Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderung eines Haftungsbescheids für Eingangsabgaben; Substantiierung eines negativen Sachverhalts
Leitsatz (NV)
1. Wird der in einem Haftungsbescheid für Eingangsabgaben geltend gemachte Haftungsbetrag mit einem Änderungsbescheid herabgesetzt, weil ein niedrigerer Zollsatz anzuwenden ist, so liegt darin keine Ersetzung oder Änderung des ursprünglichen Haftungsbescheids im Sinne von §68 FGO, sondern nur eine Rücknahme dieses Haftungsbescheids in Höhe des Differenzbetrages.
2. Durch die teilweise Rücknahme des Haftungsbescheids hat sich der Rechtsstreit insoweit erledigt.
3. Die im finanzgerichtlichen Verfahren aufgestellte Behauptung, keine Kenntnis davon gehabt zu haben, daß Zigaretten unversteuert und unverzollt waren, ist jedenfalls dann zu substantiieren, wenn das Gegenteil in einem rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahren festgestellt worden ist.
Normenkette
AO 1977 §§ 71, 130 Abs. 1; FGO §§ 68, 142 Abs. 1; ZPO § 114
Tatbestand
I. Das Landgericht (LG) hat den Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) wegen Beihilfe zur Steuerhehlerei in bezug auf in die Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) aus Polen eingeschmuggelte Zigaretten zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Die dagegen eingelegte Revision wies der Bundesgerichtshof zurück. Der Beklagte (das Hauptzollamt -- HZA --) erließ daraufhin gegen den Antragsteller am ... 1996 einen Haftungsbescheid über insgesamt ... DM Eingangsabgaben (Zoll-EURO, Tabaksteuer, Einfuhrumsatzsteuer). Dabei hatte das HZA der Abgabenberechnung einen Zollsatz von 90 v. H. zugrunde gelegt. Nach erfolglosem Einspruch erhob der Antragsteller am ... 1996 Klage gegen den Haftungsbescheid. Mit Änderungsbescheid vom ... 1997 berechnete das HZA die Einfuhrabgaben unter Zugrundelegung eines Zollsatzes von 84,6 v. H. neu und nahm den Antragsteller nunmehr nur noch in Höhe von insgesamt ... DM als Haftenden in Anspruch. Im übrigen blieb der Haftungsbescheid von 1996 in Gestalt der Einspruchsentscheidung unverändert. Gegen den "Steueränderungsbescheid" von 1997 hat der Antragsteller ebenfalls Einspruch erhoben. Einen Antrag nach §68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hat er nicht gestellt.
Mit seiner Klage gegen den Haftungsbescheid von 1996 machte der Antragsteller geltend, er könne nicht als Einführer der Zigaretten angesehen werden. Er sei in seinem Heimatland lediglich als Fahrer angeheuert worden. Er habe nicht gewußt, worum es gegangen sei. Ihm sei lediglich gesagt worden, daß er im Rahmen eines Transportes in der Bundesrepublik von einem Ort zu einem anderen, möglicherweise auch in das Ausland, benötigt werde. Was tatsächlich mit den Waren habe geschehen sollen, sei ihm nicht bekannt. Er sei unterstes Glied in der Kette der Mittäter gewesen. Auch das LG habe in seinem Strafurteil festgestellt, daß er selbst die Zigaretten nicht in die Bundesrepbulik eingeführt habe. Er habe auch nicht ausschließen können, daß die Waren ohnehin wieder in das Ausland hätten geschafft werden sollen. In diesem Fall wären keine Abgaben angefallen. Ihm sei nicht bekannt gewesen, daß die zu transportierende Ware unversteuert gewesen sei. Im übrigen habe das HZA zwischenzeitlich mit dem Steueränderungsbescheid vom ... 1997 den ursprünglichen Haftungsbescheid vom ... 1996 aufgehoben. Bereits deshalb sei die von ihm erhobene Klage begründet.
Dagegen trug das HZA im wesentlichen vor: Die Inanspruchnahme des Antragstellers beruhe auf den Feststellungen des LG in dem Strafurteil. Der Antragsteller habe in der Hauptverhandlung vor dem LG die ihm vorgeworfene Tat auch in vollem Umfang eingeräumt. Insbesondere habe er zugestanden, gewußt zu haben, daß unverzollte und unversteuerte Zigaretten hätten transportiert werden sollen.
Obwohl nach Meinung des Finanzgerichts (FG) das Klageverfahren gegen den Haftungsbescheid von 1996 mangels eines Antrags i. S. von §68 FGO bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Änderungsbescheid von 1997 gemäß §74 FGO auszusetzen sei, hielt es den in bezug auf dieses Klageverfahren gestellten Antrag auf Prozeßkostenhilfe (PKH) doch für zulässig. Es lehnte den Antrag aber als unbegründet ab, weil die Klage gegen den Haftungsbescheid von 1996 keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe (§142 FGO i. V. m. §114 der Zivilprozeßordnung -- ZPO --). Das HZA habe den Antragsteller zu Recht als Haftenden gemäß §71 i. V. m. §191 der Abgabenordnung (AO 1977) in Anspruch genommen. Nach den nicht substantiiert bestrittenen Feststellungen in dem rechtskräftigen Strafurteil, die sich das FG zu eigen mache, sei der Antragsteller der Beihilfe zur Steuerhehlerei für schuldig befunden worden. Die Zollschuld, für die der Antragsteller in Haftung genommen werde, sei nach Art. 202 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex -- ZK --) des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften vom 12. Oktober 1992 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 302/1) entstanden. Dies gelte sinngemäß auch für die Tabak- und Einfuhrumsatzsteuer (§21 des Tabaksteuergesetzes, §21 Abs. 2 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes). Die Zoll- und Einfuhrumsatzsteuerschuld sei auch nicht nach Art. 233 Unterabs. 1 Buchst. d ZK erloschen. Unter Berücksichtigung des Änderungsbescheides enthalte die Berechnung der Einfuhrabgaben keine Fehler zu Lasten des Antragstellers.
