Entscheidungsstichwort (Thema)
Fehlen von Entscheidungsgründen
Leitsatz (NV)
In schlüssiger Weise ist das Fehlen von Entscheidungsgründen i. S. d. §116 Abs. 1 Nr. 5 FGO nicht dargetan, wenn sich schon aus dem Vorbringen des Revisionsklägers ergibt, daß das FG zur Entscheidung des Streitpunktes, hinsichtlich dessen ein Begründungsmangel vorliegen soll, eine -- wenn auch ggfls. unzutreffende -- Begründung gegeben hat.
Normenkette
FGO § 116 Abs. 1 Nr. 5
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielte in den Streitjahren 1974 bis 1979 Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Außerdem machte er in den Einkommensteuererklärungen für 1974 und 1975 Werbungskosten in Höhe von 327 150 DM bzw. 302 377 DM geltend, die der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) in den Einkommensteuerbescheiden nicht berücksichtigte. Die hiergegen eingelegten Einsprüche und Klagen blieben erfolglos.
Auch in den Steuererklärungen 1976 bis 1979 machte der Kläger erfolglos nachträgliche Werbungskosten geltend. Nachdem der Kläger den Zugang der Steuerbescheide bestritten hatte, stellte das FA die Einkommensteuerbescheide für 1976 bis 1979 erneut zu. Die hiergegen eingelegten Einsprüche wies das FA unter Berücksichtigung des Urteils des Finanzgerichts (FG) betreffend Einkommensteuer 1974 und 1975 als unbegründet zurück.
Nachdem das FA versucht hatte, die aus den Steuerbescheiden resultierenden Steuern beizutreiben, wandte sich der neue Berater des Klägers 1992 an das FA, da er keine Unterlagen und Steuerbescheide mehr habe. Daraufhin übersandte das FA Fotokopien der Einkommensteuerbescheide für 1974 bis 1979 und betrieb die Vollstreckung der Steuerschulden weiter.
Im November 1993 teilte der Kläger dem FA mit, er sei zahlungswillig und bot monatliche Zahlungen in Höhe von 1 000 DM an. Gleichzeitig beantragte er den Erlaß der Steuerrückstände 1974 bis 1979 mit der Begründung, es sei zweifelhaft, ob die von dem früheren Steuerberater ermittelten Werte zutreffend seien; es seien erhebliche Verluste offenbar nicht erklärt oder erfaßt worden.
Die Oberfinanzdirektion (OFD) wies die gegen die Ablehnung des Erlaßantrages gerichtete Beschwerde, die der Kläger trotz mehrfacher Erinnerung nicht begründet hatte, als unbegründet zurück. Sachliche Billigkeitsgründe lägen nicht vor. Steuern, die bestandskräftig festgesetzt worden seien, könnten im Billigkeitsverfahren nur dann sachlich überprüft werden, wenn die Festsetzung offensichtlich und eindeutig unrichtig sei und es dem Steuerpflichtigen nicht möglich und nicht zumutbar gewesen sei, sich gegen die Fehlerhaftigkeit rechtzeitig zu wehren. Beides sei nicht der Fall. Ein Erlaß aus sachlichen Billigkeitsgründen hinsichtlich der Säumniszuschläge komme nur dann in Betracht, wenn der Steuerpflichtige wegen Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung die Steuern nicht rechtzeitig habe bezahlen können. Anhaltspunkte hierfür habe der Kläger weder vorgebracht noch seien sie aus den Steuerakten ersichtlich. Persönliche Erlaßgründe lägen nicht vor. Abgesehen davon, daß der Kläger selbst trotz entsprechender Aufforderungen seine wirtschaftliche Situation nicht dargelegt habe, ergäben sich aus den Steuerakten erhebliche Zweifel an der Erlaßbedürftigkeit, da er u. a. in den Jahren 1992 bis 1994 mehrere Grundstücke in mehrstelliger Millionenhöhe an- und verkauft habe. Da der Kläger in bezug auf diese Grundstücksgeschäfte keine Erklärungen abgegeben habe, sei davon auszugehen, daß die eigenen Angaben des Klägers, soweit sie nicht ohnehin durch Schätzungen des FA hätten ersetzt werden müssen, unvollständig seien. Jedenfalls gingen die wegen mangelnder Mitwirkung des Klägers verbleibenden Zweifel an der Erlaßbedürftigkeit zu seinen Lasten.
Mit der hiergegen gerichteten Klage begehrte der Kläger die Feststellung, daß die "Einkommensteueransprüche einschießlich der Nebenabgaben für die Jahre 1974 bis 1977" sowie "die auf die Jahre 1978 und 1979 entfallenden Einkommensteuerzahlungen" verjährt seien und Säumniszuschläge nicht erhoben werden dürften, hilfsweise, das FA zu verpflichten, die Einkommensteuerschulden einschließlich der Nebenabgaben zu erlassen.
