Entscheidungsstichwort (Thema)
Klärungsfähigkeit einer Rechtsfrage als Voraussetzung für Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2, 1. Alternative FGO n.F.
Leitsatz (NV)
- Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO i.d.F. des 2. FGOÄndG setzt nach allgemeiner, auch unter der Geltung des neuen Rechts zu beachtender Auffassung u.a. voraus, das die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Rechtsfrage in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig und entscheidungserheblich ist.
- Voraussetzung für die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative FGO n.F. ist, dass die Entscheidung über den Rechtsstreit von der Rechtsfortbildung abhängt und eine Entscheidung des BFH zu dieser Rechtsfortbildung erforderlich ist. Dies ist zu verneinen, wenn die vom Beschwerdeführer aufgeworfenen Rechtsfragen, deren Beantwortung durch den BFH nach Ansicht des Beschwerdeführers der Rechtsfortbildung dienen soll, in einem künftigen Revisionsverfahren nicht klärungsfähig sind.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 2 1. Alternative
Gründe
1. Die Beschwerde ist unbegründet.
a) Grundsätzliche Bedeutung
Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.d.F. des hier anwendbaren Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757) ―im Folgenden: FGO n.F.― setzt nach allgemeiner, auch unter der Geltung des neuen Rechts zu beachtender Auffassung u.a. voraus, dass die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Rechtsfrage in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig und entscheidungserheblich ist (zum neuen Recht vgl. dazu z.B. Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 115 FGO Tz. 49 f.; Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 115 FGO Rz. 108 ff., jeweils m.w.N.).
b) An diesem Erfordernis fehlt es im Streitfall: Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) halten die Beantwortung der Frage für grundsätzlich bedeutsam, ob der in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) entwickelte Grundsatz, dass die Überschusserzielungsabsicht im Zusammenhang mit dem Halten von Kapitalanlagen grundsätzlich für jede einzelne Kapitalanlage getrennt zu beurteilen ist, "nicht nur bei einem gewöhnlichen, mit unterschiedlichen Kapitalanlagen versehenen Wertpapierdepot, sondern auch bei einem geschlossenen Konzept der Kreditaufnahme und Wertpapier-/Geldanlagen zum Aufbau einer (fremdfinanzierten) Kapitalanlage als Altersversorgung Geltung haben kann".
Im Streitfall hat das Finanzgericht (FG) in der angefochtenen Entscheidung zunächst sämtliche von den Klägern geltend gemachten Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen anerkannt, soweit diese Aufwendungen im Zusammenhang mit der Aufnahme des Kredits in Höhe von 50 000 DM bei der X-Bank angefallen sind.
Streitig geblieben ist lediglich der Umfang des Werbungskostenabzugs im Zusammenhang mit der Aufnahme eines weiteren Kredits bei der Y-Bank in Höhe von 460 000 DM. Dieser Kredit ist nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des FG wie folgt verwendet worden:
(1) Ablösung der zum Zwecke der Finanzierung des für eigene Wohnzwecke genutzten Hauses aufgenommenen Darlehen bei der B-Bank |
223 009,00 DM |
und der D-Bank |
19 300,05 DM |
(2) Nebenkosten dieser Umschuldung |
13 208,91 DM |
(3) Lebensversicherungsbeitrag L-Versicherung |
40 088,40 DM |
(4) Einzahlung in "Prämiendepot" L-Versicherung |
104 032,39 DM |
(5) "Ablösungsbetrag" zum 1. Oktober 1989 "Sonstbereich" |
34 879,21 DM |
(6) Auf Konten angelegt |
1 810,42 DM |
(7) Anschaffung F Fremdwährungsanleihe |
23 671,62 DM |
Summe |
460 000,00 DM |
Das FG ist davon ausgegangen, dass lediglich der Teil der Darlehensvaluta zum Zwecke der Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen eingesetzt worden sei, der zur Anschaffung der Fremdwährungsanleihe "F" aufgewendet wurde (= 23 671,62 DM). Es meinte daher, dass lediglich 5,3 v.H. (23 671,62 DM : 446 791,09 DM) der von den Klägern im Streitjahr 1989 für den Kredit der Y-Bank gezahlten Schuldzinsen von insgesamt 31 662,51 DM und der für die Umschuldung angefallenen Aufwendungen in Höhe von 13 208,91 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abziehbar seien, d.h. 2 378,19 DM (5,3 v.H. von 44 871,42 DM). Demgegenüber begehren die Kläger insoweit, die Schuldzinsen mit 11 624,46 DM und die Umschuldungskosten in voller Höhe (13 208,91 DM) zum Werbungskostenabzug zuzulassen.
