Leitsatz (amtlich)

Wird ein Vorbescheid einem Rechtsanwalt als Prozeßbevollmächtigten zu einem Zeitpunkt zugestellt, in dem er bereits in der Liste der Anwälte gelöscht war, so ist diese Zustellung nicht wirksam.

 

Normenkette

BRAO § 36 Abs. 2; FGO § 62 Abs. 2 S. 2

 

Tatbestand

Die am 29. November 1974 von dem erkennenden Senat erlassenen Vorbescheide wurden dem früheren Prozeßbevollmächtigten der Revisionsklägerin, Rechtsanwalt X, laut Empfangsbekenntnis am 6. Februar 1975 zugestellt. Mit Schriftsätzen vom gleichen Tag, eingegangen beim BFH am 10. Februar 1975, hat dieser jeweils mündliche Verhandlung beantragt und gleichzeitig in der Sache III R 102/73 Anschlußrevision eingelegt. Daraufhin hat der Vorsitzende des III. Senats des BFH am 13. Februar 1975 mündliche Verhandlung auf den 11. April 1975 anberaumt. Laut Empfangsbekenntnis vom 19. Februar 1975 hat der Prozeßbevollmächtigte X die Ladungen zur mündlichen Verhandlung an diesem Tag erhalten.

Erst danach wurde dem BFH bekannt, daß der Prozeßbevollmächtigte X aus der Liste der zugelassenen Rechtsanwälte am 8. Januar 1975 gelöscht worden ist und daß er auch nicht mehr zur Hilfe in Steuersachen befugt ist. Daraufhin wurden die Ladungen zur mündlichen Verhandlung der Revisionsklägerin durch Postzustellungsurkunde am 7. März 1975 unmittelbar zugestellt. Die Beteiligten haben mitgeteilt, daß sie in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten sein werden.

 

Entscheidungsgründe

Gemäß § 62 Abs. 2 Satz 2 FGO sind Bevollmächtigte und Beistände, die geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leisten, ohne dazu nach § 107 a der Reichsabgabenordnung befugt zu sein, zurückzuweisen. Diese Vorschrift gilt nicht unmittelbar für Rechtsanwälte, die in der Liste der Anwälte, bei deren Gericht sie zugelassen sind, gelöscht worden sind. In diesen Fällen greift § 36 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) vom 1. August 1959 (BGBl I 1959, 565) Platz. Gemäß § 36 Abs. 2 BRAO sind Rechtshandlungen, die der Rechtsanwalt v o r seiner Löschung noch vorgenommen hat, nicht deshalb unwirksam, weil er zur Zeit der Vornahme der Handlung die Anwaltstätigkeit nicht mehr ausüben oder vor dem Gericht nicht mehr auftreten durfte. Das gleiche gilt für Rechtshandlungen, die vor der Löschung des Rechtsanwalts ihm gegenüber noch vorgenommen worden sind. Aus dieser Vorschrift folgt für den Streitfall, daß Rechtshandlungen, die n a c h der Löschung des Rechtsanwalts ihm gegenüber noch vorgenommen worden sind, nicht mehr wirksam sind. Im Streitfall wurden die Vorbescheide erst nach der Löschung des Rechtsanwalts X zugestellt. Diese Zustellungen sind somit nicht wirksam erfolgt. Die Vorbescheide sind daher der Revisionsklägerin A erneut zuzustellen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 424406

BStBl II 1975, 713

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge