Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesonderte und einheitliche Feststellung bei Beteiligung an einer sog. Zebragesellschaft
Leitsatz (amtlich)
Die verbindliche Entscheidung über die Einkünfte eines betrieblich an einer vermögensverwaltenden Gesellschaft beteiligten Gesellschafters ist sowohl ihrer Art als auch ihrer Höhe nach durch das für die persönliche Besteuerung dieses Gesellschafters zuständige (Wohnsitz-)Finanzamt zu treffen.
Normenkette
AO 1977 § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 182 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
A. Vorgelegte Rechtsfrage, Sachverhalt und Ausgangsverfahren, Anrufungsbeschluss des IX. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH), Stellungnahmen der Beteiligten
I. Vorgelegte Rechtsfrage
Der IX. Senat des BFH hat mit Beschluss vom 30. Oktober 2002 IX R 80/98 (BFHE 200, 8, BStBl II 2003, 167) dem Großen Senat gemäß § 11 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:
Ist die verbindliche Entscheidung über die Einkünfte eines betrieblich an einer vermögensverwaltenden Gesellschaft beteiligten Gesellschafters ―sowohl ihrer Art als auch ihrer Höhe nach― durch das für die persönliche Besteuerung dieses Gesellschafters zuständige (Wohnsitz-)Finanzamt zu treffen?
II. Sachverhalt des Ausgangsverfahrens
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Einkünfte der verheirateten Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger), die diese im Kalenderjahr 1989 aus Beteiligungen an verschiedenen Grundstücksgesellschaften erzielt haben und die auf der Ebene dieser Gesellschaften jeweils als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.S. des § 21 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) festgestellt worden sind, bei der Einkommensbesteuerung der Kläger als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zugrunde gelegt werden können.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) ging nach einer Außenprüfung davon aus, dass die Einkünfte der Kläger aus den verschiedenen Grundstücksgesellschaften, die auf der Ebene dieser Gesellschaften als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung festgestellt worden waren, im Rahmen der Einkommensbesteuerung der Kläger wegen eines von ihnen betriebenen gewerblichen Grundstückshandels in gewerbliche Einkünfte umzuqualifizieren seien. Das FA setzte die Einkommensteuer für die Veranlagungszeiträume 1989 bis 1991 ―wie bisher― auf 0 DM fest. Es minderte jedoch die verbleibenden Verlustabzüge zum 31. Dezember 1990 und zum 31. Dezember 1991. Die Einkommensteuer für den Veranlagungszeitraum 1992 setzte das FA ―zuletzt durch Änderungsbescheid vom 5. August 1999― auf 430 492 DM fest.
Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen gerichteten Klage durch sein in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 1998, 1682 veröffentlichtes Urteil statt. Es ließ die Frage offen, ob bereits die Grundstücksgesellschaften, an denen die Kläger beteiligt waren, selbst eine gewerbliche Tätigkeit entfaltet haben könnten oder erst die damit zusammenhängende Tätigkeit der Gesellschafter als gewerblich einzustufen sei. Die vom FA ermittelten gewerblichen Einkünfte der Kläger könnten aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht der Einkommensbesteuerung des Jahres 1989 und damit auch weder der Feststellung der verbleibenden Verlustabzüge zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 1990 und zum 31. Dezember 1991 noch der Steuerfestsetzung für das Streitjahr 1992 zugrunde gelegt werden.