Ohne dass es auf die Entscheidung der von den Klägern für grundsätzlich bedeutsam gehaltenen Rechtsfrage ankommt, kommt ein Abzug höherer als der vom FG anerkannten Werbungskostenbeträge nicht in Betracht.
aa) Einigkeit besteht zwischen den Beteiligten zunächst darüber, dass ein anteiliger Abzug der an die Y-Bank gezahlten Schuldzinsen insoweit nicht in Betracht kommt, als von dem aufgenommenen Gesamtkredit in Höhe von 460 000 DM Teilbeträge von 223 009 DM und 19 300,05 DM zur Ablösung der beiden privaten Hauskredite verwendet wurden. Dem ist das FG zu Recht gefolgt, da Kredite zur Ablösung privater, nicht der Einkünfteerzielung dienender Darlehen das Schicksal der abgelösten Kredite teilen, also ihrerseits ebenfalls nicht zur Einkünfteerzielung eingesetzt werden.
bb) Ebenso ist dem FG darin beizupflichten, dass ein anteiliger Abzug der an die Y-Bank gezahlten Schuldzinsen auch insoweit ausscheidet, als von der Gesamtkreditsumme ein Teilbetrag in Höhe von 40 088,40 DM zur Bestreitung von Lebensversicherungsbeiträgen an die L-Versicherung verwendet wurde. Diese Auffassung wird offenbar auch von den Klägern geteilt. Mit Recht hat das FG in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die Lebensversicherungsbeiträge in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit Erträgen stehen, die nicht (gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 des Einkommensteuergesetzes ―EStG―) der Besteuerung unterliegen. Dass die Lebensversicherungssumme dazu bestimmt war, später zur Rückführung des Y-Kredits eingesetzt zu werden, ändert daran nichts (vgl. auch BFH-Urteil vom 1. Oktober 1996 VIII R 88/94, BFHE 182, 320, BStBl II 1997, 424, unter 2. b, bb).
cc) Dasselbe gilt für den Teil der Darlehensvaluta in Höhe von 34 879,21 DM, der vom FG als "Ablösungsbetrag zum 1.10.1989 Sonstbereich" bezeichnet wurde. Das FG hat hierzu ―ohne dass insoweit von den Klägern Verfahrensrügen erhoben wurden― festgestellt, dass auch dieser Betrag zur Leistung eines Lebensversicherungsbeitrages verwendet wurde.
dd) Nicht zu beanstanden ist ferner, dass das FG die auf einen Teilbetrag der Darlehensvaluta in Höhe von 1 810,42 DM entfallenden Schuldzinsen nicht als Werbungskosten anerkannt hat. Das FG hat hierzu unangefochten festgestellt, dass die Kläger über die genaue Verwendung dieses Betrages trotz gerichtlichen Hinweises und entgegen ihrer Ankündigung im Erörterungstermin vor dem FG vom 28. März 2001 weder nachvollziehbare Angaben gemacht noch Belege eingereicht haben. Zutreffend hat das FG daher entschieden, dass ein Werbungskostenabzug der hierauf entfallenden Schuldzinsen nach den Grundsätzen der Feststellungslast ausgeschlossen ist.
ee) Im Ergebnis zutreffend hat das FG einen anteiligen Abzug von Schuldzinsen für den Y-Kredit auch insoweit abgelehnt, als die Kläger einen Teilbetrag der Darlehensvaluta in Höhe von 104 032,39 DM auf das "Prämiendepot" bei der L-Lebensversicherung "geparkt" hatten und hieraus vorübergehend ―bis zur endgültigen Verwendung dieses Guthabens― Guthabenzinsen in Höhe von 6 v.H. erzielten.
