Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Setzen einer Ausschlußfrist zur Vorlage einer Vollmacht
Leitsatz (NV)
1) Das Finanzgericht (FG) ist befugt, sofort nach Eingang der Klage eine Ausschlußfrist zur Vorlage der Vollmacht zu setzen. Eine Frist von nur drei Wochen ist angemessen; eine etwaige Verzögerung bei der Briefbeförderung muß bei der Festsetzung der Frist nicht berücksichtigt werden.
2) Zu den Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Zustellung der mit einer Ausschlußfrist verbundenen Aufforderung zur Vorlage einer Prozeßvollmacht.
Normenkette
FGO § 53 Abs. 2; VwZG § 2 Abs. 1; FGO § 62 Abs. 3; VwZG § 3 Abs. 3; FGO § 53 Abs. 1, § 79 Abs. 1; VwZG § 3 Abs. 1; ZPO § 195 Abs. 2
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG (EFG 1998, 771) |
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben hinreichend Tatsachen dafür vorgetragen, daß die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) auf dem von ihnen gerügten Verfahrensmangel beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung -FGO-). Die unzutreffende Anwendung prozessualer Vorschriften -hier die Vorschrift des § 62 Abs. 3 Satz 3 FGO- wird von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) als Verfahrensmangel behandelt (z.B. BFH-Urteil vom 24. September 1985 IX R 47/83, BFHE 145, 299, BStBl II 1986, 268; BFH-Beschluß vom 6. Juli 1988 II B 183/87, BFHE 153, 509, BStBl II 1988, 897; vgl. auch Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Anm. 25 a).
Der von den Klägern gerügte Verfahrensmangel liegt indes nicht vor. Im Streitfall ist im Schreiben des Berichterstatters vom 16. April 1997 an den Prozeßbevollmächtigten eine Ausschlußfrist wirksam gesetzt worden. Der Prozeßbevollmächtigte der Kläger hat dem FG innerhalb der Ausschlußfrist keine Vollmacht eingereicht. Die erst nach Ablauf dieser Frist vorgelegte Vollmacht kann die Unzulässigkeit der Klage nicht mehr beseitigen (BFH-Urteil vom 11. Januar 1980 VI R 11/79, BFHE 129, 305, BStBl II 1980, 229).
Nach § 62 Abs. 1 Satz 1 FGO können sich Beteiligte durch Bevollmächtigte vertreten lassen. Diese Bevollmächtigung ist durch eine schriftliche Vollmacht nachzuweisen (§ 62 Abs. 3 Satz 1 FGO). Hierbei handelt es sich um eine vom Gericht von Amts wegen zu beachtende Sachentscheidungsvoraussetzung, deren Nichtbeachtung zur Unzulässigkeit der Klage führt. Die Aufforderung zur Vollmachtsvorlage beruht dabei regelmäßig auf der allgemeinen Hinweis- und Prozeßförderungspflicht des Gerichts (§ 79 Abs. 1 Satz 1 FGO). Gemäß § 62 Abs. 3 Satz 3 FGO kann der Vorsitzende oder der Berichterstatter für die Nachreichung der schriftlichen Vollmacht eine Ausschlußfrist setzen, und zwar auch sofort nach Klageeingang (vgl. BFH-Beschluß vom 17. Juni 1993 VI S 3/93, BFH/NV 1993, 618). Das Gericht soll bereits innerhalb kurzer Frist nach Klageerhebung feststellen können, ob die Sachentscheidungsvoraussetzungen vorliegen.
