Entscheidungsstichwort (Thema)
Abtretung von Zahlungsansprüchen (Umsatzsteuer); Vorbringen nach Ablauf der Beschwerdefrist
Leitsatz (NV)
1. Abgetreten werden kann nicht ein "Vorsteuererstattungsanspruch", sondern nur der Anspruch auf den Saldo, der sich nach Steuerfestsetzung und Anrechnung der gezahlten (positiven oder negativen) Steuer beträge ergibt.
2. Durchsetzbar ist der abgetretene Anspruch auf Zahlung erst, wenn die ihm zugrunde liegende (positive oder negative) Umsatzsteuer durch Steuerbescheid festgesetzt worden ist.
3. Nach Ablauf der Beschwerdefrist können nur ergänzende Erläuterungen und Vervollständigungen der in der gesetzlich vorgeschriebenen Form geltend gemachten Zulassungsgründe berücksichtigt werden.
Normenkette
AO 1977 §§ 46, 218 Abs. 1; UStG 1980 § 16 Abs. 2 S. 1; FGO § 115 Abs. 3
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Unternehmer u. a. aufgrund von Vermietung und Verpachtung. Außerdem ist er Mitglied einer Rechtsanwaltssozietät. Im Rahmen dieser Tätigkeit als Anwalt benutzte er den in seinem Eigentum stehenden Pkw. Die Kosten für den Betrieb des Pkw wurden ihm von der Sozietät erstattet.
Der Kläger begehrt den Abzug von Vorsteuerbeträgen in Höhe von ... DM, die ihm anläßlich der Unterhaltung seines Pkw im Streitjahr (1985) gesondert in Rechnung gestellt worden sind. Er ist der Auffassung, er habe den Pkw der Sozietät entgeltlich zur Nutzung überlassen. Das Entgelt liege in der Erstattung der Betriebskosten.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) lehnte mit Bescheid vom 5. Juli 1990 das Begehren des Klägers auf Berücksichtigung der ihm in Rechnung gestellten Vorsteuerbeträge im Rahmen der Änderung seiner Umsatzsteuerveranlagung ab. Der Einspruch blieb erfolglos.
Im Klageverfahren machte der Kläger neben dem Begehren auf Berücksichtigung von Vorsteuerbeträgen bei seiner Umsatzsteuerveranlagung ferner einen Anspruch auf Zahlung von 555,18 DM gegen das FA geltend. Nach dem Vortrag des Klägers hat die Sozietät diesen Anspruch an ihn abgetreten. Es handele sich um einen Anspruch der Sozietät auf Erstattung eines Vorsteuerbetrages; dieser sei dadurch entstanden, daß er -- der Kläger -- der Sozietät die laufenden Betriebskosten für das Jahr 1985 mit Urkunde vom 18. August 1993 in Rechnung gestellt habe.
Die Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) begründete die Klageabweisung alternativ.
a) Für den Fall, daß ein umsatzsteuerrecht licher Leistungsaustausch zwischen dem Kläger und der Sozietät zu verneinen wäre, seien die Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, weil sie nicht mit steuerpflichtigen Umsätzen des Klägers in Verbindung stünden, d. h. die Leistungen seien nicht für sein Unternehmen bezogen worden (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes -- UStG -- 1980).
b) Falls ein Leistungsaustausch vorgelegen habe (z. B. entgeltliche Nutzungsüberlassung des Pkw an die Sozietät), könne die Klage gegen den Bescheid vom 5. Juli 1990 keinen Erfolg haben, weil in Höhe der geltend gemachten Vorsteuerbeträge bei der Veranlagung Umsatzsteuer gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 wegen Ausführung der sonstigen Leistungen berücksichtigt werden müsse. Bemessungsgrundlage hierfür seien nämlich nach Auffassung des Klägers die Betriebskosten.
c) Die Klage auf Zahlung von ... DM aus abgetretenem Recht wies das FG als unbegründet zurück, weil ein solcher Anspruch der Sozietät bei deren Veranlagung für das Jahr 1985 nicht festgesetzt worden sei.
Der Kläger macht mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde geltend, die Rechtsfrage habe grundsätzliche Bedeutung und außerdem weiche das Urteil des FG von einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) ab. Die Divergenz sieht der Kläger darin, daß der BFH die Entstehung des Anspruchs auf Abzug von Vorsteuern vom Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale (z. B. Rechnung) abhängig mache, während das FG davon ausgegangen sei, der Anspruch der Sozietät auf "Erstattung von Vorsteuern" könne nur im Jahr des Leistungsbezugs (1985) entstanden sein.
Nach Ablauf der Begründungsfrist (22. November 1993) machte der Kläger weitere Ausführungen zur grundsätzlichen Bedeutung und zur Divergenz.
Entscheidungsgründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.