Nach dem Urteil des BFH vom 11. Dezember 1997 III R 14/96 (BFHE 185, 177, BStBl II 1999, 401) komme Bescheiden, durch die von einer Personengesellschaft erzielte Einkünfte festgestellt würden, hinsichtlich der Einkünftezuordnung nach Maßgabe des § 2 Abs. 1 EStG keine Bindungswirkung zu, wenn bei einzelnen Gesellschaftern aufgrund außerhalb der Gesellschaft liegender Umstände die Einkünfte abweichend zu qualifizieren seien. Eine verbindliche Entscheidung über die Einkünftezuordnung habe in diesen Fällen nicht das Gesellschafts-FA im Feststellungsverfahren nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung (AO 1977), sondern das für die persönliche Besteuerung des Gesellschafters zuständige FA zu treffen. Der insoweit zu erlassende Bescheid sei Grundlagenbescheid für die vom Gesellschafts-FA verbindlich vorzunehmende Einkünfteermittlung. Die Einkünftefeststellung des Gesellschafts-FA als solche sei ihrerseits Grundlagenbescheid für die Einkommensteuerfestsetzung. Im Streitfall fehle es sowohl an einem von dem Beklagten als für die persönliche Besteuerung der Kläger zuständigen FA erlassenen Einkünftezuordnungsbescheid als auch an einer auf der Grundlage eines solchen Bescheids vorgenommenen Einkünfteermittlung des Beklagten als ebenfalls für die Grundstücksgesellschaften zuständigen Gesellschafts-FA.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
III. Begründung des Vorlagebeschlusses
1. Der IX. Senat beabsichtigt, der Revision zu entsprechen. Nach seiner Ansicht wandeln sich die Beteiligungseinkünfte des Gesellschafters, der an einer vermögensverwaltenden Gesellschaft betrieblich beteiligt ist, außerhalb der sog. Zebragesellschaft in betriebliche Einkünfte um. Dementsprechend blieben die Einkünftequalifizierung nach Maßgabe der außerhalb der Gesellschaft verwirklichten Besteuerungsmerkmale und die darauf aufbauende Ermittlung der von dem Gesellschafter erzielten Einkünfte dem Gesellschafter-FA vorbehalten. Die Vorentscheidung sei aufzuheben und die Klage abzuweisen: Nach den bindenden Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) stehe für den Senat fest, dass die Kläger im Streitfall einen gewerblichen Grundstückshandel betrieben hätten. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Vorlagebeschluss in BFHE 200, 8, BStBl II 2003, 167 verwiesen.
2. Der IX. Senat sieht sich an der von ihm beabsichtigten Entscheidung durch Entscheidungen des I., III., IV. und XI. Senats des BFH gehindert. Nach Auffassung des I. und des IV. Senats sind die Einkünfte des betrieblich an einer vermögensverwaltenden Gesellschaft beteiligten Gesellschafters im Rahmen der gesonderten Feststellung der Einkünfte der Personengesellschaft anteilig in Einkünfte aus Gewerbebetrieb umzuqualifizieren (Urteile vom 31. Juli 1990 I R 3/90, BFH/NV 1991, 285; vom 28. Januar 1975 I R 106/73, BFHE 115, 271, BStBl II 1975, 516; Beschluss vom 4. Oktober 2001 I B 53/01, BFH/NV 2002, 308, sowie Urteile vom 17. Januar 1985 IV R 106/81, BFHE 143, 68, BStBl II 1985, 291; vom 7. Februar 1985 IV R 31/83, BFHE 143, 280, BStBl II 1985, 372; vom 18. Mai 1995 IV R 125/92, BFHE 178, 63, BStBl II 1996, 5; vom 11. Juli 1996 IV R 103/94, BFHE 181, 45, BStBl II 1997, 39; vom 8. Juni 2000 IV R 37/99, BFHE 193, 85, BStBl II 2001, 162, und vom 21. September 2000 IV R 77/99, BFHE 193, 311, BFH/NV 2001, 254). Nach Auffassung des III. Senats des BFH ist in einem mehrstufigen Verfahren zunächst über den Grund der Umqualifizierung vom Gesellschafter-FA im Steuerbescheid für den Gesellschafter zu entscheiden und sodann über die Höhe der umzuqualifizierenden Einkünfte vom Gesellschafts-FA im Feststellungsbescheid für die Gesellschaft (sog. Pingpong-Lösung). Beide Bescheide stünden zueinander in wechselseitiger Abhängigkeit als jeweilige Grundlagen- und Folgebescheide (Urteile in BFHE 185, 177, BStBl II 1999, 401; vom 10. Dezember 1998 III R 61/97, BFHE 187, 526, BStBl II 1999, 390; Beschluss vom 13. Dezember 1999 III B 15/99, BFH/NV 2000, 827). Dem haben sich der XI. Senat (Beschluss vom 4. November 1999 XI B 25/99, BFH/NV 2000, 306) und zwischenzeitlich auch der X. Senat des BFH (Urteil vom 18. September 2002 X R 4/02, BFH/NV 2003, 457) angeschlossen.
