Entscheidungsstichwort (Thema)
Verweis auf Schriftwechsel und Akten zur Darlegung von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht ausreichend
Leitsatz (NV)
1. Ein Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung, der ausschließlich mit der Rechtswidrigkeit der Steuerfestsetzung begründet wird, ist unzulässig.
2. Seiner verfahrensmäßigen Last hinreichender Darlegung und Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes kommt ein Antragsteller nicht nach, wenn er sowohl vor dem FG als auch in der Beschwerdeinstanz von einer eigenständigen Begründung absieht und nur auf den bisher geführten Schriftverkehr sowie die dem FA bzw. dem FG vorliegenden Akten verweist.
Normenkette
FGO § 114 Abs. 1 S. 2, Abs. 5; ZPO §§ 294, 920 Abs. 2
Tatbestand
Die Beschwerde richtet sich dagegen, daß das Finanzgericht (FG) den Antrag der Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) abglehnt hat, den Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) mittels einstweiliger Anordnung anzuweisen, die Zwangsvollstreckung aus den Körperschafts- und Umsatzsteuerbescheiden ..., die gegen die Antragstellerin ergangen sind, einstweilen bis zum Abschluß des Finanzrechtsstreits einzustellen.
Mit ihrer Beschwerde macht die Antragstellerin geltend, es sei ein wesentlicher Bestandteil rechtsstaatlicher Verfahrensweise, daß demjenigen, der in seiner wirtschaftlichen Existenz durch staatliche oder private Eingriffsmaßnahmen bedroht werde, Aufschub bezüglich der Durchsetzung dieser Maßnahmen gewährt werde, bis die von ihm in einem zulässigen Rechtsmittelverfahren erhobenen Einwände gründlich geprüft worden seien. Dieser Rechtsgrundsatz sei Bestandteil der Menschenrechte. Unbillig sei die Vollstreckung stets dann, wenn der zugrunde liegende Bescheid mit zulässigen Rechtsmitteln angegriffen worden sei und nicht ausgeschlossen werden könne, daß dieses Rechtsmittel Erfolg haben werde.
Im übrigen sei unerfindlich, warum das FG die §§ 256 und 258 der Abgabenordnung (AO 1977) herangezogen habe. Das Gericht habe selbst zu beurteilen, ob, wie § 114 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ausführe, durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechtes des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Die Beachtung dieses Rechtssatzes mache die zumindest summarische Prüfung der Klageaussichten erforderlich.
Die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs im finanzgerichtlichen Verfahren sei für sich schon eine sonderbare Forderung, gehe dem Anhängigwerden bei dem FG doch ein Vorverfahren und ein Veranlagungsverfahren bei der Finanzbehörde voraus, in dem die angeblichen Besteuerungsgrundlagen als Tatsache erörtert worden seien, auch unter Vorlage von Urkunden und Angebot von Beweisen.
Die Antragstellerin habe in schlüssiger Form vorgetragen, was sie gegen den Steuerbescheid einwende. Dem FG habe in ausreichendem Maße völlig unstreitiger Tatsachenvortrag mit dem Ermittlungsstand der Betriebsprüfung wie auch eine ausführliche Darstellung der steuerrechtlichen Argumente vorgelegen. Gemäß § 114 Abs. 1 FGO hätte deshalb geprüft werden müssen, ob die Vollziehung auszusetzen sei, um wesentliche Nachteile von der Klägerin abzuwenden.
Daß die Aufrechterhaltung der Zwangsvollstreckung aus dem belastenden Bescheid wesentliche Nachteile für die betroffene Antragstellerin mit sich bringe, da er sie wirtschaftlich bedrohe, sogar ruinieren könne, dürfe nicht ernstlich zweifelhaft sein.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist nicht begründet. Das FG hat den Antrag der Antragstellerin auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.
1. Es ist schon zweifelhaft, ob aufgrund des Vorbringens der Antragstellerin die von ihr erstrebte einstweilige Anordnung wegen der ausdrücklichen Regelung in § 114 Abs. 5 FGO überhaupt ergehen kann, denn ein Antrag, der ausschließlich mit der Rechtswidrigkeit der Steuerfestsetzung begründet wird, ist unzulässig (vgl. nur Beschluß des Senats vom 12. Juni 1991 VII B 66/91, BFH/NV 1992, 156 m.w.N.). Soweit aber neben der Aussetzung der Vollziehung im Streitfall Raum für eine einstweilige Anordnung besteht, hat die Antragstellerin die zu deren Erlaß erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt.
2. Nach § 114 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Satz 2).
Zur Erlangung einer einstweiligen Anordnung nach jedem dieser Tatbestände hat aber aufgrund der Verweisung in § 114 Abs. 3 FGO auf Bestimmungen der Zivilprozeßordnung (ZPO) der Antragsteller Anspruch und den Grund für den Erlaß der einstweiligen Anordnung glaubhaft zu machen (vgl. §§ 920 Abs. 2 und 294 ZPO), wobei als Anspruch in diesem Sinne der Anspruch aus dem Rechtsverhältnis anzusehen ist, das vom Antragsteller in der Hauptsache verfochten wird oder werden soll (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. Juli 1971 II B 2/71, BFHE 102, 238, BStBl II 1971, 633), und die Maßstäbe für den Anordnungsgrund dem § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO zu entnehmen sind (vgl. Senatsbeschluß vom 20. März 1990 VII B 150/89, BFH/NV 1991, 104 m.w.N.).
3. Ihrer verfahrensmäßigen Last der hinreichenden Darlegung und Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes ist die Antragstellerin schon vor dem FG nicht nachgekommen. Auch in der Beschwerdeinstanz fehlt es an einer zureichenden Darlegung und Glaubhaftmachung; denn die Antragstellerin hat insoweit von einer eigenständigen Beschwerdebegründung abgesehen und nur auf den bisher geführten Schriftverkehr sowie die dem FA bzw. dem FG vorliegenden Akten verwiesen. Daraus kann, wie das FG unter Anführung von Rechtsprechung des BFH zutreffend ausgeführt hat, die erforderliche Darlegung und Glaubhaftmachung nicht entnommen werden (vgl. auch BFH-Beschluß vom 27. Juni 1986 V B 76/85, BFH/NV 1988, 30).
Fundstellen
Haufe-Index 418942 |
BFH/NV 1994, 554 |