Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Darlegung der Divergenz
Leitsatz (NV)
1. Eine Divergenz in der Würdigung von Tatsachen genügt nicht für die Zulassung der Revision.
2. Es liegt keine Divergenz vor, wenn das FG von den Rechtsgrundsätzen der BFH-Rechtsprechung ausgeht, diese aber fehlerhaft auf die Besonderheiten des Einzelfalles anwendet.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2
Verfahrensgang
FG München (Urteil vom 08.02.2006; Aktenzeichen 3 K 4969/03) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) machte Vorsteuerbeträge aus Rechnungen einer Firma A.M. Service (A.M.), deren Inhaberin A. M. war, geltend. Anlässlich einer Wohnungs- und Firmensitzüberprüfung durch das Polizeipräsidium X vom 28. September 2000 wurde festgestellt, dass ein Betriebssitz der Firma A.M. an der auf den Rechnungen angegebenen Adresse zu keinem Zeitpunkt bestanden hatte.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) ließ daraufhin den Vorsteuerabzug aus Rechnungen der A.M. in Höhe von 24 794,72 DM (= 12 677,34 €) nicht zum Abzug zu.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Finanzgericht (FG) im Wesentlichen aus, die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug seien nicht erfüllt, weil die Angaben in den Rechnungen nicht die eindeutige und leicht nachprüfbare Identifizierung der abgerechneten Leistung ermöglichten. Die für Gebäudereinigungen angegebenen Pauschalpreise eröffneten nicht die Möglichkeit, die abgerechneten Leistungen hinsichtlich ihres Umfanges zu überprüfen. Das gelte umso mehr, "als offenbar für identische Leistungen pauschal verschiedene Summen abgerechnet wurden".
Darüber hinaus seien die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug auch deshalb nicht erfüllt, weil der in den Rechnungen angegebene Firmensitz bei Ausführung der Leistungen und bei Rechnungserteilung nicht bestanden habe.
Mit der Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision und macht geltend, die Revision sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und das Urteil des FG leide unter Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
Zur Begründung der Beschwerde trägt sie im Wesentlichen vor, das Urteil des FG weiche von den Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 24. September 1987 V R 50/85 (BFHE 153, 65, BStBl II 1988, 688) und vom 12. Dezember 1996 V R 16/96 (BFH/NV 1997, 717) ab. Im Urteil in BFHE 153, 65, BStBl II 1988, 688 habe der BFH entschieden, die Angaben in der Rechnung müssten, ggf. unter Heranziehung weiterer Erkenntnismittel, die Identifizierung des Leistungsgegenstandes ermöglichen. Von diesen Grundsätzen weiche die Entscheidung des FG ab, wenn es die Auffassung vertrete, die streitgegenständlichen Rechnungen würden hinsichtlich der Angaben über den Leistungsgegenstand den Anforderungen des § 14 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) nicht genügen. Die Auffassung des FG, dass die abgerechneten Leistungen nicht hinsichtlich ihres Umfangs leicht und eindeutig nachprüfbar seien, sei unzutreffend.
Das Urteil des FG weiche auch von dem Urteil des BFH in BFH/NV 1997, 717 ab. Ebenso wie in dem in der Divergenzentscheidung entschiedenen Sachverhalt komme auch vorliegend kein anderer Leistungsgegenstand in Betracht als der in den Rechnungen abgerechnete.
Die Klägerin macht darüber hinaus Divergenz zum Urteil des BFH vom 27. Juni 1996 V R 51/93 (BFHE 181, 197, BStBl II 1996, 620) geltend. Danach könne auch ein "Briefkasten-Sitz" mit postalischer Erreichbarkeit des Unternehmers als Adresse auf der Rechnung ausreichen. Das FG wende dieses Urteil vorliegend nur deshalb nicht an, weil es sich bei der Rechnungsausstellerin um keine juristische Person gehandelt habe. Das widerspreche den Grundsätzen der Divergenzentscheidung.