Die von den Klägern aufgeworfene und für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Rechtsfrage (vgl. oben unter b) könnte in diesem Zusammenhang in einem künftigen Revisionsverfahren allenfalls dann entscheidungserheblich und klärungsfähig werden, wenn die endgültige Verwendung dieser Mittel der Erzielung von (steuerpflichtigen) Einkünften aus Kapitalvermögen (etwa dem Erwerb von Zerobonds oder sonstiger Wertpapiere, bei denen eine Überschusserzielungsabsicht bestand, oder der Finanzierung abziehbarer Werbungskosten usw.) hätte dienen sollen.
Dies hat das FG jedoch zutreffend verneint. Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des FG, die der beschließende Senat seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat (vgl. auch BFH-Beschluss vom 3. August 1993 VII B 29/93, BFH/NV 1994, 326, unter 2.), waren die auf dem "Prämiendepot" unterhaltenen Guthaben endgültig dazu bestimmt, die später fällig werdenden Lebensversicherungsbeiträge der Kläger zu begleichen. Da aber ―wie bereits dargelegt (vgl. oben b, bb)― Kredite, die der Bestreitung von Beiträgen zu Lebensversicherungen dienen, deren Erträge nicht zu steuerpflichtigen Einkünften führen, nicht für Zwecke der Einkünfteerzielung eingesetzt werden, wären die entsprechenden Schuldzinsen für den Refinanzierungskredit der Y-Bank selbst dann nicht abziehbar, wenn man für die Frage des Werbungskostenabzugs ―wie es die Kläger erstreben― auf die endgültige Verwendung der Kreditmittel abstellen würde.
Die entsprechenden anteiligen Schuldzinsen könnten daher nur dann als Werbungskosten abgezogen werden, wenn sich in Bezug auf die vorübergehend aus dem "Prämiendepot" erzielten Kapitaleinnahmen ein Überschuss über die Werbungskosten erzielen ließe. Dies hat das FG zutreffend verneint und wird offenbar auch von den Klägern nicht bestritten.
ff) In Bezug auf die vom FG in Höhe von 5,3 v.H. als Werbungskosten anerkannten Kosten der Umschuldung (13 208,91 DM) kann der beschließende Senat offen lassen, ob überhaupt ein Werbungskostenabzug in Betracht kommt. Selbst wenn dies zu bejahen sein sollte, können die Umschuldungskosten höchstens in dem Maße Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen sein, als der zur Umschuldung aufgenommene Kredit seinerseits dazu eingesetzt wurde, um Einkünfte aus Kapitalvermögen zu erzielen. Letzteres war im Streitfall ―wie das FG zutreffend entschieden hat (vgl. dazu oben b, aa bis ee)― nur insoweit der Fall, als die Kläger die nach Abzug der Umschuldungskosten verbleibenden Mittel des bei der Y-Bank aufgenommenen Umschuldungskredits (460 000 DM ./. 13 208,91 DM = 446 791,09 DM) zur Anschaffung der "F-Fremdwährungsanleihe" verwendet haben, d.h. in Höhe von 23 671,62 DM.
c) Erforderlichkeit einer BFH-Entscheidung zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO n.F.)
Voraussetzung für die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO n.F. ist, dass die Entscheidung über den Rechtsstreit von der Rechtsfortbildung abhängt und eine Entscheidung des BFH zu dieser Rechtsfortbildung erforderlich ist (vgl. z.B. Beermann, a.a.O., § 115 FGO Rz. 111 und 112 ff.). Dies ist zu verneinen, wenn die vom Beschwerdeführer aufgeworfenen Rechtsfragen, deren Beantwortung durch den BFH nach Ansicht des Beschwerdeführers der Rechtsfortbildung dienen soll, in einem künftigen Revisionsverfahren nicht klärungsfähig sind (vgl. auch Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 115 FGO Tz. 66).
So liegt es im Streitfall, wie bereits unter 1. b zur grundsätzlichen Bedeutung ausgeführt wurde.
Fundstellen
Haufe-Index 665082 |
BFH/NV 2002, 220 |