Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Rückstellung für künftige Beiträge an den Pensionssicherungsverein
Leitsatz (NV)
Rückstellungen für künftige Beiträge an den Pensionssicherungsverein dürfen auch insoweit nicht gebildet werden, als sie unverfallbare Anwartschaften aus bereits eingetretenen Insolvenzen betreffen (im Anschluß an BFH-Urteil vom 13.11. 1991 I R 102/88, BFHE 166, 222, BStBl II 1992, 336).
Normenkette
EStG § 5 Abs. 1, § 6a; HGB § 249 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammen veranlagt werden. Der Ehemann (Kläger) betreibt ein Dienstleistungsunternehmen (Gewinnermittlung nach § 5 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Wirtschaftsjahr ist das Kalenderjahr. Der Kläger machte Arbeitnehmern unmittelbar Versorgungszusagen und bildete hierfür Rückstellungen nach § 6a EStG. Er erbrachte laufende Versorgungsleistungen an Versorgungsempfänger; für noch tätige und einige ausgeschiedene Arbeitnehmer bestanden unverfallbare Versorgungsanwartschaften. Die laufenden Leistungen und die Anwartschaften sind insolvenzgesichert nach § 10 Abs. 3 Nr. 1 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vom 19. Dezember 1974 - BetrAVG - (BGBl I 1974, 3610).
Der für die Insolvenzsicherung zuständige Pensionssicherungsverein a.G. (PSV) erhob in den Streitjahren bei dem Kläger Beiträge gemäß § 10 Abs. 2 BetrAVG. Der Kläger bildete in den Streitjahren 1982 bis 1987 - unabhängig von den Rückstellungen nach § 6a EStG - Rückstellungen für künftige Beiträge an den PSV, soweit diese unverfallbare Anwartschaften in bereits eingetretenen Insolvenzfällen betrafen. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) erkannte diese Rückstellungen bei den Einkommensteuerveranlagungen 1982 bis 1984, 1986 und 1987 nicht an. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 13. November 1991 I R 102/88 (BFHE 166, 222, BStBl II 1992, 336) ab. Die Kläger erstreben mit der Beschwerde die Zulassung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist zulässig. Das im einzelnen belegte Vorbringen, es seien zwischenzeitlich im Schrifttum gewichtige rechtliche Gesichtspunkte gegen das Urteil in BFHE 166, 222, BStBl II 1992, 336 geäußert worden, genügt den verfahrensrechtlichen Anforderungen in eine Nichtzulassungsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Die Beschwerde ist aber unbegründet. Die Rechtsfrage hat keine grundsätzliche Bedeutung, sie ist nicht mehr klärungsbedürftig.
Die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung (§ 152 Abs. 7 des Aktiengesetzes - AktG - 1965, § 249 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuches - HGB -, § 5 Abs. 1 EStG) sind nicht gegeben. Der Senat tritt den Ausführungen des I.Senats in BFHE 166, 222, BStBl II 1992, 336 bei (zustimmend auch Groh, Steuer und Wirtschaft - StuW - 1992, 184), die der II.Senat für die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens übernommen hat (BFH-Urteil vom 3. Juni 1992 II R 141/88, BFHE 168, 375, BStBl II 1992, 792). Die Kritik von Siepe (Der Betrieb - DB - 1992, 2308), die sich die Kläger zu eigen gemacht haben, enthält keine gewichtigen neuen rechtlichen Gesichtspunkte (dazu BFH-Beschluß vom 23. Januar 1992 II B 64/91, BFH/NV 1992, 676), die eine Überprüfung der Rechtsprechung nahelegen könnten.
Die Insolvenzsicherung dient der Sicherung der Ansprüche von Versorgungsempfängern im Falle des Konkurses oder gleichstehender Insolvenzlagen ihres Arbeitgebers (§ 7 Abs. 1 BetrAVG). Gleichermaßen sind Personen mit unverfallbaren Versorgungsanwartschaften gesichert (§ 7 Abs. 2 BetrAVG). Träger der Insolvenzsicherung ist der PSV (§ 14 Abs. 1 BetrAVG), der die Mittel für die Durchführung der Insolvenzsicherung aufgrund öffentlich-rechtlicher Verpflichtung durch Beiträge aller Arbeitgeber, die eine betriebliche Altersversorgung zugesagt haben, aufbringt (§ 10 Abs. 1 BetrAVG). Die Insolvenzsicherung dient ausschließlich dem Arbeitnehmerschutz (Ahrend/Förster/Rößler, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 3. Aufl., 1. Teil Rz. 626). Der tätige oder frühere Arbeitnehmer mit Versorgungsansprüchen oder unverfallbaren Anwartschaften soll davor geschützt sein, daß sein Arbeitgeber wegen Insolvenz die zugesagten Leistungen nicht mehr erbringen kann.