Auf Anfrage des vorlegenden Senats haben der I., III., IV. und XI. Senat mitgeteilt, dass sie einer Abweichung von ihren Entscheidungen nicht zustimmen. Der IX. Senat hat deswegen gemäß § 11 Abs. 2 FGO den Großen Senat angerufen.
IV. Stellungnahmen der Beteiligten
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren gemäß § 122 Abs. 2 FGO beigetreten, ohne Anträge zu stellen. Es verteidigt seine Verwaltungspraxis (BMF-Schreiben vom 29. April 1994, BStBl I 1994, 282; s. auch BMF-Schreiben vom 27. Dezember 1996, BStBl I 1996, 1521; vom 8. Juni 1999, BStBl I 1999, 592) und führt im Wesentlichen Folgendes aus:
Eine gesonderte Ermittlung der auf den betrieblich beteiligten Gesellschafter entfallenden Einkünfte im Gewinnfeststellungsverfahren der Gesellschaft nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a i.V.m. § 182 Abs. 1 AO 1977 sei, so wie es das Urteil des BFH in BFHE 185, 177, BStBl II 1999, 401 vorsehe, verfahrensrechtlich nicht zwingend und auch nicht verfahrensökonomisch. Aus der Bindungswirkung des § 182 Abs. 1 AO 1977 könne nicht geschlossen werden, dass das für die Gesellschaft zuständige FA in den Feststellungsbescheid auch solche Angaben einbeziehen müsse, die es sich zuvor bei dem für den Gesellschafter zuständigen FA habe beschaffen müssen. Die Bindungswirkung von Feststellungsbescheiden könne nur so weit gehen, wie die Informationsfunktion des Bescheides reiche. Die gegenläufige, im BFH-Urteil in BFHE 185, 177, BStBl II 1999, 401 vertretene Auffassung werfe schwierige Fragen auf, die Rechtsunsicherheit zur Folge hätten und bei Steuerpflichtigen und Beratern zu Irritationen führten.
Ungeklärt sei insbesondere die Frage, auf welche Weise ―durch einen Einkommensteuerbescheid oder durch einen sog. Einkünftezuordnungsbescheid― das Gesellschafter-FA die Einkunftsart verbindlich feststellen solle. Hierzu seien divergierende Entscheidungen der FG ergangen. Ungeklärt sei ferner die Frage, ob der von dem Gesellschafts-FA zu erlassende Feststellungsbescheid zunächst vorläufig i.S. des § 155 Abs. 2 AO 1977 sein müsse ―so das BFH-Urteil in BFHE 185, 177, BStBl II 1999, 401― oder ob der Bescheid ggf. auch vorläufig i.S. des § 165 AO 1977 erlassen werden könne. Dies würde einerseits eine bessere maschinelle Überwachung durch das FA ermöglichen, andererseits aber auch den Rechtsschutz des Steuerpflichtigen mit Blick auf die Präklusionsvorschrift des § 351 Abs. 2 AO 1977 verbessern. Unklar sei zudem, wie das Gesellschafts-FA den Gewinnanteil eines betrieblich beteiligten Gesellschafters endgültig berechnen könne, obwohl die dort veranlagte Gesellschaft nicht zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG verpflichtet sei, vielmehr sich das notwendige Zahlenmaterial lediglich aus der Buchführung des ―beim Gesellschafter-FA veranlagten― Gesellschafters ergebe.
Das FA hat sich dem angeschlossen.
Die Kläger haben sich zur Sache nicht mehr geäußert.
Entscheidungsgründe
B. Entscheidung des Großen Senats über die Verfahrensfragen
Der Große Senat entscheidet gemäß § 11 Abs. 7 Satz 2 FGO ohne mündliche Verhandlung, weil eine weitere Förderung der Sache durch eine mündliche Verhandlung nicht zu erwarten ist. Keiner der Beteiligten hat mündliche Verhandlung beantragt.
