Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlegungslast -- Leistungsfähigkeit im finanzgerichtlichen PKH-Verfahren
Leitsatz (NV)
1. Zur Darlegungspflicht im PKH-Verfahren.
2. In die Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nach §142 FGO i. V. m. den §§114 ff. ZPO ist ein Anspruch auf Prozeßkostenerlaß gegen den Ehegatten nach §1360 a Abs. 4 BGB einzubeziehen.
Normenkette
FGO § 142; ZPO § 114 ff., § 117; BGB § 1360a; BSHG § 88 Abs. 1
Tatbestand
In dem vor dem Finanzgericht (FG) anhängigen Klageverfahren wendet sich der Antragsteller, Beschwerdeführer und Kläger (Kläger) dagegen, daß ihn der Antragsgegner, Beschwerdegegner und Beklagte (das Finanzamt -- FA --) in den angefochtenen Bescheiden als gewerblich tätigen Immobilienhändler angesehen und die bei der Veräußerung zahlreicher Objekte in den Streitjahren 1979 bis 1985 erzielten Gewinne der Einkommen- und Gewerbesteuer unterworfen hat.
Wie im Rahmen einer Steuerfahndungsprüfung festgestellt wurde, waren zehn der dreizehn Objekte, um die es dabei geht, im Alleineigentum des Klägers, drei gehörten einer aus ihm und seiner damaligen Ehefrau bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), elf standen unter Zwangsverwaltung, vier wurden versteigert. Ursache für die von den Gläubigerbanken betriebenen Vollstreckungsmaßnahmen und dafür, daß der Kläger schließlich sein gesamtes Grundvermögen verlor, war die Überschuldung des vom Kläger im Rahmen einer GmbH auf einem Grundstück der GbR betriebenen Hotels.
Der Kläger wertet die von den Banken erzwungenen Veräußerungen als Beendigung einer privaten Vermögensverwaltung.
Außerdem beantragte der -- fachkundig beratene -- Kläger Gewährung von Prozeßkostenhilfe (PKH). In der zunächst vorgelegten formularmäßigen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 25. Juni 1988 waren an verfügbaren Mitteln nur Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 430 DM monatlich angegeben.
Das FA hielt dies im Hinblick auf den Ermittlungsstand für unglaubhaft und wies auf die dem Kläger obliegende besondere Darlegungspflicht hin.
Im weiteren Verlauf des Verfahrens, am 14. Juli 1993, reichte der Kläger, nach entsprechender Aufforderung durch den Berichterstatter, eine weitere schriftliche Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 9. Juli 1993 ein, in der an verfügbaren Mitteln nur "ca. 250 DM" an Einkünften aus selbständiger Arbeit angegeben sind und die für den Ehegatten vorgesehene Vordruck-Spalte den Vermerk "Ehevertrag -- Gütertrennung" enthält, im übrigen aber unausgefüllt geblieben ist. Das FA bestritt im Schriftsatz vom 8. März 1994 nicht nur die Erfolgsaussichten der Klage, sondern außerdem, unter Hinweis auf die für 1992 erklärten Einkünfte der jetzigen Ehefrau des Klägers sowie auf bestimmte Auslandstransaktionen, in die auch dessen Mutter eingeschaltet gewesen sei, die persönlichen Voraussetzungen für die Gewährung von PKH.
Durch Beschluß vom 29. August 1995 hat das FG den PKH-Antrag mit der Begründung abgelehnt, der Kläger habe die persönlichen Voraussetzungen hierfür nicht dargetan. Vor allem im Hinblick auf die Einwände des FA seien Angaben zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen seiner jetzigen Ehefrau und auch zu einem Anspruch auf Prozeßkostenzuschuß ihr gegenüber nach §1360 a des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) unerläßlich gewesen. Es komme weder auf die Gütertrennung noch darauf an, daß der Kläger seine jetzige Ehefrau erst nach dem streitigen Zeitraum geheiratet habe und diese mit den streitigen Vorgängen nach Aktenlage nichts zu tun habe.
Mit der gegen diesen Beschluß eingelegten Beschwerde erstrebt der Kläger weiterhin Gewährung von PKH. Zur Begründung beschränkt er sich auf folgende Einwände. Ein rechtlich durchsetzbarer Anspruch nach §1360 a BGB gegenüber seiner jetzigen Ehefrau stehe ihm nicht zu: Der Rechtsstreit betreffe keine persönliche Angelegenheit; im Hinblick auf den Zeitpunkt der Eheschließung fehle der erforderliche enge Bezug zur jetzigen ehelichen Lebensgemeinschaft. Schließlich entspreche die Inanspruchnahme seiner jetzigen Ehefrau auch nicht der Billigkeit.
Das FA hält das Rechtsmittel für unbegründet, verweist vor allem erneut auf die wirtschaftliche Situation der Ehefrau des Klägers und in diesem Zusammenhang darauf, daß die Immobilien, aus denen sie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung beziehe, aus dem mit dem gewerblichen Grundstückshandel erwirtschafteten Vermögen des Klägers stammten. Außerdem stehe dem Kläger angesichts der Einschaltung seiner Mutter in bestimmte hier streitige Transaktionen auch ihr gegenüber ein Anspruch auf Prozeßkostenvorschuß zu.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das FG den PKH-Antrag allein deswegen abgelehnt, weil der Kläger die persönlichen Voraussetzungen hierfür nicht in der erforderlichen Weise dargetan hat.