Die Rechtslage für den beitragszahlenden Arbeitgeber wird zutreffend mit einer Versicherung (Schadensversicherung) verglichen (Meilicke, DB 1983, 2191; Christiansen/Riemer, Die Steuerliche Betriebsprüfung - StBp - 1984, 169: Versicherung für fremde Rechnung; a.A. Höfer/Reiners, DB 1989, 589, 591). Der Arbeitgeber ist der Versicherungsnehmer, der gegen das Risiko eigener Insolvenz bei dem PSV versichert ist, soweit seine Versorgungsempfänger oder seine Arbeitnehmer mit unverfallbaren Anwartschaften betroffen sind. Dieser Personenkreis ist gegenüber dem PSV im Schadensfall (Insolvenz des Arbeitgebers) bezugsberechtigt. Der PSV ist der Versicherer, der das Risiko auf alle sicherungspflichtigen Arbeitgeber verteilt und von diesen Beiträge (Prämien) einhebt.
Hiervon ausgehend hat der BFH in BFHE 166, 222, 231f., BStBl II 1992, 336 (unter 2. 9.) das Verhältnis des Arbeitgebers zu dem PSV zutreffend als ein Dauerschuldverhältnis gekennzeichnet, bei dem sich die Gewährung von Versicherungsschutz durch den PSV und die Beitragspflicht des sicherungspflichtigen Arbeitgebers ausgeglichen gegenüberstehen. Nach den Grundsätzen des schwebenden Vertrags entfällt eine Passivierung der laufenden Beitragspflicht. Unerheblich ist, daß die Beiträge (Prämien) nicht nach dem Äquivalenzprinzip bemessen werden, sondern die Arbeitgeber mit guter Bonität stärker treffen. Auf die Bemessung der Beiträge kommt es nicht an. Hieran ändert sich nichts dadurch, daß § 10 Abs. 2 BetrAVG offenlegt und im einzelnen vorschreibt, wie der PSV die Beiträge zu ermitteln hat. Die Beitragsbemessung setzt jedenfalls, wie die großen Insolvenzfälle der Vergangenheit gezeigt haben, den PSV in den Stand, seinen Zahlungspflichten nachzukommen. Ein Verpflichtungsüberhang, der eine Rückstellung wegen eines drohenden Verlustes aus der Insolvenzsicherung rechtfertigen könnte, besteht nicht.
Die Beitragsverpflichtung läßt sich weder ganz noch teilweise aus dem schwebenden Vertragsverhältnis herauslösen und gesondert unter dem Gesichtspunkt einer Verbindlichkeitsrückstellung betrachten. Die vom I.Senat in BFHE 166, 222, 233, BStBl II 1992, 336 (unter 2. 14.) offengelassene Frage, ob mit dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 13. März 1987 (BStBl I 1987, 365, unter 2. c) eine pensionszusageähnliche Verpflichtung i.S. des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 des Einführungsgesetzes zum Handelsgesetzbuch (EGHGB) anzunehmen ist, kann weiterhin unentschieden bleiben.
Die Kläger haben im finanzgerichtlichen Verfahren geltend gemacht, die begehrte Rückstellung sei, falls ein schwebendes Versicherungsverhältnis anzunehmen sei, unter dem Gesichtspunkt des Erfüllungsrückstands zu gewähren. Der Kläger war indessen mit der Erfüllung der von dem PSV angeforderten Beiträge nicht im Rückstand. Das gilt selbst dann, wenn der Begriff des Erfüllungsrückstands wirtschaftlich zu beurteilen sein und noch nicht fällige Verpflichtungen erfassen sollte (dazu BFH-Urteil vom 3. Dezember 1991 VIII R 88/87, BFHE 167, 322, 329f., BStBl II 1993, 89). Ein Erfüllungsrückstand muß selbst nach dieser Rechtsprechung Vergangenes abgelten. Hieran fehlt es. Die Beiträge gelten die Gewährung von Versicherungsschutz durch den PSV ab. Versichert ist die eigene Insolvenz des Beitragszahlers (Arbeitgeber), die naturgemäß allenfalls in der Zukunft eintreten kann. Es sind auch keine besonderen Umstände ersichtlich, die die erst künftig zu zahlenden Beitragsteile als Erfüllungsrückstand erscheinen ließen. Das in § 10 Abs. 2 BetrAVG geregelte Kapitalwert-Umlageverfahren ist ein vom Gesetzgeber gefundener Mittelweg zwischen dem Anwartschaftsdeckungsverfahren, das die Anwartschaftsfinanzierung einbezogen hätte, und einem Ausgabe-Umlageverfahren, das nur die jährlich fälligen Versorgungszahlungen ausgeglichen hätte (Höfer/Reiners/Wüst, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, § 10 Rz. 3107). Es handelt sich sonach um ein übliches Umlageverfahren ohne Besonderheiten, das bisher den Bestand des PSV gesichert hat.
Fundstellen
Haufe-Index 419512 |
BFH/NV 1994, 238 |