Die vom FG gesetzte Ausschlußfrist von drei Wochen war im Streitfall nicht unangemessen. Entgegen der Ansicht der Kläger läßt sich der Rechtsprechung des BFH nicht entnehmen, daß nur eine Frist von vier Wochen und mehr als angemessen anzusehen ist. In den von den Klägern genannten Entscheidungen (BFH-Urteile vom 28. Februar 1989 VIII R 181/84, BFH/NV 1989, 716; vom 23. Mai 1989 X R 7/85, BFH/NV 1990, 315; vom 19. Mai 1994 V R 126/93, BFH/NV 1995, 328, und BFH-Beschluß in BFH/NV 1993, 618), hat der BFH diesbezüglich keine festen Regeln aufgestellt, sondern ausgesagt, daß jedenfalls eine Frist zur Vorlage der Prozeßvollmacht von vier oder knapp vier Wochen genüge. Ein Vergleich mit den gesetzlichen Fristen der FGO zeigt jedoch -worauf das FG zutreffend hinweist-, daß auch eine Frist von drei Wochen für eine Prozeßhandlung als ausreichend gelten kann. Die Prozeßvollmacht lag zudem dem Prozeßbevollmächtigten -wie er selbst angegeben hat- bereits am 7. Mai 1997, also schon vor Fristende vor. Im übrigen hätte der Prozeßbevollmächtigte, wenn die Frist zum Beschaffen der Vollmacht nicht ausgereicht hätte, Fristverlängerung beantragen können (BFH-Urteil vom 21. Februar 1980 V R 71-73/79, BFHE 130, 240, BStBl II 1980, 457). Bei der Festsetzung der Frist war das FG -anders als die Kläger annehmen- auch nicht gehalten, eine etwaige Verzögerung bei der Briefbeförderung zu berücksichtigen. Für die Postlaufzeit bei einer Inlandsbeförderung kann das Gericht ebenso wie der Bürger darauf vertrauen, daß die von der Deutschen Post AG nach ihren organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen für den Normalfall festgelegten Postlaufzeiten auch eingehalten werden (vgl. Zwischenurteil des BFH vom 7. Mai 1996 VIII R 60/95, BFH/NV 1997, 34). Nach den amtlichen Verlautbarungen der Deutschen Post AG beträgt die Dauer einer Inlandsbeförderung für eine Briefsendung bei regelmäßigem Betriebsablauf zwischen 24 und 48 Stunden.
Die Fristsetzung ist auch nicht deshalb ermessensfehlerhaft und daher rechtswidrig, weil sie bereits nach Klageeingang erfolgt ist. Zweck des dem Vorsitzenden bzw. Berichterstatter eingeräumten Ermessens ist es, dem Gericht innerhalb angemessener Frist Gewißheit über die Bevollmächtigung und damit die Wirksamkeit der Prozeßhandlungen des Bevollmächtigten zu verschaffen. Hiervon ist auch das FG ausgegangen. Gerade weil eine ausführliche Klagebegründung bereits vorlag, diente die Anforderung der Vollmacht der Verfahrensbeschleunigung. Der Folgerung, das FG habe die Kläger bzw. ihren Prozeßbevollmächtigten für die ordnungsgemäße und begründete Einreichung einer Klage "bestrafen" wollen, indem es eine Ausschlußfrist für die Vorlage der Vollmacht setzte, ist nicht recht nachvollziehbar. Ist doch in der Regel jedem Kläger daran gelegen, daß sein Verfahren möglichst bald einer Entscheidung zugeführt wird.
Die Verfügung ist entgegen der Annahme der Kläger auch wirksam zugestellt worden.
Die nach § 62 Abs. 3 Satz 3 FGO mit einer Ausschlußfrist verbundene Aufforderung zur Vorlage der Prozeßvollmacht ist gemäß § 53 Abs. 1 FGO zuzustellen; erst mit der ordnungsgemäßen Zustellung wird die betreffende Frist wirksam (BFH-Urteil vom 12. September 1995 IX R 72/94, BFHE 178, 546, BStBl II 1995, 898, m.w.N.). Zustellungen sind im finanzgerichtlichen Verfahren nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) vorzunehmen (§ 53 Abs. 2 FGO). Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 VwZG ist die Sendung u.a. mit einer Geschäftsnummer zu versehen. Gemäß § 3 Abs. 3 VwZG, § 195 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) muß die vom Postbediensteten über die Zustellung zu fertigende Urkunde die Übergabe der ihrer Anschrift und ihrer Geschäftsnummer nach bezeichneten Sendung bezeugen. Da die Postzustellungsurkunde nicht die Übergabe des Schriftstücks selbst, sondern nur die Übergabe einer Sendung bezeugt, stellt die Angabe der Geschäftsnummer auf der Sendung sowie auf der Postzustellungsurkunde die einzige urkundliche Beziehung zwischen dieser und dem zuzustellenden Schriftstück her. Wegen der gebotenen Gewähr für die Nämlichkeit und den unveränderten Inhalt der Postsendung muß die Geschäftsnummer infolgedessen die Identifizierung der zuzustellenden Sendung ermöglichen (BFH-Urteile vom 19. Juni 1991 I R 77/89, BFHE 165, 5, BStBl II 1991, 826; vom 21. Juli 1993 IX R 81/89, BFH/NV 1994, 357, und in BFHE 178, 546, BStBl II 1995, 898).
