Entscheidungsstichwort (Thema)
Hinreichende Erfolgsaussicht als Voraussetzung für PKH-Gewährung
Leitsatz (NV)
- Um eine hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung zu bejahen, muß das Gericht in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit einer die Rechtsverfolgung stützenden Beweisführung überzeugt sein.
2. Zur Beurteilung der Erfolgsaussicht einer Klage desjenigen, der als weiterer Schuldner für Eingangsabgaben für eingeschmuggelte Waren in Anspruch genommen wird.
Tatbestand
Normenkette
FGO § 142 Abs. 1; ZG § 57 Abs. 2 S. 2; ZPO § 114
Tatbestand
Der Antragsteller und Beschwerdeführer wird von dem Antragsgegner und Beschwerdegegner (Hauptzollamt ―HZA―) als weiterer Schuldner der Eingangsabgaben ―in Höhe von 20 671,40 DM― für 487 Stangen Zigaretten in Anspruch genommen. Das HZA geht davon aus, daß der Antragsteller diese Zigaretten von seinem Bruder B. gekauft hat. Dieser habe die Zigaretten vorher über die damalige DDR aus Polen eingeführt, sie aber hier nicht gestellt. Gegen den Steuerbescheid vom 15. Mai 1991 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 14. Juni 1993 hat der Antragsteller Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist, und Prozeßkostenhilfe (PKH) für das Klageverfahren beantragt, in dem er insbesondere
vorträgt, B. habe keine Zigaretten aus Polen eingeführt.
Das Finanzgericht (FG) lehnte den Antrag ab, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Die summarische Prüfung ergebe, daß der Antragsteller zu Recht für die Eingangsabgaben in Anspruch genommen worden sei. Aus Aufzeichnungen der DDR-Zollverwaltung ergebe sich, daß B. am 12. April 1990 385 Stangen Zigaretten aus Polen durch die DDR in das Bundesgebiet befördert habe. Bei B. vorgefundene Unterlagen (u.a. Rechnungen von Ende April und Mai 1990 über Bezüge
von ca. 2 000 Stangen Zigaretten; Briefumschlag mit dem Namen des Antragstellers und der Angabe "2 845 DM") belegten weitere Ankäufe, ferner Zigarettenverkäufe erheblichen Umfangs. Ausweislich der Aufzeichnungen habe der Antragsteller ―in Kenntnis der Herkunft der Zigaretten― mindestens 487 Stangen von B. erhalten. Bei dem Antragsteller seien auch unversteuerte Zigaretten gefunden worden. Der Antragsteller sei identisch mit dem X (Telefon-Nr. …), mit dem B. ausweislich der Aufzeichnungen Zigarettengeschäfte getätigt habe. Der Antragsteller habe einen ―deutschen― Telefonanschluß mit dieser
Nummer. Die entgegenstehende Darstellung des Antragstellers sei nicht glaubhaft und auch nicht durch Vorlage präsenter Beweismittel glaubhaft gemacht worden.
In seiner Beschwerde bestreitet der Antragsteller, von B. 487 Stangen Zigaretten angekauft zu haben. X sei in Wirklichkeit Z in Polen. Hierzu hat der Antragsteller eine Erklärung des F vorgelegt, in der dieser zum Ausdruck bringt, B. habe am 12. April 1990 für ihn 385 Stangen Zigaretten in die DDR verbracht, aber keinen Anteil an "Handelstransaktionen mit Zigaretten" im Bundesgebiet gehabt.Der Antragsteller beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und ihm PKH zu gewähren.
Das HZA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist nicht begründet.
Das FG hat den Antrag mit Recht abgelehnt. PKH kann nicht bewilligt werden, weil die Klage nicht, wie für die Gewährung von PKH erforderlich (§ 142 Abs.1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―, § 114 der Zivilprozeßordnung), hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Insoweit ist es erforderlich, aber auch ausreichend, wenn bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen besteht (vgl. Gräber/Ruban, FGO, 3.Aufl. 1993, § 142 Anm.7, 18). Dazu gehört auch, daß das Gericht in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit einer die Rechtsverfolgung stützenden Beweisführung überzeugt
ist (z.B. Bundesfinanzhof, Beschluß vom 25. März 1986 III B 5-6/86, BFHE 146, 223, 225,
BStBl II 1986, 526). Diese Überzeugung vermag indessen das Vorbringen des Antragstellers einschließlich der Beschwerdebegründung nicht zu vermitteln.
Nach den vorliegenden Umständen erscheint die den im Klageverfahren angefochtenen Bescheiden zugrundeliegende Annahme, daß B. u.a. am 12. April 1990 Zigaretten aus Polen in das Bundesgebiet eingeschmuggelt hat und dafür Abgabenschuldner geworden ist (Art.2 Abs.1 Buchst.b, Art.3 Buchst.b der Verordnung ― EWG― Nr.2144/87 des Rates vom 13. Juli 1987 über die Zollschuld, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ―ABlEG― L 201/15, Art.3 Satz 1 der Verordnung ―EWG― Nr.1031/88 des Rates vom 18. April 1988 über die zur Erfüllung einer Zollschuld verpflichteten Personen, ABlEG L 102/5, in Verbindung mit den Verbrauchsteuervorschriften), nicht ernstlich in Frage gestellt. Das gilt auch im Hinblick
auf die Erklärung des F. Unabhängig davon, ob dieser Erklärung überhaupt ein Beweiswert beizulegen ist, kann es nicht in das Wissen des F gestellt sein, ob B. Zigaretten aus Polen in das Bundesgebiet eingeschmuggelt hat.
Wahrscheinlich ―und nicht eher unwahrscheinlich― ist auch, daß der Antragsteller von den durch B. eingeschmuggelten Zigaretten die in der Einspruchsentscheidung angenommene Menge in Kenntnis ihrer Herkunft erworben hat und dadurch weiterer Abgabenschuldner geworden ist (Art.3 Satz 2 Buchst.a Verordnung ―EWG― Nr.1031/88, § 57 Abs.2 Satz 2 des Zollgesetzes in Verbindung mit den Verbrauchsteuervorschriften). Hierfür sprechen die Feststellungen, die bei der Durchsuchung der Wohnungen des B. und des Antragstellers selbst getroffen worden sind. Hinsichtlich der Menge erscheint es bei summarischer Prüfung vertretbar, die Aufzeichnungen des B. über Zigarettengeschäfte mit X ―487
Stangen― auf entsprechende Verkäufe an den Antragsteller, nicht aber auf Einkäufe bei F zu beziehen. Zwar scheint F nach dem Firmenstempel auf der Erklärung vom 27. Oktober 1993 ―auch― einen polnischen Telefonanschluß mit einer entsprechenden Telefonnummer zu haben. Da aber in den Aufzeichnungen nur die Telefonnummer selbst, ohne die polnische Vorwahlnummer … (die auch der Firmenstempel wiedergibt), vermerkt ist, liegt es näher, diese Nummer einem deutschen Anschluß, hier: dem des Antragstellers, zuzuordnen. Im übrigen spricht auch die Menge selbst mehr für einen (Detail-)Verkauf als für einen Einkauf
in größeren Gebinden (mit "vollen" Stangen-Zahlen).
Fundstellen
Haufe-Index 604800 |
BFH/NV 1995, 62 |