital und Fremdkapital einsetzt. Die Ausführungen lassen sich nicht auf die Frage übertragen, ob eine beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung gegeben und steuerlich zu berücksichtigen ist. Denn hinsichtlich der Kosten für eine Wohnung gilt der Grundsatz, dass nach § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für den Haushalt des Steuerpflichtigen aufgewendete Beträge grundsätzlich nicht steuerlich geltend gemacht werden können. Steuerlich relevante gemischte Aufwendungen auf Grund einer teils beruflichen und teils privaten Veranlassung sind hier nur im Rahmen der Regelung des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG gegeben (vgl. Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 20. Aufl. 2001, § 12 Rdnr. 9). Dies gilt auch für ihre Geltendmachung als Betriebsausgaben (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 11. Mai 1995 IV R 6/94, BFH/NV 1995, 1057).
Fundstellen
Haufe-Index 647705 |
BFH/NV 2002, 17 |