Entscheidungsstichwort (Thema)
Inländische Betriebsstätte einer ausländischen Oasengesellschaft
Leitsatz (NV)
1. Die Verletzung von Mitwirkungspflichten eines Klägers führt zur Begrenzung der Sachverhaltsaufklärungspflicht des FG und zu einer Minderung des Beweismaßes.
2. Die Haftung eines Angestellten für Steuerschulden kann sich auch auf solche Steuerschulden erstrecken, die vor Beginn des Anstellungsverhältnisses entstanden sind, für die jedoch den Angestellten Erklärungspflichten nach Beginn des Anstellungsverhältnisses trafen.
3. Aus der umfassenden Verfügungsberechtigung des "faktischen Leiters" der inländischen Betriebsstätte einer ausländischen AG kann dessen Pflicht hergeleitet werden, für die Gesellschaft Steuererklärungen im Inland abzugeben.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2; AO 1977 §§ 34-35
Verfahrensgang
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen.
1. Verfahrensfehler
a) Dem Finanzgericht (FG) ist kein Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten unterlaufen. Auf Seite 16 der Vorentscheidung steht der Satz "Zwar werde nicht mehr bestritten, daß die F eine inländische Betriebsstätte unterhalten habe" innerhalb der Wiedergabe der Klagebegründung des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger). Auf die Frage, ob das FG die Klagebegründung des Klägers richtig wiedergegeben hat, ist es für die Entscheidung des FG nicht angekommen. Das FG hat seine Entscheidung nicht auf das Vorbringen des Klägers, sondern auf Zeugenaussagen gestützt. Dann aber kann die Wiedergabe der Klagebegründung, die im übrigen keine Sachurteilsvoraussetzung betrifft, selbst dann keinen Verfahrensfehler begründen, wenn man ihre Unrichtigkeit unterstellt.
b) Das FG hat auch seine Amtsermittlungspflicht nicht verletzt. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in dem Urteil vom 15. Februar 1989 X R 16/86 (BFHE 156, 38, BStBl II 1989, 462) entschieden, daß die Verletzung von Mitwirkungspflichten eines Klägers zu einer Begrenzung der Sachverhaltsaufklärungspflicht des FG und zu einer Minderung des Beweismaßes führt. Dieser Grundsatz gilt wegen § 76 Abs. 1 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 90 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) erst recht, wenn es sich um die Aufklärung eines Sachverhaltes mit Auslandsbezug handelt. Er gilt auch dann, wenn der Kläger sich im finanzgerichtlichen Verfahren nicht durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer vertreten läßt. Er gilt umso mehr, wenn -- wie im Streifall -- die Steuern, für die der Kläger haften soll, gegenüber dem Steuerschuldner bereits bestandskräftig festgesetzt sind. Dann ist es Sache der als Haftungsschuldner in Anspruch genommenen Person, detaillierte Einwendungen gegen die Höhe der Steuerfestsetzungen vorzutragen, wenn solche in Betracht kommen. Unterläßt der Haftungsschuldner entsprechenden Sachvortrag, kann sich das FG damit begnügen, die Steuerschulden der Höhe nach auf offensicht liche Unrichtigkeiten zu überpüfen.
2. Grundsätzliche Bedeutung der Rechts sache
a) Der Rechtsfrage, ob sich die Haftung eines Angestellten einer juristischen Person, welche für Steuerschulden in Anspruch genommen wird, auch auf einen Zeitraum bezieht, der vor den Handlungen liegt, welche der Haftende mit (bedingtem) Vorsatz vorgenommen haben soll, kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Sie ist eindeutig zu bejahen.
Dazu läßt der Senat dahinstehen, ob der Vorentscheidung tatsächlich entnommen werden kann, daß die Haftung des Klägers sich nur auf Handlungen stützt, die er in 1981 und später vornahm. Selbst wenn man dies zugunsten des Klägers unterstellt, so war die F-SA aufgrund der ab 1979 im Inland unterhaltenen Betriebsstätte gemäß §§ 149 ff. AO 1977 verpflichtet, Steuererklärungen auch für die Jahre 1979 und 1980 abzugeben. Diese Verpflichtung bestand auch noch im Jahre 1981 und später, weil sie damals noch nicht erfüllt war. Wenn aber der Kläger seit 1979 Verfügungsberechtigter der F-SA i. S. des § 35 AO 1977 war und von den Steuererklärungspflichten der F-SA im Jahre 1981 Kenntnis erhielt, dann mußte er diesen Verpflichtungen gemäß §§ 34, 35 AO 1977 damals nachkommen. Soweit durch seine Pflichtverletzung Steuerausfälle eingetreten sind, haftet er für die ausgefallenen Steuerschulden.
b) Die Rechtsfrage, ob aus einer nicht ausdrücklich die Abgabe von Steuererklärungen umfassenden Verfügungsberechtigung des "faktischen Leiters" der inländischen Betriebsstätte einer ausländischen Aktiengesellschaft dessen Pflicht hergeleitet werden könne, für die Gesellschaft Steuererklärungen abzugeben, hat keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie höchstrichterlich geklärt ist. Der Senat hat in seinem Urteil vom 24. April 1991 I R 56/89 (BFH/NV 1992, 76) entschieden, daß es für die Tat bestandsverwirklichung des § 35 AO 1977 ausreicht, wenn eine Person nach außen hin so auftritt, als könne sie umfassend über fremdes Vermögen verfügen, und sie faktisch die Aufgaben des Geschäftsführers wahrnimmt. In diesem Falle hat sie die sich aus § 34 AO 1977 ergebenden Pflichten. Es kommt deshalb auch im Streitfall nicht darauf an, ob der Kläger auch zur Abgabe von Steuererklärungen beauftragt oder bevollmächtigt war, sondern nur darauf, ob er "faktischer Leiter" der inländischen Betriebsstätte war. Wollte man die Rechtslage anders beurteilen, würde § 35 AO 1977 regelmäßig ins Leere laufen, weil der faktische Leiter eines Unternehmens dann die Übernahme der sich aus § 34 AO 1977 ergebenden steuerlichen Pflichten stets ablehnen könnte.
Fundstellen
Haufe-Index 420297 |
BFH/NV 1995, 662 |