Angesichts dieses alleinigen Zwecks ist der Pflicht zur Angabe der Geschäftsnummer auf dem Umschlag und der Postzustellungsurkunde einer gegen Postzustellungsurkunde zugestellten Sendung genügt, wenn der fragliche Vorgang derart durch Zahlen und Buchstaben gekennzeichnet ist, daß der Empfänger die Sendung eindeutig dem Vorgang zuordnen kann; weitergehende Rechte hat der Empfänger im Hinblick auf die Art der Geschäftsnummer nicht (vgl. BFH-Urteil vom 6. September 1990 IV R 7/90, BFH/NV 1991, 714). Diesen Anforderungen wird die Zustellung der Verfügung des Berichterstatters vom 16. April 1997 gerecht. Insbesondere reichen die Angaben auf der Postzustellungsurkunde und auf dem zugestellten Briefumschlag aus, um den Inhalt der zugestellten Sendung erkennen zu lassen. Sowohl die Postzustellungsurkunde als auch der Umschlag weisen als "Geschäftsnummer" das Aktenzeichen des beim FG geführten Verfahrens aus, das auch auf der entsprechenden Originalverfügung in den FG-Akten vermerkt ist; außerdem waren sowohl die Postzustellungsurkunde als auch der Briefumschlag mit einem Hinweis darauf versehen, daß die Sendung ein Schreiben vom 16. April 1998 enthielt. Diese Angaben ermöglichen es den Klägern bzw. ihrem Prozeßbevollmächtigten ohne weiteres, die Sendung dem richtigen Vorgang zuzuordnen. Einer weiteren Umschreibung oder gar eines Hinweises auf den Inhalt des Schriftstücks bedurfte es im Streitfall zur Identifizierung des Inhalts der Sendung nicht. Entgegen der Annahme der Kläger enthält das Urteil des BFH vom 29. Januar 1998 V R 64/97 (BFH/NV 1998, 869), mit der die Entscheidung des Hessischen FG vom 27. August 1996 6 K 789/96 (Entscheidungen der Finanzgerichte 1997, 1249) aufgehoben wurde, keine Aussage dazu, ob neben der Geschäftsnummer auch ein Hinweis über den Inhalt des Schriftstücks zu erfolgen hat.
Wegen der weitreichenden Folgen muß die richterliche Verfügung, die eine Ausschlußfrist zur Vorlage der Prozeßvollmacht setzt, bestimmte Mindesterfordernisse erfüllen. Die Verfügung muß von dem Richter unterschrieben sein (BFH-Urteil vom 26. August 1982 IV R 31/82, BFHE 136, 351, BStBl II 1983, 23) und sie muß den Text der Fristsetzung enthalten (BFH-Urteil vom 14. April 1983 V R 4/80, BFHE 138, 21, BStBl II 1983, 421). Die Verfügung muß darüber hinaus auch inhaltlich richtig sein und insbesondere die Wirkung einer Fristversäumnis unzweideutig mitteilen, andernfalls kommt der Fristsetzung wegen inhaltlicher Unbestimmtheit der Verfügung keine ausschließende Wirkung zu (Urteil vom 30. März 1988 I R 140/87, BFHE 153, 388, BStBl II 1988, 836). Diesen Anforderungen genügt die Verfügung vom 16. April 1997. Die in den Akten des FG befindliche Urschrift enthält im Briefkopf die Angaben über denjenigen, der die Verfügung erlassen hat -der Berichterstatter im II. Senat des FG- sowie unter dem Text der Verfügung die vollausgeschriebene Unterschrift dieses Richters. Die sodann dem Prozeßbevoll- mächtigten der Kläger bekanntgegebene beglaubigte Abschrift/ Ausfertigung weist auf den Urheber der Verfügung hin und läßt erkennen, daß sie unterschrieben worden ist. Eine Abschrift/ Ausfertigung ist von dem anordnenden Richter nicht zu unterschreiben. Sie muß lediglich den Beglaubigungsvermerk durch den Urkundesbeamten der Geschäftsstelle enthalten, durch den die Übereinstimmung mit der (unterschriebenen) Urschrift bestätigt wird (BFH-Urteil vom 11. November 1987 I R 15/84, BFH/NV 1989, 41; BFH-Beschluß vom 9. April 1987 V B 102/86, BFH/NV 1987, 594). Dadurch, daß die Verfügung darauf hinweist, daß es sich bei der Frist für die Vorlage der Prozeßvollmacht um eine Ausschlußfrist handelt, ist sie auch inhaltlich richtig und vollständig. Auch stimmen Ur- und Abschrift/Ausfertigung überein. Daß die Verfügung vom 16. April 1997 noch weitere Ausführungen wie die für den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt) enthält, ist ohne Bedeutung, da das Anliegen des Berichterstatters, den Klägern bzw. ihrem Prozeßbevollmächtigten für die Vorlage der Vollmacht eine Ausschlußfrist zu setzen, in ihr ebenfalls klar und eindeutig zum Ausdruck gebracht wird.
