Entscheidungsstichwort (Thema)
Hilfsweise Ausübung des Wahlrechts nach § 6b EStG im Klageverfahren; Tatbestandsberichtigung nach § 108 FGO
Leitsatz (NV)
1. Das auf Gewinnübertragung gerichtete Wahlrecht nach § 6b Abs. 1 i.V. mit Abs. 3 Satz 1 EStG kann sowohl im anhängigen Klageverfahren im Rahmen eines Hilfsantrags als auch nach Ergehen des Urteils in der Tatsacheninstanz bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist ausgeübt werden. Wird ein Hilfsantrag gestellt, sind auch die weiteren Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Steuervergünstigung nach § 6b EStG hilfsweise zu erfüllen.
2. Unrichtige Feststellungen des FG zum Sachverhalt können nicht im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht werden, ihre Richtigstellung ist nur über einen Antrag auf Berichtigung des Tatbestandes nach § 108 FGO möglich. Das gilt auch für solche Tatsachen, die lediglich in den Entscheidungsgründen des Urteils mitgeteilt werden, oder entscheidungserheblich sind.
Normenkette
EStG § 6b; FGO § 108
Verfahrensgang
FG München (Urteil vom 28.11.2002; Aktenzeichen 11 K 2234/99) |
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Die geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht schlüssig dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Divergenz
Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte in seinem Urteil vom 30. August 2001 IV R 30/99 (BFHE 196, 507, BStBl II 2002, 49) nicht über den Buchnachweis (§ 6b Abs. 4 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) bzw. die an dessen Stelle tretenden vergleichbaren laufenden Verzeichnisse (§ 6c Abs. 2 EStG) als Voraussetzung der Übertragung stiller Reserven nach § 6b EStG bzw. § 6c EStG zu entscheiden; das Urteil befasst sich nur mit der Frage, bis zu welchem Zeitpunkt das Wahlrecht nach § 6c EStG --und Entsprechendes gilt für § 6b EStG-- ausgeübt werden kann. Vor allem aber hat das Finanzgericht (FG) keinen von dieser Entscheidung abweichenden Rechtssatz aufgestellt. Im Streitfall, in dem das FG erkennbar von der Rechtsauffassung des BFH ausgegangen ist, könnte deshalb allenfalls eine fehlerhafte Anwendung der Rechtsauffassung des BFH auf die Besonderheiten des Streitfalles vorliegen. Das reicht zur Begründung der Beschwerde nicht aus (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. BFH-Beschluss vom 6. April 1995 VIII B 61/94, BFH/NV 1996, 137, m.w.N.).
2. Grundsätzliche Bedeutung
Auch dieser Zulassungsgrund ist nicht schlüssig dargelegt.
a) Der BFH hat in seinem Urteil in BFHE 196, 507, BStBl II 2002, 49 (dort unter II.2.a der Gründe) ausgeführt, dass das Wahlrecht auch nach Ergehen eines finanzgerichtlichen Urteils, in dem über die Zuordnung der veräußerten Grundstücksflächen zum Betriebsvermögen entschieden wurde, ausgeübt werden könne. Wird das Wahlrecht bereits im anhängigen Klageverfahren im Rahmen eines Hilfsantrags ausgeübt, sind auch die weiteren Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Steuervergünstigung nach § 6b EStG (zu den erforderlichen Aufzeichnungen vgl. u.a. Schmidt/Glanegger, Einkommensteuergesetz, 23. Aufl., § 6b Rz. 100) hilfsweise zu erfüllen. Die nach dem Urteil eröffnete Möglichkeit, diese Voraussetzungen rückwirkend auch noch nach Ergehen des finanzgerichtlichen Urteils zu schaffen (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung --AO 1977--), vermeidet eine solche, ggf. unnötige Mehrarbeit.
b) Die Frage würde zudem nur von Bedeutung und wäre damit nur klärungsfähig, wenn der Veräußerungsgewinn bereits im Wirtschaftsjahr 1992 realisiert worden wäre; denn nur in diesem Fall wäre das Ersatzgrundstück --wie dies § 6b Abs. 1 Satz 1 EStG voraussetzt-- "im vorangegangenen Wirtschaftsjahr" angeschafft worden. Das FG ist jedoch zutreffend davon ausgegangen, dass es zu einer Gewinnrealisierung erst im Streitjahr 1993 gekommen ist. Es hat dabei mit Recht auf die ständige Rechtsprechung des BFH verwiesen, nach der der Gewinn erst mit der Erfüllung des Kaufvertrages durch den zur Sachleistung verpflichteten Vertragspartner (hier: den Verkäufer) erfüllt und diese Leistung erst mit dem Übergang des zivilrechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentums erbracht ist (vgl. die Rechtsprechungsnachweise bei Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O., § 5 Rz. 608, und BFH-Urteil vom 4. Juni 2003 X R 49/01, BFHE 202, 320, BStBl II 2003, 751, m.w.N.). Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat nicht dargelegt, dass insoweit neue rechtliche Gesichtspunkte in der Rechtsprechung oder in der Literatur vorgetragen worden sind, die der BFH noch nicht geprüft hat (vgl. dazu u.a. BFH-Beschluss vom 10. September 1997 VIII B 91/96, BFH/NV 1998, 451).
3. Verfahrensfehler
Das FG ging bei seiner rechtlichen Beurteilung davon aus, dass Aufwendungen in Höhe von 74 938 DM unstreitig für die Kanal- und Wasseranschlüsse entstanden seien. Das ist eine --vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) bestätigte-- Feststellung zum Sachverhalt, hinsichtlich der die Klägerin eine Tatbestandsberichtigung hätte beantragen müssen, wenn sie aus ihrer Sicht nicht zutrifft (§ 108 FGO; vgl. u.a. BFH-Beschluss vom 27. Januar 2000 VII B 42/99, BFH/NV 2000, 1105, zu II.6. der Gründe). Das gilt auch für solche Tatsachen, die lediglich in den Entscheidungsgründen des Urteils mitgeteilt werden, aber entscheidungserheblich sind (vgl. u.a. BFH-Beschluss vom 26. Oktober 1994 I R 91/93, BFH/NV 1995, 1063, m.w.N.); Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 108 Rz. 2). Mit dem insoweit neuen Sachverhalt, dass diese Aufwendungen auf Betriebsvorrichtungen entfallen seien, kann die Klägerin im vorliegenden Verfahren nicht mehr gehört werden.
Fundstellen
Haufe-Index 1369464 |
BFH/NV 2005, 1261 |