Die Vorlage an den Großen Senat ist zulässig. Sie erfüllt die Voraussetzungen der Divergenzanfrage i.S. des § 11 Abs. 3 FGO: Der IX. Senat will von den zitierten Urteilen des I., III., IV. und XI. Senats in einem entscheidungserheblichen Punkt abweichen. Er hat bei diesen Senaten gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 FGO angefragt; die betreffenden Senate haben hiernach erklärt, sie hielten an ihrer entgegenstehenden Rechtsprechung fest. Dass der IX. Senat auch von dem kurz vor dem Anfragebeschluss vom 30. Oktober 2002 ergangenen Urteil des X. Senats in BFH/NV 2003, 457 abweicht, der sich ―wenn auch mit Vorbehalten― ebenfalls dem III. Senat angeschlossen hat, berührt nicht die Zulässigkeit der Vorlage, denn es bestehen Divergenzen zu den anderen Senaten und bei diesen wurde erfolglos angefragt (vgl. Sunder-Plassmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler ―HHSp―, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 11 FGO Rz. 99; Brandis in Tipke/ Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 11 FGO Tz. 9).
C. Entscheidung des Großen Senats über die vorgelegte Rechtsfrage
Der Große Senat teilt die Auffassung des vorlegenden Senats. Die verbindliche Entscheidung über die Einkünfte eines betrieblich an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft beteiligten Gesellschafters ist sowohl ihrer Art als auch der Höhe nach durch das für die persönliche Besteuerung dieses Gesellschafters zuständige FA und nicht durch das für die Besteuerung der Gesellschaft zuständige FA zu treffen.
1. Nach § 179 Abs. 2 Satz 2, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 in der für die Streitjahre geltenden Fassung werden einkommensteuerpflichtige Einkünfte gesondert und einheitlich festgestellt, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt und die Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen sind. Nach diesen Vorschriften sind insbesondere die von einer Personengesellschaft erzielten Einkünfte sowie deren Verteilung auf die Gesellschafter im Wege der gesonderten und einheitlichen Feststellung zu erfassen (BFH-Urteil in BFHE 193, 311, BFH/NV 2001, 254, m.w.N.). Im Rahmen dieser Feststellung ist auch über die Art der erzielten Einkünfte zu entscheiden.
Im Bereich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ist eine gesonderte und einheitliche Feststellung vorzunehmen, wenn mehrere Personen gemeinschaftlich den Tatbestand der Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) verwirklichen und dadurch Einkünfte erzielen, sei es in der Form einer Gesamthands- oder einer Bruchteilsgemeinschaft (BFH-Urteil vom 26. Januar 1999 IX R 17/95, BFHE 188, 53, BStBl II 1999, 360, m.w.N.). Im Streitfall hat das FA für die verschiedenen Grundstücksgesellschaften, an denen die Kläger beteiligt waren, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung einheitlich und gesondert festgestellt und den Beteiligten zugerechnet. Die Feststellungsbescheide sind bestandskräftig; die in den Bescheiden enthaltenen Feststellungen sind als Besteuerungsgrundlagen bindend, soweit die Bindungswirkung des § 182 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 reicht.
2. Die einkommensteuerrechtliche Qualifizierung der Einkünfte von Gesellschaftern einer Personengesellschaft hängt grundsätzlich davon ab, welche Einkunftsart durch die Tätigkeit der Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit, mithin durch die Tätigkeit der Gesellschaft verwirklicht wird (BFH-Beschluss vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter C. III. 3. a; BFH-Urteil in BFHE 193, 311, BFH/NV 2001, 254). Die Beteiligung eines oder mehrerer gewerblich tätiger Gesellschafter an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft führt zwar nicht dazu, dass die Tätigkeit dieser sog. Zebragesellschaft insgesamt als gewerblich anzusehen wäre (BFH-Beschluss in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter C. III. 3. b bb). Wird ein Gesellschaftsanteil an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft von einem Gesellschafter im gewerblichen Betriebsvermögen gehalten, führt dies jedoch dazu, dass die Anteile dieses Gesellschafters an den Wirtschaftsgütern der Gesellschaft bei ihm Betriebsvermögen sind. Sie sind diesem Gesellschafter getrennt zuzurechnen und ―unbeschadet der Einkünftequalifizierung bei der Gesellschaft― sind die Gewinne aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern durch die Personengesellschaft bei ihm anteilig zu erfassen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 185, 177, BStBl II 1999, 401, unter II. 1. b cc).
