Entscheidungsstichwort (Thema)
Richterablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit
Leitsatz (NV)
1. Bei der Prüfung, ob die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit berechtigt ist, kommt es darauf an, ob die für die Ablehnung maßgebliche Einstellung des Richters zumindest auch im Verhältnis zu der allein ablehnungsberechtigten Partei und nicht nur gegenüber dem Prozeßbevollmächtigten in Erscheinung tritt.
2. Das berechtigte Bemühen des Berichterstatters zu ermitteln, inwieweit wirksame Prozeßvollmachten vorliegen, begründet nicht die Besorgnis der Befangenheit.
Normenkette
FGO §§ 51, 62 Abs. 3; ZPO § 42 Abs. 2, § 44 Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin, Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist Gesellschafterin der A/B Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GdbR) und der B GdbR, die ihrerseits neben anderen Beteiligte der Bauherrengemeinschaft C sind.
Die Steuerberater D (der Verfahrensbevollmächtigte im vorliegenden Verfahren) und E erhoben namens der Mitglieder dieser Bauherrengemeinschaft Klage gegen den Feststellungsbescheid für 1981. Sie legten zunächst nur eine von der Klägerin für die F als Treuhänderin unterzeichnete Prozeßvollmacht vor, auf Aufforderung des Finanzgerichts (FG), Prozeßvollmachten aller Kläger vorzulegen, später eine ebenfalls von der Klägerin unterschriebene Vollmacht für die B GdbR. Nachdem der als Berichterstatter des zuständigen FG-Senats bestimmte Richter am FG X den Steuerberatern gemäß Art. 3 § 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFGEntlG) eine Frist bis 1. Oktober 1990 zur Vorlage von Vollmachten für alle Kläger bzw. zur Vorlage des Gesellschaftsvertrags der B GdbR gesetzt hatte, übersandten die Steuerberater jeweils von der Klägerin und weiteren zwei Personen unterzeichnete Vollmachten der beiden GdbR und erneut eine von der Klägerin für die F unterschriebene Vollmacht.
Mit Schreiben vom 10. August 1992 unterrichtete der Berichterstatter die Kläger, für die noch keine persönlich ausgestellte Vollmacht vorgelegt worden war, über das anhängige Verfahren, die in ihrem Fall erfolglose Aufforderung zur Vorlage einer Prozeßvollmacht und die vom Beklagten, Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt - FA -) nicht geteilte Auffassung der Steuerberater, der Treuhandvertrag ermächtige zu der Prozeßführung. Mit der Begründung, eine Prozeßvollmacht könne jederzeit widerrufen werden, fragte er an, ob die Adressaten des Schreibens, von dem die Steuerberater einen Abdruck erhielten, mit der Prozeßführung durch die F bzw. die Steuerberater einverstanden seien.
Aufgrund des Schreibens vom 10. August 1992 lehnte der Verfahrensbevollmächtigte im Beschwerdeverfahren Richter am FG X wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Zur Begründung führte er aus, die Adressaten des Schreibens würden aufgrund der darin enthaltenen zu knappen Ausführungen voraussichtlich die Klagevollmacht nicht bestätigen, zumal der Sachverhalt für sie wirtschaftlich völlig uninteressant sei. Es gehe dem Berichterstatter um einen Schutz des FA vor einer strafrechtlichen Klärung der Angelegenheit. Das Berichterstatterschreiben gebe unrichtige Informationen. Die Vollmacht im Treuhandvertrag enthalte keine Prozeßvollmacht für das finanzgerichtliche Verfahren, sondern nur die Ermächtigung zur Erteilung einer solchen Vollmacht.
Das FG wies den Ablehnungsantrag unter Mitwirkung von Richter am FG X zurück. Zur Begründung führte das FG aus, der Antrag sei offensichtlich unzulässig, weil sich das gerügte Verhalten allein auf die Person des Prozeßbevollmächtigten beziehe.
Hiergegen erhob der Verfahrensbevollmächtigte Beschwerde, ohne diese jedoch zu begründen. Er stellte klar, daß die Beschwerde für die Beschwerdeführerin als Gesellschafterin der A/B GdbR eingelegt worden sei.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist unbegründet.
a) Der Senat braucht nicht zu prüfen, ob Richter am FG X bei der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch mitwirken durfte (vgl. hierzu Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. März 1992 VIII B 31/91, BFH/NV 1992, 619). Selbst wenn das FG nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen sein sollte, müßte die Vorentscheidung allein deswegen nicht aufgehoben werden. Als zur Ermittlung des Sachverhalts und dessen Würdigung auch in tatsächlicher Hinsicht befugtes Beschwerdegericht darf der Senat vielmehr in der Sache selbst entscheiden (BFH-Beschluß vom 26. September 1989 VII B 75/89, BFH/NV 1990, 514 m.w.N.).
b) Gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 42 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Entscheidendes Kriterium für die Richterablehnung ist, daß der Beteiligte bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlaß hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluß vom 21. November 1991 V B 157/91, BFH/NV 1992, 479). Dabei kommt es darauf an, daß die für die Ablehnung maßgebliche Einstellung des Richters zumindest auch im Verhältnis zu der allein ablehnungsberechtigten Partei und nicht nur gegenüber dem Prozeßbevollmächtigten in Erscheinung tritt. Denn der Prozeßbevollmächtigte selbst hat aus Gründen, die in seiner Person liegen, kein Recht, Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen (BFH-Beschluß in BFH/NV 1990, 514 m.w.N.).
Das Berichterstatterschreiben vom 10. August 1992 rechtfertigt nicht die Schlußfolgerung, Richter am FG X könnte der Klägerin gegenüber voreingenommen sein. Das Bemühen des Berichterstatters zu ermitteln, inwieweit wirksame Prozeßvollmachten vorliegen, war berechtigt (vgl. § 62 Abs. 3 FGO). Außerdem wurde dadurch die wirkame Vollmachtserteilung der Klägerin nicht in Frage gestellt.
Eine dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters über den Ablehnungsgrund (§ 51 FGO i.V.m. § 44 Abs. 3 ZPO) braucht unter diesen Umständen nicht mehr eingeholt zu werden. Die als Begründung des Ablehnungsgesuchs angeführten Umstände sind aktenkundig.
Fundstellen
Haufe-Index 419203 |
BFH/NV 1994, 378 |