Das Urteil des FG leide darüber hinaus an Verfahrensfehlern, weil das Gericht seine Verpflichtung zur Sachaufklärung aus § 76 FGO verletzt habe. Sie, die Klägerin, habe in der mündlichen Verhandlung beantragt, Beweis darüber zu erheben, ob zwischen der Rechnungsausstellerin und verschiedenen Behörden Schriftverkehr unter der streitgegenständlichen Adresse geführt worden sei. Die polizeiliche Nachschau am 28. September 2000 habe allenfalls ergeben, dass zu diesem Zeitpunkt kein Firmensitz der A.M. und kein Wohnsitz der Frau M. mehr bestanden habe. Über frühere Zeiträume besage die Nachschau nichts.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Die Nichtzulassung kann mit der Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
1. Es liegt keine die Rechtseinheit gefährdende Abweichung vor. Die Klägerin hat hinsichtlich der von ihr behaupteten Divergenz zu den Urteilen des BFH in BFHE 153, 65, BStBl II 1988 und in BFH/NV 1997, 717 keine tragenden und abstrakten Rechtssätze aus dem FG-Urteil herausgearbeitet, die zu den tragenden Rechtssätzen der BFH-Entscheidungen im Widerspruch stehen. Das aber wäre für die Darlegung der Divergenz erforderlich gewesen (BFH-Beschlüsse vom 29. Mai 2006 V B 159/05, BFH/NV 2006, 1892; vom 4. August 2006 V B 163/04, juris; vom 3. November 2005 V B 9/04, BFH/NV 2006, 248; vom 24. August 2006 V B 36/05, BFH/NV 2007, 69). Die Klägerin trägt lediglich vor, dass das FG-Urteil von den Grundsätzen der in Bezug genommenen BFH-Entscheidungen abweiche und dass die Würdigung des FG unzutreffend sei. Dieser Vortrag führt nicht zur Zulassung der Revision, weil eine Divergenz in der Würdigung von Tatsachen nicht genügt (BFH-Beschlüsse vom 4. August 1993 II B 175/92, BFH/NV 1994, 718; vom 22. August 2006 V B 59/04, juris) und auch keine Divergenz vorliegt, wenn das FG erkennbar von den Rechtsgrundsätzen der BFH-Rechtsprechung ausgeht, diese aber fehlerhaft auf die Besonderheiten des Einzelfalles anwendet (BFH-Beschlüsse vom 22. Mai 2000 III B 97/99, BFH/NV 2000, 1203; vom 17. Mai 2000 III B 26/00, BFH/NV 2000, 1352; vom 25. Mai 2000 V B 55/00, BFH/NV 2000, 1482; vom 22. August 2006 V B 59/04, juris).
2. Die Klägerin rügt auch das Vorliegen eines Verfahrensmangels ohne Erfolg. Verfahrensmängel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO sind Verstöße des FG gegen Vorschriften des Verfahrensrechts. Ein derartiger Verstoß liegt nicht vor. Insbesondere ist kein Verfahrensmangel darin zu sehen, dass das FG keine Beweisaufnahme zu der Frage durchgeführt hat, ob Frau M. an der in den Rechnungen angegebenen Adresse einen Firmen- oder Wohnsitz unterhalten hat. Das FG hat sein Urteil auf mehrere selbständig tragende Gründe gestützt. In diesem Fall muss der Zulassungsgrund hinsichtlich aller tragenden Begründungen vorliegen (BFH-Beschlüsse vom 6. Oktober 2003 VII B 130/03, BFH/NV 2004, 215; vom 9. Dezember 2004 V B 85/04, BFH/NV 2005, 712). Das FG hat sein Urteil in erster Linie mit den aus seiner Sicht unzureichenden Leistungsbeschreibungen in den Rechnungen gestützt. Bei Zugrundelegung dieses materiell-rechtlichen Standpunktes des FG kommt es auf die Frage des Firmensitzes der Rechnungsausstellerin nicht mehr an. Es stellt keinen Verfahrensfehler dar, wenn das FG zu einer aus seiner Sicht letztlich nicht entscheidungserheblichen Frage die von der Klägerin angebotenen Beweise nicht erhebt (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 79, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung).
Fundstellen