Entgegen der Ansicht der Kläger weist die ihrem Prozeßbevollmächtigten übermittelte Ausfertigung/Abschrift der gerichtlichen Verfügung in Maschinenschrift den Namen des anordnenden Richters aus, so daß der Urheber der Anordnung erkennbar ist. Aus der übermittelten Abschrift/Ausfertigung ist zudem erkennbar, daß die Urschrift der Verfügung von dem anordnenden Richter tatsächlich unterschrieben worden ist (§ 53 Abs. 1 und 2 FGO i.V.m. § 2 Abs. 1 VwZG), denn sie enthält einen Beglaubigungsvermerk der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, mit dem bei der Wiedergabe des Namens des Richters auf die Unterzeichnung der Urschrift durch diesen hingewiesen wird (vgl. Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 26. März 1975 IV ZB 46/74, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1976, 35; BFH-Urteil vom 24. Juni 1993 VII R 135/92, BFH/NV 1994, 393); außerdem ist sie von der dazu befugten Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle unterschrieben worden und enthält ein Gerichtssiegel. Der Ausfertigungs- bzw. Beurkundungsvermerk bezeugt als eine besondere Art der Beurkundung, daß die Ausfertigung mit der Urschrift übereinstimmt. Wegen dieser Besonderheit muß die Ausfertigung von einem Urkundsbeamten unterzeichnet und mit dem Gerichtssiegel versehen werden. Dabei ist ausreichend, daß der Ausfertigungsvermerk in der Weise deutlich unterzeichnet ist, daß die Identität der unterzeichnenden Person ohne weiteres festgestellt werden kann (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 2 VwZG Rz. 1). Das ist im Streitfall geschehen. Abweichungen vom Text der Urschrift sind nicht erkennbar.
2. Soweit die Kläger ihre Beschwerde auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) stützen, ist ihr ebenfalls der Erfolg zu versagen.
Die Zulassung der Revision setzt voraus, daß zumindest eine konkrete Möglichkeit besteht, daß die als grundsätzlich angesehene Frage im Revisionsverfahren geklärt werden kann. Das ist hier nicht der Fall, weil die Klage vom FG als unzulässig abgewiesen wurde. Der BFH hat mit Beschluß vom 27. Januar 1982 II B 38/81 (BFHE 135, 156, BStBl II 1982, 326) entschieden, daß eine Rechtsfrage dann keine grundsätzliche Bedeutung hat, wenn sie mangels Zulässigkeit der Klage im Revisionsverfahren nicht geklärt werden kann (vgl. auch Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Anm. 10, m.w.N.). Unter diesen Umständen ist eine Klärung der von den Klägern für grundsätzlich gehaltenen Frage nicht möglich. Dies gilt unbeschadet der Tatsache, da das FG dazu Ausführungen gemacht hat.
Im übrigen ergeht die Entscheidung gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 26. November 1996 (BGBl I 1996, 1810) ohne Angabe weiterer Gründe.
Fundstellen
Haufe-Index 171006 |
BFH/NV 1999, 1109 |