3. Ist an einer vermögensverwaltenden Gesellschaft ein Gesellschafter betrieblich beteiligt, wandeln sich bei dem Gesellschafter die ihm zuzurechnenden Beteiligungseinkünfte in betriebliche Einkünfte um.
a) Der vorlegende Senat ist der Ansicht, diese Umqualifizierung vollziehe sich außerhalb der "Zebragesellschaft". Auf der Ebene der vermögensverwaltenden Personengesellschaft sei eine solche Umqualifizierung nicht möglich, weil die Art der Einkünfte einer Personengesellschaft durch die Tätigkeit der Gesellschaft bestimmt werde und die Gesellschafter insoweit lediglich Einkünfte aus einer bestimmten (Überschuss-)Einkunftsart erzielt hätten (BFH-Urteil vom 20. November 1990 VIII R 15/87, BFHE 163, 66, BStBl II 1991, 345; BFH-Beschluss in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter C. III. 3. a). Daran ändere sich auch dann nichts, wenn sich diese Überschusseinkünfte materiell-rechtlich in der Hand eines betrieblich beteiligten Gesellschafters als Gewinnbestandteil seines Betriebs darstellten (ebenso z.B. Frotscher in Schwarz, Kommentar zur Abgabenordnung, § 180 Rz. 43; Kunz in Beermann/Gosch, Steuerliches Verfahrensrecht, Kommentar, § 180 AO Rz. 46.1; dieselbe, Betrieb und Wirtschaft ―BuW― 2003, 273, Die Steuerberatung ―Stbg― 2003, 149; von Wedelstädt, BuW 2000, 575, 583; Kohlhaas, Deutsches Steuerrecht ―DStR― 1999, 1722; Söffing, Der Betrieb ―DB― 1998, 896; Paus, Finanz-Rundschau ―FR― 1998, 696; Carlé/Bauschatz in Korn, Einkommensteuergesetz, § 15 Rz. 502 ff., 509 ff.; Zähle, DStR 2003, 1328; ähnlich auch von Groll in HHSp, § 175 AO Rz. 146 ff.). Der IX. Senat widerspricht damit jenen Stimmen im Schrifttum, wonach die Gewinnanteile an den Einkünften der Personengesellschaft verfahrensrechtlich auch dann einheitlich und gesondert festzustellen sind, wenn die Personengesellschaft mit ihrer Tätigkeit nur Überschusseinkünfte erzielt (z.B. Reiß in Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 5. Aufl., § 15 Rn. 466 ff.; Groh, DB 1984, 2373; 1987, 1006, 1012; s. auch Schulze-Osterloh, Deutsche Steuer-Zeitung ―DStZ― 1985, 315, 319; Herzig/Kessler, DB 1985, 2476, 2479 f.; Woerner, Betriebs-Berater ―BB― 1985, 1053; Korn, Kölner Steuerdialog ―KÖSDI― 1985, 6014, 6015; Herrmann, Steuer und Wirtschaft ―StuW― 1989, 97, 101; Schmidt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 15. Aufl., § 15 Rz. 201 ff.; Heuer in Herrmann/Heuer/Raupach ―HHR―, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 6 EStG Anm. 836; ähnlich Uelner in Knobbe-Keuk/Klein/Moxter, Handelsrecht und Steuerrecht, Festschrift für Döllerer, 1988, 661, 675).
b) Der Große Senat schließt sich dem vorlegenden IX. Senat an.