1. Soweit die Nichtzulassungsbeschwerde auf grundsätzliche Bedeutung gestützt wird, genügt sie nicht den Begründungsanforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
a) Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und einheitlichen Handhabung des Rechts berührt (BFH-Beschluß vom 20. April 1977 I B 65/76, BFHE 122, 119, BStBl II 1977, 608). Die Rechtsfrage muß klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar sein. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist in der Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert darzulegen (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. BFH- Beschluß vom 6. August 1986 II B 53/86, BFHE 147, 219, BStBl II 1986, 858). Der Beschwerdeführer muß demnach eine bestimmte Rechtsfrage herausstellen, die für den Rechtsstreit erheblich sein kann und im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig ist.
b) Der Kläger hat in der Beschwerdeschrift vom 19. November 1993 keine Rechtsfrage herausgestellt. Er hat sich auf die Beschreibung der tatsächlichen Umstände des Rechtsstreits beschränkt. Hätte er eine abstrakte Rechtsfrage formuliert, wäre möglicherweise zu erkennen gewesen, daß diese Rechtsfrage durch die Rechtsprechung bereits geklärt worden ist und der vorliegende Rechtsstreit lediglich die Anwendung allgemeiner Rechtsgrundsätze im Einzelfall betrifft.
c) Der nach Ablauf der Begründungsfrist (22. November 1993) beim BFH am 25. Februar 1994 eingegangene Schriftsatz muß unbeachtet bleiben. Zwar ist nicht schlechthin ausgeschlossen, daß nach Ablauf der Beschwerdefrist Vorgebrachtes bei der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde berücksichtigt wird. Da die Nichtzulassungsbeschwerde nach dem Gesetzeswortlaut "in der Beschwerdefrist" zu begründen ist, sind nach Ablauf der Beschwerdefrist jedoch nur noch Erläuterungen und Vervollständigungen der rechtzeitig geltend gemachten Zulassungsgründe möglich. Das setzt voraus, daß innerhalb der Beschwerdefrist den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO genügt ist. Es handelt sich jedoch nicht um bloße ergänzende Erläuterungen der geltend gemachten Zulassungsgründe, sondern um verspätetes Vorbringen, wenn -- wie im Streitfall -- innerhalb der Beschwerdefrist des § 115 Abs. 3 Satz 1 FGO die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache lediglich behauptet wird, die erforderliche Darlegung aber erst nach Ablauf der Beschwerdefrist eingereicht wird (BFH-Beschlüsse vom 16. Januar 1989 V B 4/88, BFH/NV 1989, 791, und vom 14. Februar 1989 V B 72/87, BFH/NV 1990, 108, unter 5.). Ein Nachschieben von Gründen ist nach Ablauf der Begründungsfrist unzulässig (BFH-Beschlüsse vom 22. September 1967 VI B 25/67, BFHE 90, 101, BStBl III 1967, 787, und vom 21. Juni 1968 III B 58/67, BFHE 93, 503, BStBl II 1969, 36). Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist (§ 56 FGO) sind nicht ersichtlich.
2. Die Revision kann auch nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen werden. Eine Abweichung im Sinne dieser Vorschrift ist gegeben, wenn das FG in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden (abstrakten) Rechtssatz von einem in der Rechtsprechung des BFH aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abweicht (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 115 Rz. 63).
a) Das FG hat keinen abstrakten Rechtssatz aufgestellt, der mit einem abstrakten Rechtssatz aus den vom Kläger angeführten Entscheidungen unvereinbar ist. Das FG hat in seinem Urteil auf S. 8, Satz 2, ausgeführt, ein Zahlungsanspruch setze eine entsprechende Steuerfestsetzung voraus. Diese Rechtsauffassung entspricht dem Gesetz und steht in keinem Widerspruch zu einer Entscheidung des BFH.
Als Zahlungsanspruch, den die Sozietät abgetreten haben könnte, kommt nur der Anspruch auf den Saldo in Betracht, der sich nach einer Steuerfestsetzung und nach Anrechnung der gezahlten Beträge ergibt. Diesen Anspruch dürfte der Kläger gemeint haben, wenn er von dem Anspruch auf "Erstattung von Vorsteuern" spricht; denn ein solcher "Vorsteuererstattungsanspruch" kann verfahrensrechtlich nicht entstehen, weil er lediglich eine unselbständige Besteuerungsgrundlage darstellt (BFH-Urteil vom 24. März 1983 V R 8/81, BFHE 138, 498, BStBl II 1983, 612). Der von der Sozietät abgetretene Zahlungsanspruch kann jedoch -- sofern er besteht -- gemäß § 218 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) erst durchgesetzt werden, wenn die ihm zugrundeliegende positive oder negative Umsatzsteuer durch Steuerbescheid festgesetzt worden ist. Dies gilt auch im Falle einer Abtretung.
b) Diese Rechtsauffassung hat das FG in seinem Urteil auf S. 8, Satz 2, zutreffend vertreten. Es hat allerdings in Anwendung dieser Rechtsauffassung fälschlicherweise auf die Steuerfestsetzung der Sozietät für 1985 abgestellt (Urteil S. 8, Satz 3), anstatt die Steuerfestsetzung für 1993 für maßgeblich zu erachten, bei der der Vorsteuer betrag aus der Rechnung vom 18. August 1993 zu berücksichtigen gewesen wäre. Aus diesem Subsumtionsfehler folgt jedoch keine Divergenz. Zwar kann sich ein abstrakter Rechtssatz auch aus scheinbar nur fallbezogenen Rechtsausführungen des FG ergeben (BFH-Beschluß vom 23. April 1992 VIII B 49/90, BFHE 167, 488, BStBl II 1992, 671). Dies ist jedoch vorliegend nicht der Fall, weil das FG seine Rechtsüberzeugung, die Geltendmachung des Zahlungsanspruchs setze eine Steuerfestsetzung voraus, lediglich fehlerhaft angewendet hat, indem es nicht auf die Steuerfestsetzung für das Jahr 1993 abgestellt hat.
Fundstellen