Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB: Richterablehnung, Überraschungsentscheidung, Voraussetzung für den Erlass wegen persönlicher Unbilligkeit
Leitsatz (NV)
- Eine Überraschungsentscheidung liegt nicht schon deshalb vor, weil die Sachverhaltswürdigung nicht den Erwartungen des Klägers entspricht.
- Ein Erlass wegen persönlicher Unbilligkeit kommt nur in Betracht, wenn sich der Billigkeitserlass auf die wirtschaftliche Situation des Steuerpflichtigen (noch) konkret auswirken kann.
- Dienstliche Äußerungen der abgelehnten Richter sind entbehrlich, wenn das Ablehnungsgesuch offensichtlich unzulässig ist.
Normenkette
AO 1977 § 227; FGO §§ 51, 119; ZPO § 42
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
Die Rüge eines Verfahrensmangels setzt die genaue Bezeichnung der Tatsachen voraus, aus denen sich nach Ansicht des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) der behauptete Verfahrensverstoß ergibt (z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 19. Januar 2000 II B 41/99, BFH/NV 2000, 1102). Zudem muss das Vorbringen in sich schlüssig sein (z.B. BFH-Beschluss vom 22. Juni 1999 X B 25/99, BFH/NV 1999, 1612). Daran fehlt es.
1. Zur Begründung der geltend gemachten Verfahrensmängel i.S. des § 119 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) trägt der Kläger im Wesentlichen vor, er habe die drei Berufsrichter deswegen als befangen abgelehnt, weil sie ihn, einen Rechtsanwalt, als Prozessbevollmächtigten in seinem Klageverfahren dadurch missachtet hätten, dass sie ihn sowohl im Verhandlungsprotokoll als auch im Urteil sowie in den drei Beschlüssen zwar als Kläger bezeichnet, ihn aber nicht wie erforderlich auch als ―sein eigener― Prozessbevollmächtigter aufgeführt hätten. Die Richter hätten mit Rücksicht auf diese, die Befangenheit begründende Missachtung seiner Person als Kläger und Prozessbevollmächtigter nicht weiter in seinem Verfahren tätig werden dürfen.
a) Damit hat der Kläger keinen Verfahrensmangel nach § 119 Nr. 2 FGO schlüssig gerügt. Bei Ablehnung eines Richters wegen Befangenheit (§ 51 FGO i.V.m. § 42 der Zivilprozessordnung ―ZPO―) ist die Verfahrensrüge nach § 119 Nr. 2 nur dann schlüssig erhoben, wenn der Richter "mit Erfolg" abgelehnt worden ist. Das ist nicht der Fall.
b) Im Streitfall kann offen bleiben, ob seit In-Kraft-Treten des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I, 1757) die Rüge, ein Ablehnungsgesuch sei vom Finanzgericht (FG) zu Unrecht zurückgewiesen worden, mit der Besetzungsrüge nach § 119 Nr. 1 FGO geltend gemacht werden kann (verneinend zu § 116 Abs. 1 Nr. 1, § 119 Nr. 1 FGO i.d.F. vor dem 2.FGOÄndG die ständige BFH-Rechtsprechung seit der Entscheidung des Großen Senats vom 30. November 1981 GrS 1/80, BFHE 134, 525, BStBl II 1982; vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 21. Dezember 2001 VII R 24/01, BFH/NV 2002, 660; für die Rechtslage nach In-Kraft-Treten des 2.FGOÄndG z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 119 Rz. 9, m.w.N.); im Streitfall fehlt es insoweit schon an einer schlüssigen Rüge, denn die pauschale Ablehnung aller Richter eines Spruchkörpers ist grundsätzlich unstatthaft (z.B. BFH-Beschlüsse vom 10. Dezember 1997 IX B 85/97, BFH/NV 1998, 718, und vom 15. Dezember 2000 VII B 201/00, BFH/NV 2001, 637). Anhaltspunkte dafür, dass die behauptete Fehlerhaftigkeit der Entscheidung auf einer unsachlichen Einstellung der einzelnen Richter gegen den ablehnenden Beteiligten beruhte, lässt die Beschwerdebegründung nicht erkennen. Aus demselben Grund waren auch dienstliche Äußerungen der abgelehnten Richter entbehrlich (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 20. Dezember 2000 XI R 34/99, BFH/NV 2001, 797). Im Übrigen waren entgegen der Auffassung des Klägers weder die Rechtsmittelbelehrung im Beschluss über die Ablehnung des Befangenheitsantrags rechtsfehlerhaft (vgl. § 128 Abs. 2 FGO) noch die Rechtsmittelbelehrung im Beschluss über den Antrag auf Protokollberichtigung (z.B. BFH-Beschluss vom 18. Dezember 2000 IV B 3/00, BFH/NV 2001, 796). Des Weiteren sind Beschlüsse, die nicht mit Rechtsmitteln angefochten werden können, nicht zu begründen (§ 113 Abs. 2 Satz 1 FGO). Auch hat das FG zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Entscheidung nach § 155 FGO i.V.m. § 321a ZPO verneint.
