Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachträgliche Änderung des Aufgabegewinns bei Inanspruchnahme aus Eventualverbindlichkeit
Leitsatz (NV)
1. Wird eine Eventualverbindlichkeit bei der Ermittlung des Aufgabegewinns eines Kommanditisten mit negativem Kapitalkonto nicht berücksichtigt, weil mit einer Inanspruchnahme im Aufgabezeitpunkt nicht ernstlich zu rechnen ist, so führt eine spätere unerwartete Inanspruchnahme zu einer rückwirkenden Herabsetzung des Aufgabegewinns.
2. Wird eine Eventualverbindlichkeit bei der Ermittlung des Aufgabegewinns eines Kommanditisten mit negativem Kapitalkonto berücksichtigt und erfolgt später keine oder eine betragsmäßig geringere Inanspruchnahme, so ist der Aufgabegewinn rückwirkend zu erhöhen.
Normenkette
EStG § 16 Abs. 3; AO 1977 § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Gründe
Die Vorentscheidung steht zwar möglicherweise nicht in Übereinstimmung mit dem Senatsurteil vom 12. Juli 1990 IV R 37/89 (BFHE 162, 30, BStBl II 1991, 64), in dem der Senat angenommen hat, daß eine drohende Inanspruchnahme für Gesellschaftsschulden bei der Ermittlung des im Zusammenhang mit dem Wegfall des negativen Kapitalkontos entstehenden Aufgabegewinns zu berücksichtigen sei. Eine spätere Inanspruchnahme sei kein auf den Aufgabezeitpunkt zurückwirkendes Ereignis. Selbst wenn die Vorentscheidung im Hinblick auf die Frage der Rückwirkung mit diesem Senatsurteil in Widerspruch stehen sollte, könnte das eine Zulassung der Revision nicht rechtfertigen, denn das Senatsurteil ist insoweit durch die Beschlüsse des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19. Juli 1993 GrS 1/92 (BFHE 172, 80, BStBl II 1993, 894), und vom 19. Juli 1993 GrS 2/92 (BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897) überholt. Ist eine Entscheidung durch eine spätere Entscheidung überholt, so kann zu der früheren Entscheidung eine Divergenz i. S. des §115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung nicht mehr bestehen (BFH-Beschlüsse vom 15. Februar 1979 V B 28/78, BFHE 127, 81, BStBl II 1979, 274, und vom 20. Februar 1980 II B 26/79, BFHE 129, 313, BStBl II 1980, 211).
Mit seinen Beschlüssen in BFHE 172, 80, BStBl II 1993, 894 und BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897 hat der Große Senat unter Abkehr von der bisherigen Recht sprechung angenommen, daß spätere Veränderungen eines Veräußerungspreises steuerrechtlich auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurückwirken. Im Hinblick auf die Gleichbehandlung von Veräußerungs- und Aufgabegewinnen durch §16 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes müssen diese Grundsätze auch für Aufgabegewinne gelten. Für den Aufgabegewinn, der dem Kommanditisten bei Betriebsaufgabe der Gesellschaft durch Auflösung eines negativen Kapitalkontos entsteht, ergeben sich im Hinblick auf die Berücksichtigung von Eventualverbindlichkeiten aus der Rechtsprechungsänderung zwei Folgerungen (gl. A. Schmidt, Einkommensteuergesetz, 16. Aufl. 1997, §15 a Rz. 25; Oberfinanzdirektion Frankfurt, Verfügung vom 1. August 1996, Steuererlasse in Karteiform, Einkommensteuergesetz, §15 a Nr. 40, Tz. 3.2 Abs. 4):--
Wird eine Eventualverbindlichkeit bei der Ermittlung des Aufgabegewinns nicht berücksichtigt, weil mit einer Inanspruchnahme im Aufgabezeitpunkt nicht ernstlich zu rechnen ist, so führt eine spätere unerwartete Inanspruchnahme zu einer rückwirkenden Herabsetzung des Aufgabegewinns (ebenso BFH-Urteil vom 1. August 1996 VIII R 36/95, BFH/NV 1997, 216 unter 3. b bb).--
Wird eine Eventualverbindlichkeit bei der Ermittlung des Aufgabegewinns berücksichtigt und erfolgt später keine oder eine betragsmäßig geringere Inanspruchnahme, so ist der Aufgabegewinn rückwirkend zu erhöhen (vgl. Senatsurteil vom 6. März 1997 IV R 47/95, BStBl II 1997, 509 unter 2. b).
Welcher Katagorie der Streitfall zuzuordnen ist (der Beklagte und Beschwerdegegner -- das Finanzamt -- geht von einer geringeren Inanspruchnahme aus, der Kläger und Beschwerdeführer -- Kläger -- erstmals im Beschwerdeverfahren von einer höheren Inanspruchnahme), kann offenbleiben, denn jedenfalls hätte die Inanspruchnahme auf die Hauptschuld keine Auswirkungen auf das Streitjahr, sondern allein auf das Jahr 1978. Davon ist das Finanzgericht (FG) in Übereinstimmung mit der aktuellen Rechtsprechung des BFH ausgegangen.
Mit der Rechtsauffassung, auch ggf. entstandene nachträgliche Betriebsausgaben des Klägers seien nicht im Rahmen einer einheitlichen und gesonderten Feststellung für die KG zu berücksichtigen, weicht das FG nicht von den mit der Beschwerde bezeichneten BFH-Entscheidungen ab.
Von der Darstellung des Tatbestands und einer weitergehenden Begründung wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.
Fundstellen
Haufe-Index 66795 |
BFH/NV 1998, 317 |