Nach §142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. §§114 ff. der Zivilprozeßordnung (ZPO) erhält ein Prozeßbeteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
1. Im PKH-Verfahren sind dem Antragsteller spezielle Mitwirkungspflichten auferlegt: Er hat im Antrag das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel darzustellen (§117 Abs. 1 Satz 2 ZPO) und dem Antrag außerdem eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege beizufügen (§117 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Im finanzgerichtlichen PKH-Verfahren herrscht zwar der Untersuchungsgrundsatz (Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 13. Januar 1997 X B 87/95, BFH/NV 1997, 433, 434). Sache des Rechtsuchenden ist es jedoch auch hier, in der gesetzlich festgelegten Weise die Grundlage dafür zu schaffen, daß das Gericht die persönlichen Voraussetzungen für die Gewährung der PKH beurteilen und in die -- summarische (Gräber, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, §142 Rz. 7, m. w. N.), auf Glaubhaftmachung und auf präsente Beweismittel (Gräber, a. a. O., §96 Rz. 20, m. w. N.) beschränkte -- Prüfung der sachlichen Entscheidungsvoraussetzungen eintreten kann.
Es kann dahingestellt bleiben, inwieweit das Rechtsmittel nicht schon daran scheitert, daß der Kläger seiner Verpflichtung zur Substantiierung in sachlicher Hinsicht nicht nachgekommen ist, weil er zu den Erfolgsaussichten seiner Klage nichts vorgetragen oder gar glaubhaft gemacht hat. Denn sein Vortrag zu den persönlichen Voraussetzungen ist in jedem Fall unzureichend, weil der rechtskundig vertretene Kläger dem Gericht konkrete Angaben zum Anspruch auf Prozeßkostenvorschuß gegenüber seiner jetzigen Ehefrau bisher vorenthalten hat (s. zur Darlegungslast in solchen Fällen auch BFH-Beschlüsse vom 10. Februar 1988 IV B 132/85, BFH/NV 1988, 592, 593, und vom 16. Juli 1991 III S 2, 3/91, BFH/NV 1992, 191).
2. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im Rahmen der §§114 ff. ZPO ist nicht nur nach den wirtschaftlichen Mitteln zu bemessen, die der Rechtsuchende selbst besitzt, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch nach solchen, die er sich erst bei Dritten beschaffen muß. Hierzu gehört auch der Anspruch nach §1360 a Abs. 4 BGB, demzufolge dann, wenn ein Ehegatte nicht in der Lage ist, die Kosten eines Rechtsstreits zu tragen, der seine persönlichen Angelegenheiten betrifft, der andere Ehegatte verpflichtet ist, ihm diese Kosten vorzuschießen.
Die rechtlichen Einwände, mit denen der Kläger Angaben zu einem solchen Anspruch auch im Beschwerdeverfahren verweigert, greifen nicht durch.
a) Die Steueransprüche, um die im Klageverfahren gestritten wird, haben die in diesem Zusammenhang erforderliche enge Verbindung zur Person des Klägers (s. dazu Urteil des Bundesgerichtshofs vom 30. Januar 1964 VII ZR 5/63, BGHZE 41, 104, 112), weil sie tätigkeitsbezogene Abgaben betreffen (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1988, 592, 593, und vom 24. September 1991 VII B 122/91, BFH/NV 1992, 263, 264).
b) Der Umstand, daß der Kläger und seine jetzige Ehefrau Gütertrennung vereinbart haben, beeinflußt den unabdingbaren Unterhaltsanspruch nach §1360 a Abs. 4 BGB nicht (BFH in BFH/NV 1992, 263, 264).
c) Auch der Zeitpunkt der Eheschließung einerseits und der Entstehung der streitigen Steueransprüche andererseits ist für den in Frage stehenden Unterhaltsanspruch unbeachtlich. Es geht im Rahmen eines anhängigen Prozesses darum, inwieweit der Kläger derzeit in der Lage ist, die damit verbundenen Kosten zu tragen, also um seine gegenwärtige Vermögenssituation und deren Beeinflussung durch einen jetzt gegebenen und realisierbaren Unterhaltsanspruch eigener Art (Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, 4. Aufl. 1994, §21 IV; zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse im PKH-Verfahren Künzl/Koller, Prozeßkostenhilfe, 1993, S. 91).
d) Die Einwände hinsichtlich der Billigkeit -- und Zumutbarkeit -- (§88 Abs. 1 des Bundessozialhilfegesetzes -- s. dazu auch BFH- Beschluß vom 2. April 1996 III B 170/95, BFH/NV 1996, 785) sind nicht substantiiert oder gar glaubhaft gemacht und daher für die gebotene Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Klägers nicht verwertbar.
3. Unter den gegebenen Umständen war das Rechtsmittel, ohne daß es eines weiteren Hinweises bedurft hätte (Gräber, a. a. O., §142 Rz. 15 f., m. w. N.), als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 66757 |
BFH/NV 1998, 489 |