2. Eine Verletzung des Rechts auf Gehör kann vorliegen, wenn das Gericht die Beteiligten nicht auf einen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt hinweist, den es seiner Entscheidung zugrunde legen will (z.B. BFH-Beschluss vom 28. Oktober 2002 III B 142/01, juris; Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Juli 1997 1 BvR 1934/93, Neue Juristische Wochenschrift 1997, 2305). Dies kann z.B. der Fall sein, wenn ein bisher nicht erörterter Gesichtspunkt zur Grundlage der Entscheidung gemacht wird, der dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein kundiger Beteiligter nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht hat rechnen müssen (z.B. BFH-Beschluss vom 15. Juni 2001 VII B 45/01, BFH/NV 2001, 1580).
a) Eine schlüssige Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs, die auf einzelne Feststellungen oder rechtliche Gesichtspunkte des vorinstanzlichen Urteils bezogen wird, erfordert, dass im Einzelnen dargelegt wird, wozu der Beschwerdeführer sich nicht hat äußern können und was er bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 3. September 2001 GrS 3/98, BFHE 196, 39, BStBl II 2001, 802). Darüber hinaus muss angegeben werden, dass bei Berücksichtigung des Sachvortrags eine andere Entscheidung des FG möglich gewesen wäre (BFH-Beschlüsse vom 4. Juli 2001 VIII B 79/00, BFH/NV 2001, 1553; vom 30. April 1987 V B 86/86, BFHE 149, 437, BStBl II 1987, 502; vgl. auch Gräber/Ruban, a.a.O., § 119 Rz. 14).
b) Eine Überraschungsentscheidung liegt nicht schon deshalb vor, weil die Würdigung nicht den Erwartungen des Klägers entspricht. Das FG hat im Übrigen seine Entscheidung u.a. darauf gestützt, dass ein Erlass nur den Gläubigern des Klägers und nicht ihm selbst zugute kommen würde. Dieser Gesichtspunkt ist erheblich. Ein Erlass aus Billigkeitsgründen setzt nämlich ―neben der Erlassbedürftigkeit und Erlasswürdigkeit des Steuerpflichtigen― voraus, dass der Erlass der Steuer dem Steuerpflichtigen und nicht einem Dritten (Gläubiger des Steuerpflichtigen) zugute kommt (vgl. BFH-Urteil vom 11. Mai 1965 I 390/61, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1965, 483, und BFH-Beschlüsse vom 24. Oktober 1988 X B 54/88, BFH/NV 1989, 285; vom 19. Februar 2002 V B 52/01, BFH/NV 2002, 956). Es fehlen schlüssige Darlegungen dazu, was der Kläger hierzu noch vorgetragen hätte und weshalb das FG insoweit zu einer anderen Entscheidung hätte kommen müssen.
3. Inwiefern das angefochtene Urteil darauf beruhen soll, dass das FG ihn im Rubrum nicht als sein eigener Prozessbevollmächtigter aufgeführt hat, hat der Kläger nicht, wie erforderlich (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 3. September 2002 I B 107/01, BFH/NV 2003, 68), dargelegt.
4. Von einer weiteren Begründung (insbesondere auch der Wiedergabe des Sachverhalts) sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
Fundstellen