aa) Die Vorschriften der § 179 Abs. 2 Satz 2, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 bezwecken, in verfahrensrechtlich gestufter und abschichtender Weise die notwendigen Entscheidungen verbindlich vorzugeben, um auf dieser Grundlage die Folgebescheide erlassen zu können. In diesem Zusammenhang erfordert der Wortlaut des § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 eine Beteiligung an "den Einkünften", worunter der IX. Senat zu Recht die "nämlichen Einkünfte" der Personengesellschaft versteht. Auch wenn danach für die einkommensteuerrechtliche Qualifizierung der Einkünfte der Gesellschafter einer Personengesellschaft grundsätzlich maßgeblich ist, welche Einkunftsart durch die Tätigkeit der Gesellschaft, d.h. der Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit verwirklicht wird, so folgt daraus nicht, dass es sich bei den Einkünften der Gesellschafter um die Einkünfte der "von der Personengesellschaft verwirklichten Einkunftsart" handeln muss. § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 setzt lediglich voraus, dass mehrere Personen gemeinschaftlich steuerpflichtige Einkünfte erzielen. Die Einkünfte der beteiligten Gesellschafter können anteilig einer anderen Einkunftsart zuzuordnen und unterschiedlich zu qualifizieren sein. Das ändert jedoch nichts an der lediglich begrenzten verfahrensrechtlichen Reichweite der Feststellungswirkung gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977, die sich stets nur auf die gemeinschaftlich verwirklichten Tatbestandsmerkmale bezieht, nicht aber auf solche außerhalb der Beteiligung im Bereich der persönlichen Einkünfteerzielung. Diese Tatbestandsmerkmale treten vielmehr zu den verbindlich festgestellten Besteuerungsgrundlagen im Bereich der persönlichen Tatbestandsverwirklichung des Gesellschafters hinzu. Sie gehören nicht in den Regelungsbereich des Grundlagenbescheids, sondern in jenen des Folgebescheids. Die bei Beteiligung an einer sog. Zebragesellschaft erforderliche Umqualifizierung im Einkommensteuerbescheid des Gesellschafters berührt also nicht die Grundlagenentscheidung. "Diese wird weiterhin als richtig anerkannt, erscheint nur auf der Ebene des Gesellschafters im Zusammenhang mit den genannten, außerhalb des Regelungsbereichs des Grundlagenbescheids liegenden Umständen in einem 'anderen Licht'" (so von Groll in HHSp, § 175 AO Rz. 148; s. insoweit einschränkend auch BFH-Urteil in BFHE 181, 45, BStBl II 1997, 39, 41; Frotscher in Schwarz, a.a.O., § 180 Rz. 43). Die Entscheidung über Art und Höhe der betreffenden Einkünfte, die von außerhalb der Gesellschaft verwirklichten Tatbestandsmerkmalen abhängig sind, muss deswegen auf der Ebene des Gesellschafters erfolgen.
bb) Diese Auslegung entspricht zudem den rechtlichen Wertungen, die dem Steuergeheimnis zugrunde liegen (vgl. § 30 AO 1977). Allerdings hat der Gesellschafter das Risiko des Bekanntwerdens seiner Verhältnisse ―bedingt durch seine Beteiligung an der Gesellschaft― selbst auf sich genommen. Insofern verhält es sich nicht anders als beispielsweise im Hinblick auf die (persönlichen) Sonderbetriebsausgaben und -einnahmen (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG), die ebenfalls ungeachtet des Schutzzwecks des Steuergeheimnisses in die einheitliche und gesonderte Feststellung eingehen (ständige Rechtsprechung zu den Nachweisen s. z.B. Söhn in HHSp, § 180 AO Rz. 151; s. allgemein Alber in HHSp, § 30 AO Rz. 74 ff.; Rüsken in Klein, Abgabenordnung, Kommentar, 8. Aufl., § 30 Rz. 44 f.); die Gesellschafter sind im Gewinnfeststellungsverfahren keine Dritten (vgl. BFH-Urteil vom 15. Juni 2004 VIII R 7/02, BFHE 206, 388, BStBl II 2004, 914). Dementsprechend lässt § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 seit 1995 ausdrücklich die Einbeziehung solcher (anderer) Besteuerungsgrundlagen in das Feststellungsverfahren zu, die mit den betreffenden Einkünften im Zusammenhang stehen (vgl. dazu Söhn in HHSp, § 180 AO Rz. 151 ff., 154). Für Beteiligungen an sog. Zebragesellschaften gilt dies jedoch nicht, weil die persönlichen Verhältnisse, die zur anteiligen Umqualifizierung der Einkünfte führen, gerade in keinem Zusammenhang mit der Beteiligung stehen. Anders als Sonderbetriebseinnahmen und -ausgaben werden diese persönlichen Verhältnisse auch nicht durch eine materiell-rechtliche Vorschrift ausdrücklich den Beteiligungseinkünften zugeordnet. Mithin wird die einschränkende Auslegung des § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 den mit dem Steuergeheimnis verbundenen Zielsetzungen am ehesten gerecht (ebenso Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 30 AO Tz. 17, 20; Brandis, a.a.O., § 180 AO Tz. 60 ff. unter Hinweis auf das verfassungsrechtliche Übermaßverbot; Kohlhaas, DStR 1997, 93, 96; derselbe, DStR 1998, 1458, 1460).