Das FG wies -- nach Schilderung des entscheidungserheblichen Sachverhalts und Wiedergabe der die Beschwerdeentscheidung tragenden Erwägungen durch Bezugnahme auf die Beschwerdeentscheidung vom 26. Januar 1995 -- die Klage ab, mit der Begründung, die angefochtene Rechtsbehelfsentscheidung lasse Ermessensfehler nicht erkennen. Die Auffassung des Klägers zur Verjährung sei unzutreffend. Offensichtlich gehe dieser in seinem Schriftsatz vom 6. Mai 1997 in tatsächlicher Hinsicht von falschen Grundlagen aus, denn endgültig sei erst 1985 betreffend Einkommensteuer 1974 und 1975 durch Urteil und betreffend Einkommensteuer 1976 bis 1979 durch Einspruchsentscheidungen über die entsprechende Einkommensteuerschuld entschieden worden. Die Nichtzulassung der Revision gegen dieses Urteil hat der Kläger mit der Beschwerde angefochten. Mit der Revision macht er geltend, das Urteil sei nicht mit Gründen versehen ( §116 Abs. 1 Nr. 5 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Die Ausführungen des FG zum Verjährungseinwand seien nicht nachvollziehbar. Es sei nicht erkennbar, ob der Hinweis, erst 1985 sei -- durch Urteil bzw. Einspruchsentscheidungen -- endgültig über die streitigen Steuerschulden entschieden worden, die Begründung sein solle. Das FG hätte sich nicht mit dem Hinweis auf angeblich unzutreffende Zeitangaben des Klägers begnügen, sondern selbst Ermittlungen anstellen müssen. Auch enthalte das angefochtene Urteil keine Ausführungen zum Antrag auf Erlaß von Säumniszuschlägen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig (§126 Abs. 1 FGO).
II. Der Kläger hat substantiiert und in sich schlüssig (s. dazu z. B. Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 2. August 1996 XI R 50/95, BFH/NV 1997, 134, und vom 4. März 1997 X R 123/96, BFH/NV 1997, 597, m. w. N.) keinen Revisionsgrund i. S. des §116 Abs. 1 Nr. 5 FGO dargetan. Entscheidungsgründe fehlen i. S. der Vorschrift, wenn den Beteiligten die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung zu überprüfen. Das ist nach ständiger Rechtsprechung nur dann der Fall, wenn das FG seine Entscheidung überhaupt nicht begründet oder ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel mit Stillschweigen übergangen hat, mithin das Urteil bezüglich eines wesentlichen Streitpunktes nicht mit Gründen versehen war (z. B. BFH-Beschluß vom 17. September 1991 X R 19/91, BFH/NV 1992, 750, m. w. N., und Urteil in BFH/NV 1997, 597, m. w. N.). Die Behauptung mangelhafter Urteilsbegründung oder fehlender Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Beteiligten reicht hierfür nicht aus (vgl. z. B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §119 Rz. 24, mit Rechtsprechungsnachweisen). In schlüssiger Weise ist das Fehlen einer Begründung der Entscheidung i. S. des §116 Abs. 1 Nr. 5 FGO auch nicht dargetan, wenn sich, wie im Streitfall, schon aus dem Vorbringen des Revisionsklägers selbst ergibt, daß das FG zur Entscheidung des Streitpunkts, hinsichtlich dessen ein Begründungsmangel vorliegen soll, eine -- allerdings unzutreffende -- Begründung gegeben hat (vgl. z. B. Senatsbeschluß vom 31. Januar 1996 X R 61/94, BFH/NV 1996, 494).
Soweit der Kläger eine Begründung zu seinem Antrag auf Erlaß von Säumniszuschlägen vermißt, übersieht er die Besonderheiten der eingeschränkten richterlichen Prüfungskompetenz in Fällen des §102 FGO, vor allem, daß es dem Gericht bei der Prüfung von Ermessensentscheidungen verwehrt ist, eigenes Ermessen auszuüben und sein Ermessen an die Stelle desjenigen der Finanzverwaltung zu setzen. Schon aus diesem Grund ist eine Urteilsbegründung, welche die tragenden Erwägungen der angegriffenen Ermessensentscheidung wiedergibt und als Ergebnis richterlicher Kontrolle mitteilt, Ermessensfehler seien nicht ersichtlich, nicht i. S. des §116 Abs. 1 Nr. 5 FGO mangelhaft (z. B. Senatsbeschluß in BFH/NV 1997, 597). Im Streitfall ist in der vom FG als nicht ermessensfehlerhaft bestätigten Beschwerdeentscheidung der OFD ausführlich die Ablehnung des Erlasses von Säumniszuschlägen -- auch aus sachlichen Billigkeitsgründen -- begründet. Das FG hat insoweit von der Begründungserleichterung nach §105 Abs. 5 FGO Gebrauch gemacht und festgestellt, daß es der Begründung der Beschwerdeentscheidung folgt.
Fundstellen
Haufe-Index 67556 |
BFH/NV 1998, 1108 |