Entscheidungsstichwort (Thema)
Einwendungen gegen Richtigkeit des FG-Tatbestandes; Zweifel an der Richtigkeit des Protokolls
Leitsatz (NV)
1. Einwendungen gegen die Richtigkeit des im FG-Urteil festgestellten Tatbestandes sind nicht als Verfahrensmangel im Nichtzulassungsbeschwerde-Verfahren zu rügen, sondern müssen gegebenenfalls zum Gegenstand eines Antrags auf Tatbestandsberichtigung gemacht werden.
2. Eine Protokollberichtigung kann grundsätzlich nur durch das FG vorgenommen werden.
3. Zweifelt der Beschwerdeführer im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des FG, die im Protokoll der mündlichen Verhandlung festgehalten sind, so muss er u.a. auch darlegen, warum er von der Möglichkeit der Protokollberichtigung keinen Gebrauch gemacht hat.
4. Das FG verletzt nicht das rechtliche Gehör, wenn es nicht auf alle Einzelheiten des vorgetragenen Sachverhaltes eingeht.
Normenkette
FGO §§ 94, 107-108, 115 Abs. 2 Nr. 3, § 119 Nr. 6; ZPO § 160 Abs. 4, § 164 Abs. 1
Verfahrensgang
Niedersächsisches FG (Urteil vom 05.02.2004; Aktenzeichen 5 K 478/98) |
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegt nicht vor, soweit sich die Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit des Urteils des Finanzgerichts (FG) richten.
2. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) stellt im Sitzungsprotokoll und --damit übereinstimmend-- im Tatbestand wiedergegebenes Vorbringen des Vertreters des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) als unzutreffend dar.
a) Einwendungen gegen die Richtigkeit des im Urteil des FG festgestellten Tatbestandes sind nicht als Verfahrensmangel im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren zu rügen, sondern müssen gegebenenfalls zum Gegenstand eines Antrags auf Tatbestandsberichtigung (§ 108 FGO) gemacht werden (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7. Mai 1999 IX B 20/99, BFH/NV 1999, 1369).
b) Abgesehen davon, dass eine Protokollberichtigung (§ 94 FGO i.V.m. § 160 Abs. 4, § 164 Abs. 1 der Zivilprozessordnung --ZPO--) grundsätzlich nur durch das FG vorgenommen werden kann (vgl. BFH-Beschluss vom 17. August 1999 IV B 22/99, BFH/NV 2000, 211), genügt auch insoweit das Vorbringen der Klägerin den Anforderungen an eine Verfahrensrüge nicht. Die --auch in der mündlichen Verhandlung vor dem FG-- rechtskundig vertretene Klägerin hätte im Rahmen dieser Nichtzulassungsbeschwerde u.a. darlegen müssen, weshalb sie von der Möglichkeit, eine Berichtigung des Protokolls beim FG zu beantragen, keinen Gebrauch gemacht hat (vgl. BFH-Beschluss vom 15. März 2001 IV B 72/00, BFH/NV 2001, 1238).
3. Rechtliches Gehör wird den Beteiligten dadurch gewährt, dass sie Gelegenheit erhalten, sich zu dem Sachverhalt zu äußern, der einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde gelegt werden soll. Das rechtliche Gehör bezieht sich vor allem auf Tatsachen und Beweisergebnisse (vgl. § 96 Abs. 2 FGO); darüber hinaus darf das FG seine Entscheidung auf einen rechtlichen Gesichtspunkt nur stützen, wenn die Beteiligten zuvor Gelegenheit hatten, dazu Stellung zu nehmen (§ 139 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 155 FGO; vgl. auch § 93 Abs. 1 FGO; BFH-Beschluss vom 15. Juni 2001 VII B 45/01, BFH/NV 2001, 1580). Eine Verletzung rechtlichen Gehörs kann deshalb vorliegen, wenn ein bisher nicht erörterter Gesichtspunkt zur Grundlage der Entscheidung gemacht wird, der dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein kundiger Beteiligter nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht hat rechnen müssen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2001, 1580).
Derartige Umstände sind im Streitfall nicht gegeben, denn schon aus dem Tatbestand des FG-Urteils ergibt sich, dass die Klägerin selbst die Frage, ob es sich bei den von ihr als Belastungsanzeigen bezeichneten Urkunden um Rechnungen handelt, thematisiert hat und deshalb nicht davon "überrascht" sein kann, das sich dass FG mit dieser Frage befasst hat. Gleiches gilt für die Behauptung, die Frage, ob die Klägerin eine Rechnung i.S. des § 14 des Umsatzsteuergesetzes ausgestellt hat, sei nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen.
4. Das Urteil des FG verletzt nicht § 119 Nr. 6 FGO. Zwar liegt ein Verfahrensfehler vor, wenn "die Entscheidung nicht mit Gründen versehen" ist (§ 119 Nr. 6 FGO). Eine Entscheidung ist aber nur dann "nicht mit Gründen versehen", wenn jegliche Begründung fehlt oder lediglich inhaltslose oder unverständliche Wendungen niedergeschrieben sind, die nicht erkennen lassen, von welchen Erwägungen das Gericht ausgegangen ist, und die eine Überprüfung des Rechtsstandpunktes nicht ermöglichen, oder wenn ein selbständiger Anspruch bzw. ein selbständiges Angriffsmittel oder Verteidigungsmittel mit Stillschweigen übergangen worden ist. Richten sich die Einwendungen des Beschwerdeführers lediglich dagegen, dass das FG nicht auf Einzelheiten des Sachverhalts eingegangen sei und sich nicht ausreichend mit seinen rechtlichen Argumenten auseinander gesetzt habe, die Urteilsbegründung also nur lückenhaft, unzulänglich oder nicht überzeugend sei, ist ein Verfahrensfehler nicht dargelegt (BFH-Beschlüsse vom 4. April 2003 V B 145/02, BFH/NV 2003, 1096; vom 7. Januar 2002 III B 61/01, BFH/NV 2002, 666).
Im Streitfall geht bereits aus der Revisionsbegründung der Klägerin hervor, dass die angegriffene Vorentscheidung mit Gründen versehen war und diese Gründe keinen wesentlichen Gesichtspunkt übergehen. Dass die Klägerin meint, das FG sei nicht auf alle Argumente eingegangen, reicht für eine schlüssige Rüge i.S. von § 119 Nr. 6 FGO nicht aus.
5. Auch eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO kommt nicht in Betracht, denn das von der Klägerin zitierte FG-Urteil, dem das angefochtene Urteil widersprechen soll, betrifft einen anderen Sachverhalt und eine andere Rechtsfrage.
6. Von einer Darstellung des Sachverhaltes und einer weiteren Begründung wird nach § 116 Abs. 5 FGO abgesehen.
Fundstellen