cc) Die Auffassung des Großen Senats entspricht schließlich einerseits dem Ordnungszweck des Feststellungsverfahrens, verbindliche Entscheidungsvorgaben für alle (materiell-rechtlich) an der Einkunftsquelle Beteiligten zu liefern und divergierende Entscheidungen der Finanzämter möglichst auszuschließen. Sie verhindert andererseits eine unnötige Verkomplizierung der Rechtsanwendung, insbesondere für jene Sachverhalte, bei denen Gesellschafts-FA und Wohnsitz-Finanzamt nicht identisch sind und überdies ―wie z.B. häufig bei Immobilien-Fonds― eine Vielzahl von Gesellschaftern mit unterschiedlichen Einkünften beteiligt ist. Hier würde die Einbeziehung der persönlich vom jeweiligen Gesellschafter verwirklichten Tatbestandsmerkmale das Gesellschafts-FA nötigen, sich die notwendigen Informationen bei den Wohnsitz-Finanzämtern zu beschaffen. Das aber ist vor allem bei mittelbar gehaltenen Beteiligungsketten kaum durchführbar. Vergleichbare Schwierigkeiten ergeben sich namentlich in den Fällen des gewerblichen Grundstückshandels, bei denen die Qualifizierung der Einkünfte häufig und vor allem dann streitig ist, wenn einzelne Gesellschafter an mehreren vermögensverwaltenden Gesellschaften beteiligt sind und erst infolge der Anzahl dieser Beteiligungen in Verbindung mit Grundstücksveräußerungen durch einzelne Gesellschaften einen Gewerbebetrieb unterhalten. Hingegen bereitet es dem Wohnsitz-Finanzamt in der Regel keine größeren Schwierigkeiten, sich notwendige Informationen bei dem Gesellschafts-FA zu beschaffen. Vor diesem Hintergrund hat die Auslegung des § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 durch den Großen Senat den Vorteil der größeren Praktikabilität und Verfahrensökonomie.
4. Allerdings wären diese Verfahrensziele möglicherweise besser durch wechselbezügliche verbindliche Feststellungen zu erreichen, wie sie im Wege einer teleologischen Auslegung der III. Senat (und dem folgend der X. Senat) des BFH für geboten hält (Urteile in BFHE 185, 177, BStBl II 1999, 401; in BFH/NV 2003, 457). Hervorgehoben wird hierbei namentlich der Aspekt der besonderen Sachnähe der jeweiligen Finanzämter (Brandis in Tipke/Kruse, a.a.O., § 180 AO Tz. 57; Brockmeyer in Klein, a.a.O., § 180 Rz. 10). Unproblematische und unumstrittene Sachverhalte, welche "ein unnötiges lediglich formales Hin und Her zwischen Wohnsitz-FA und Gesellschafts-FA" nicht erforderten, ließen sich leicht durch Anwendung des § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 bewältigen (so Brockmeyer in Klein, a.a.O., § 180 Rz. 10 und 38). Der Große Senat stimmt indes dem vorlegenden IX. Senat darin zu, dass es für derartige korrespondierende Feststellungen an den unerlässlichen Rechtsgrundlagen fehlt.
