Entscheidungsstichwort (Thema)
Notwendigkeit präsenter Beweismittel bei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Leitsatz (NV)
Im Verfahren über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind nur präsente Mittel zur Glaubhaftmachung zulässig. Eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann, ist unstatthaft.
Normenkette
FGO § 56 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG. Sie hat gegen das ihre Klage abweisende Urteil des Finanzgerichts (FG) Revision eingelegt und beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Bescheide über Gewinnfeststellungen 1978 bis 1980, Gewerbesteuer 1977 bis 1979 und Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Juli 1977 bis 1. Januar 1980 in der Weise zu ändern, daß die vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) vorgenommenen Zurechnungen aufgrund der angenommenen Mitunternehmerstellung des Beigeladenen zu 2. außer Ansatz bleiben.
Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.
Das FG-Urteil ist der Klägerin am 14. Dezember 1984 zugestellt worden. Die Revision ist erst am 16. Januar 1985, also verspätet beim FG eingegangen.
Dies ist dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben des Senatsvorsitzenden vom 21. Februar 1985 mitgeteilt worden. Der Prozeßbevollmächtigte hat daraufhin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Der Antrag wird wie folgt begründet: Am 14. Januar 1985 habe er, der Prozeßbevollmächtigte, seinen langjährigen Mitarbeiter, den Steuerfachgehilfen B beauftragt, den in einem Briefumschlag befindlichen Revisionsschriftsatz noch am selben Tage in den Briefkasten des FG Münster einzuwerfen. B sei ein zuverlässiger Angestellter und der Leiter der Buchhaltungsabteilung. Er sei sach- und fachkundig. Er habe daher erkennen können, daß für den Fall der nicht rechtzeitigen Besorgung des Briefes Fristablauf drohe. Unmittelbar nach Aushändigung des Briefumschlages mit der Revisionsschrift an B am 14. Januar 1985 sei dem B telefonisch mitgeteilt worden, daß sein Schwiegervater plötzlich sehr schwer erkrankt sei. Die Ehefrau des B habe den B darum gebeten, sofort an das Krankenbett seines Schwiegervaters zu kommen. Zuvor habe B den Briefumschlag mit der Revisionsschrift in seiner Aktentasche deponiert und mit in seinen Wagen genommen.
Infolge der Erkrankung seines Schwiegervaters sei dem B der ihm übertragene Botenauftrag völlig aus dem Gedächtnis gekommen. Dies um so mehr, als er auch am 15. Januar 1985 ,,mit Besorgungen für seinen Schwiegervater beauftragt" gewesen sei. Erst am 16. Januar 1985 sei dem B der ihm übertragene Auftrag wieder bewußt geworden. B habe an diesem Tage nicht gewußt, daß die Revisionsfrist bereits abgelaufen gewesen sei. Deshalb habe B ihn, den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin, auch nicht informiert. Er, der Prozeßbevollmächtigte, habe daher von der Fristversäumung erst durch das Schreiben des Senatsvorsitzenden vom 21. Februar 1985 Kenntnis erlangt.
Als Beweis für die Richtigkeit der vorbezeichneten Darstellung bietet der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin die Vernehmung des B an.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig. Sie ist verspätet eingelegt worden. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden.
Nach § 56 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 56 Abs. 2 Satz 1 FGO). Die Tatsachen zur Begründung des Antrages sind glaubhaft zu machen (§ 56 Abs. 2 Satz 1 FGO). Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin hat nicht glaubhaft dargelegt, daß er ohne Verschulden verhindert war, die Revisionsfrist einzuhalten.
Die von dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin vorgelegte Ablichtung der Sterbeurkunde des Schwiegervaters des B reicht zur Glaubhaftmachung des behaupteten Geschehensablaufs am 14. Januar 1985 schon deshalb nicht aus, weil sich aus dieser Ablichtung nichts über den Ablauf der Ereignisse am 14. Januar 1985 ergibt.
Zur Glaubhaftmachung i. S. des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO reicht auch die als Beweis angebotene Vernehmung des Angestellten B nicht aus, weil gemäß des nach § 155 FGO auch für das finanzgerichtliche Verfahren geltenden § 294 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung - ZPO - (vgl. Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 56 Anm. 12 und § 155 Anm. 5 D) für die Glaubhaftmachung eine Beweisaufnahme unstatthaft ist, die nicht sofort erfolgen kann (vgl. Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, Zivilprozeßordnung, 44. Aufl., § 294 Anm. B 4). Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin hätte, um dem Erfordernis des § 294 Abs. 2 ZPO zu genügen, eine eidesstattliche Versicherung seines Angestellten B über die Tatsachen vorlegen müssen, aus denen die unverschuldete Versäumung der Revisionsfrist hätte entnommen werden können.
Fundstellen
Haufe-Index 414244 |
BFH/NV 1986, 290 |