Entscheidungsgründe
II. Dem Antragsteller kann, wie von der Vorinstanz im Ergebnis zutreffend entschieden, PKH nicht gewährt werden, weil es an dem Bewilligungserfordernis der hinreichenden Erfolgsaussicht für das Klageverfahren fehlt (§142 Abs. 1 FGO, §114 ZPO). Das Beschwerdevorbringen des Antragstellers rechtfertigt keine andere Entscheidung.
Die Rechtsverfolgung verspricht nur dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen des Antragstellers besteht. Das ist hier nicht der Fall.
Das Klageverfahren, für das der Antragsteller die Gewährung von PKH beantragt hat, ist anders als das FG meint, nicht nach §74 FGO bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Änderungsbescheid 1997 auszusetzen, sondern, auch ohne daß der Antragsteller einen Antrag nach §68 FGO gestellt hat, hinsichtlich des Haftungsbescheides von 1996 in der Fassung des Änderungsbescheides 1997 durchzuführen. Der Haftungsbescheid von 1996 ist nämlich durch den Änderungsbescheid von 1997 nicht i. S. von §68 FGO geändert oder ersetzt, sondern nur hinsichtlich des Differenzbetrages zwischen den ursprünglich auf der Grundlage eines Zollsatzes von 90 v. H. festgesetzten Einfuhrabgaben und den nunmehr auf der Grundlage eines Zollsatzes von 84,6 v. H. berechneten Einfuhrabgaben nach §130 Abs. 1 AO 1977 zurückgenommen worden (vgl. dazu im einzelnen Senatsurteile vom 16. Juli 1992 VII R 57/ 58/91, BFH/NV 1993, 152; vom 16. Juli 1992 VII R 60/91, BFH/NV 1993, 153, und vom 6. August 1996 VII R 77/95, BFHE 181, 107, BStBl II 1997, 79). Der Haftungsbescheid von 1996 bleibt daher mit der durch den Änderungsbescheid von 1997 beschränkten Höhe der Einfuhrabgaben weiterhin wirksam, so daß die Anfechtungsklage gegen ihn ohne jede Einschränkung fortgeführt werden kann. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß das HZA in der dem Änderungsbescheid von 1997 beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung darauf hingewiesen hat, daß gegen ihn der Einspruch gegeben sei bzw. ein Antrag nach §68 FGO gestellt werden könne.
Hinsichtlich des Differenzbetrages zwischen dem Haftungsbescheid von 1996 und dem Änderungsbescheid von 1997 hat sich der Rechtsstreit durch die teilweise Rücknahme des Haftungsbescheides von 1996 durch den Änderungsbescheid von 1997 erledigt. Insoweit hat die Klage gegen den Haftungsbescheid von 1996 schon deswegen keine Aussicht auf Erfolg mehr, weil es mangels Beschwer an dem notwendigen Rechtsschutzinteresse des Antragstellers fehlt und die Klage, sofern sie insoweit aufrechterhalten wird, unzulässig wäre.
Im übrigen hat die Klage gegen den Haftungsbescheid von 1996 in der Fassung des Änderungsbescheides von 1997 aus den vom FG zutreffend dargelegten Gründen, auf die der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt (§113 Abs. 2 Satz 3 FGO), nicht die nach §142 FGO, §114 ZPO erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht. Es mag sein, daß -- wie der Antragsteller meint -- ein negativer Sachverhalt wie die fehlende Kenntnis davon, daß die Zigaretten nicht verzollt und versteuert waren, vom Betroffenen nicht substantiiert nachgewiesen werden kann. Eine Substantiierung dieser Behauptung ist aber jedenfalls dann zu verlangen, wenn das Gegenteil -- wie im Streitfall -- in dem rechtskräftig gewordenen Strafurteil festgestellt worden ist. In diesem Fall wäre es zumindest erforderlich, Tatsachen vorzutragen, aus denen sich ergibt, weshalb die im Strafverfahren getroffenen Feststellungen nicht zutreffend sind. Der Vortrag, daß er selbst Zigaretten nicht in die Bundesrepublik eingeführt habe und nicht habe ausschließen können, daß die Waren ohnehin wieder ins Ausland geschafft werden sollten, vermag die im Strafurteil getroffene Feststellung, daß dem Antragsteller klar war, daß er an einem illegalen Zigarettenschmuggel mitwirken solle, jedenfalls nicht in Zweifel zu ziehen.
Fundstellen
Haufe-Index 67581 |
BFH/NV 1998, 1140 |