a) Abgestufte (mehrstufige) Steuerverwaltungsverfahren bedürfen zwingend gesetzlicher Regelungen: "Der Rechtsgrund der Bindungswirkung ist immer das Gesetz. Die Bindung muss durch das Gesetz ausdrücklich angeordnet sein" (so Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 171 AO Tz. 90 unter Hinweis auf die BFH-Urteile vom 18. April 1980 III R 34/78, BFHE 130, 441, BStBl II 1980, 683, 685, und vom 30. September 1981 II R 105/81, BFHE 134, 192, BStBl II 1982, 80). Das ist ein Gebot der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gemäß Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (s. auch BFH-Urteile vom 10. Juni 1988 III R 232/84, BFHE 154, 68, BStBl II 1988, 981, 983; vom 28. Januar 2004 I R 84/03, BFHE 205, 1, BStBl II 2004, 539; Frotscher in Schwarz, a.a.O., vor § 179 Rz. 16 und § 180 Rz. 41; Reiß in Kirchhof, a.a.O., § 15 Rn. 471; Ruban in HHSp, § 171 AO Rz. 111; von Groll in HHSp, § 175 AO Rz. 107; von Wedelstädt in Beermann/Gosch, a.a.O., § 175 AO Rz. 5 und 6.1; Koenig in Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, § 179 Rz. 10; Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 21 Rz. 124, jeweils zum abgabenrechtlichen Verfahren; Meyer in Knack, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Aufl., § 45 Rz. 38 ff.; Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Aufl., § 9 Rz. 43, jew. zum allgemeinen Verwaltungsverfahren). In Einklang damit werden Besteuerungsgrundlagen nach § 179 Abs. 1 AO 1977 durch Feststellungsbescheid nur dann gesondert festgestellt, "soweit dies in diesem Gesetz oder sonst in den Steuergesetzen bestimmt ist". Die sonach gebotene und unverzichtbare Rechtsgrundlage kann nicht durch allgemeine Zweckmäßigkeitserwägungen oder vergleichbare sinnvolle Überlegungen ersetzt werden (BFH-Urteil in BFHE 154, 68, BStBl II 1988, 981, 983). Es erscheint gleichermaßen als zu weitgehend (s. Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 171 AO Tz. 90; Rüsken in Klein, a.a.O., § 171 Rz. 102), zumindest aber als zweifelhaft, eine Grundlagenwirkung auch ohne gesetzlich angeordnete Bindungswirkung für möglich zu halten, "wo Sachverhalte zu beurteilen sind, die die Finanzbehörde mangels eigener Sachkunde nicht selbst nachzuprüfen vermag" (so der III. Senat des BFH im Urteil vom 13. Dezember 1985 III R 204/81, BFHE 145, 545, BStBl II 1986, 245; s. auch Beschluss vom 27. Mai 1998 III B 22/98, BFH/NV 1998, 1474).
b) Weder aus der Abgabenordnung noch dem Einkommensteuergesetz ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass dem Einkommensteuerbescheid des Gesellschafters Grundlagenwirkung für den Feststellungsbescheid zukäme. Es fehlt an der erforderlichen gesetzgeberischen Verfahrensentscheidung. § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 sieht im Gegenteil eine gesonderte Feststellung von Einkünften und nicht die gesonderte Feststellung eines einzelnen Besteuerungsmerkmals wie die Zuordnung der von dem Steuerpflichtigen erzielten Einkünfte zu einer bestimmten Einkunftsart vor (so ausdrücklich auch der III. Senat in BFHE 185, 177, BStBl II 1999, 401). Auch wenn man diese gesetzliche Vorgabe ―mit dem III. Senat― in ihrer Reichweite als unzulänglich ansieht, lässt sich dem nicht mittels Auslegung begegnen. Dass "die materiell-rechtlichen Vorschriften, …, mit den verfahrensrechtlichen Erfordernissen, …, anders als durch eine Wechselbezüglichkeit der vorgenannten Bescheide nicht zuverlässig in Einklang zu bringen sind" (so der III. Senat in BFHE 185, 177, BStBl II 1999, 401), ändert daran nichts. Es bedarf der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung der wechselseitigen Bindungswirkung. Sie fehlt für das sog. Pingpong-Verfahren.
D. Entscheidung des Großen Senats
Der Große Senat entscheidet die ihm vorgelegte Rechtsfrage wie folgt:
Die verbindliche Entscheidung über die Einkünfte eines betrieblich an einer vermögensverwaltenden Gesellschaft beteiligten Gesellschafters ist sowohl ihrer Art als auch ihrer Höhe nach durch das für die persönliche Besteuerung dieses Gesellschafters zuständige (Wohnsitz-)Finanzamt zu treffen.
Fundstellen
Haufe-Index 1385324 |
BFH/NV 2005, 1648 |
BStBl II 2005, 679 |
BFHE 2005, 399 |
BFHE 209, 399 |
BB 2005, 1670 |
BB 2005, 2056 |
DB 2005, 1607 |
DStR 2005, 1274 |
DStRE 2005, 1048 |
DStZ 2005, 546 |
HFR 2005, 813 |