Entscheidungsstichwort (Thema)
Klageerweiterung; Streitwert für verbindliche Zolltarifauskünfte; Zuziehung eines Bevollmächtigten
Leitsatz (NV)
1. Zur isolierten Kostenentscheidung bei Erledigung der Hauptsache.
2. Zur Sachdienlichkeit einer Klageerweiterung.
3. Der Streitwert einer Klage gegen eine verbindliche Zolltarifauskunft betrug bei Klageerhebung vor 1987 4 000 DM.
4. Die Gerichtsentscheidung, mit der die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig erklärt wird, setzt voraus, daß sich an das Vorverfahren ein zulässiges gerichtliches Verfahren angeschlossen hat.
Normenkette
FGO § 67 Abs. 1, § 138 Abs. 1, § 139 Abs. 3 S. 3; GKG § 13 Abs. 1 S. 2, § 73 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Die Klägerin beantragte im September 1984 bei der Beklagten (Oberfinanzdirektion - OFD -) verbindliche Zolltarifauskünfte (vZTA) für vier von ihr als ,,programmierbare Rechner" bezeichnete Waren. Die OFD wies die Waren in vier vZTA der Tarifst. 84.52 A des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) zu. Nach erfolglosen Einsprüchen begehrte die Klägerin mit ihrer Klage sinngemäß die Aufhebung der vZTA und die Verpflichtung der OFD, ihr neue vZTA zu erteilen, in denen die Waren der Tarifst. 84.53 B GZT zugewiesen werden. Nachdem sich die in den vZTA angewendeten Rechtsvorschriften am 1. Januar 1986 geändert hatten und die vZTA nach § 23 Abs. 3 des Zollgesetzes außer Kraft getreten waren, ging die Klägerin zur Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 100 Abs. 1 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) über.
Mit Schriftsatz vom . . . bat die Klägerin, auch die vZTA zu acht weiteren Geräten zum Gegenstand des Verfahrens zu machen. Zur Begründung wies sie darauf hin, daß sie gegen die vZTA für diese Waren Einspruch eingelegt habe. In ihrem Antrag liege keine Klageerweiterung, da seit dem Übergang zur Fortsetzungsfeststellungsklage primär die Feststellung Gegenstand des Verfahrens sei, welche Kriterien von Modellen erfüllt sein müßten, um als Computer verzollt zu werden. Sollte der Senat jedoch der Auffassung sein, daß doch eine Klageerweiterung vorliege, so werde diese hilfsweise beantragt. Die Klageerweiterung sei sachdienlich. Die OFD stimmte der Klageerweiterung nicht zu.
Nach Ergehen der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) . . . erklärten beide Beteiligten die Hauptsache für erledigt. Die OFD teilte dazu mit: Sie habe in einem Schreiben an die Klägerin festgestellt, daß die Geräte, die vor der Klageänderung allein Gegenstand des vorliegenden Verfahrens gewesen seien, zur Tarifst. 84.53 B GZT gehörten. Auch die Einspruchsverfahren hinsichtlich der Geräte, die Gegenstand der Klageerweiterung seien, seien im Sinn der Klägerin abgeschlossen worden; auch diese Geräte gehörten zur Tarifst. 84.53 B GZT.
Die Klägerin beantragt, den Streitwert auf insgesamt 72 000 DM festzusetzen (insgesamt 12 Geräte, 6 000 DM pro vZTA). Ferner beantragt sie, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären. Schließlich machte die Klägerin umfangreiche Ausführungen, die sich offenbar auf die Kostenerstattung beziehen.
Entscheidungsgründe
Da die Beteiligten übereinstimmend die Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Das hat nach § 138 Abs. 1 FGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu geschehen. Wäre ein Beteiligter nach dem bisherigen Sach- und Streitstand voraussichtlich unterlegen, so entspricht es in der Regel billigem Ermessen, ihm die Kosten aufzuerlegen (vgl. z. B. Beschluß des Senats vom 31. August 1976 VII R 20/74, BFHE 119, 407, BStBl II 1976, 686).
Wie sich aus der zitierten Entscheidung des EuGH ergibt, wäre die OFD voraussichtlich unterlegen hinsichtlich des ursprünglichen Klagebegehrens (vier vZTA). Es ist daher gerechtfertigt, insoweit ihr die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Dagegen wäre die Klägerin voraussichtlich unterlegen hinsichtlich der durch ihre Klageerweiterung in das Verfahren eingeführten acht vZTA. Der Antrag der Klägerin, die acht vZTA für die Geräte . . . in das Verfahren einzubeziehen, die nicht Gegenstand ihrer ursprünglichen Klage waren, kann nur als Klageänderung (Klageerweiterung) i. S. des § 67 Abs. 1 FGO gewertet werden. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen jedoch nicht vor. Die OFD hat nicht eingewilligt. Die Klageerweiterung ist auch nicht als sachdienlich anzusehen, da in Anbetracht der Erledigung der Hauptsache über sie ohnehin nicht sachlich hätte entschieden werden können. Da die Klage, soweit sie erweitert worden ist, demnach als unzulässig hätte verworfen werden müssen, sind der Klägerin insoweit die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Der Streitwert des Verfahrens betrug ursprünglich 16 000 DM (vgl. Senatsbeschlüsse vom 2. August 1977 VII K 6/76, BFHE 123, 12, und vom 4. August 1987 VII S 17/87, BFHE 150, 318 i. V. m. § 73 Abs. 1 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Ab Eingang des Antrags auf Klageerweiterung erhöhte sich der Streitwert um 32 000 DM. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 2, § 25 Abs. 1 Satz 1, § 73 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren über die ursprünglich angefochtenen vier vZTA war für notwendig zu erklären (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO). Dieser Anspruch gilt jedoch nicht für die Vorverfahren hinsichtlich der in der Klageerweiterung genannten vZTA. Denn § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO fordert, daß sich an das Vorverfahren ein gerichtliches Verfahren angeschlossen hat (vgl. Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 139 Anm. 29, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Diese Voraussetzung liegt hier insoweit nicht vor, da die Klageerweiterung, wie ausgeführt, unzulässig war.
Für die Festsetzung der zu erstattenden Aufwendungen ist der Senat nicht zuständig (vgl. § 149 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 416635 |
BFH/NV 1990, 388 |