Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine schlüssige Entnahmehandlung durch bloße Nutzungsänderung
Leitsatz (NV)
Zum Zeitpunkt der Entnahme bei einem nicht mehr landwirtschaftlich genutzten Grundstück.
Normenkette
EStG 1975 § 4 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Im Hauptsacheverfahren IV R 102/85 ist streitig, ob der Kläger, Revisionskläger und Antragsteller (Kläger) einen Gewinn aus der Veräußerung seines Grundstücks in X bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft zu versteuern hat.
Der Kläger ist nichtbuchführender Nebenerwerbslandwirt und bezieht neben Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft solche aus nichtselbständiger Arbeit. Mit notariellem Vertrag vom 15. August 1975 veräußerte er ein Grundstück, das bis zum Jahr 1968 unstreitig zu seinem landwirtschaftlichen Betrieb gehört hatte, für 312 180 DM. Hieraus berechnete der Beklagte, Revisionsbeklagte und Antragsgegner (das Finanzamt - FA -) einen Veräußerungsgewinn von 292 436 DM. Die Hälfte dieses Betrages setzte das FA bei der Einkommensteuerveranlagung 1975 an. Gegen den Einkommensteuerbescheid vom 27. Oktober 1977 ließ der durch Rechtsanwälte und einen Steuerberater vertretene Kläger Einspurch einlegen und beantragen, die Bildung einer Rücklage nach § 6b i.V.m. § 6c des Einkommensteuergesetzes (EStG) anzuerkennen. Dem Einspruch wurde insoweit stattgegeben.
Nachdem die Eheleute bis zum 31. Juli 1980 keine der in § 6b Abs. 3 EStG bezeichneten Investitionen getätigt hatten, stellte sich das FA auf den Standpunkt, daß die Rücklage für das Wirtschaftsjahr 1979/80 gewinnerhöhend aufzulösen sei. Es erließ entsprechende Einkommensteuerbescheide 1979 und 1980, in denen es den jeweiligen Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft um die Hälfte der aufgelösten Rücklage erhöhte.
Einspuch und Klage hatten keinen Erfolg.
Der Kläger legte gegen die Vorentscheidung mit Schriftsatz vom 17. Mai 1985 Revision ein und rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Er macht geltend, das Grundstück sei bereits 1968 entnommen worden, weil es von diesem Zeitraum ab nicht mehr landwirtschaftlich genutzt worden sei. Außerdem habe er am 19. März 1968 bei der Gemeinde beantragt, ihm eine Ausnahmegenehmigung zum Bau eines Wohnhauses für sich und seine Familie zu erteilen. Es dürfe nicht zu seinem Nachteil ausschlagen, daß die Ausnahmegenehmigung verweigert und der geplante Bau daher nicht zustande gekommen sei. Darüber hinaus erhebt der Kläger die Rüge mangelnder Sachaufklärung: Das Finanzgericht (FG) habe nicht beachtet, daß das Grundstück zum 1. Januar 1974 als Grundvermögen und nicht als land- und forstwirtschaftliches Vermögen bewertet worden sei. Aufgrund dieses Umstands hätte es den Sachverhalt weiter aufklären müssen.
Mit Schreiben vom 4. Juni 1985 beantragte der Kläger beim FA die Aussetzung der Vollziehung. Das FA wies den Antrag mit Schreiben vom 25. Juni 1985 zurück. Daraufhin stellte der Kläger mit Schriftsatz vom 26. Juli 1985 Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beim Bundesfinanzhof (BFH).
Entscheidungsgründe
Der Antrag ist unbegründet, weil die in § 69 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vorausgesetzten ,,ernstlichen Zweifel" an der Rechtmäßigkeit der die Einkommensteuerbescheide 1979 und 1980 bestätigenden Vorentscheidung nicht bestehen.
1. Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, daß der Kläger die Rücklage nach § 6c Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 6b EStG in den Streitjahren 1979 und 1980 anteilig gewinnerhöhend hat auflösen müssen. Diese Rücklage war auch zulässigerweise zu Lasten der Jahresgewinne 1975 und 1976 gebildet worden, da das Grundstück erst aufgrund der Veräußerung am 15. August 1975 aus dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen ausgeschieden ist.
a) Entgegen der Annahme des Klägers ist das Grundstück nicht vorher (1968) entnommen worden. Weder die vom Kläger behauptete völlige Einstellung der Nutzung des Grundstücks ab 1968 noch der Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zum Bau eines Wohnhauses stellen eine schlüssige Entnahmehandlung dar mit der Folge, daß das bisherige Betriebsgrundstück bereits vor seiner Veräußerung notwendiges Privatvermögen geworden wäre.
Nach dem Urteil des Senats vom 4. November 1982 IV R 159/79 (BFHE 137, 294, BStBl II 1983, 448) verlieren bisher landwirtschaftlich genutzte Grundstücke, die der Steuerpflichtige brachliegen läßt, durch diese Nutzungsänderung zwar ihre Eigenschaft als notwendiges Betriebsvermögen. Jedoch bleiben sie ohne ausdrückliche Entnahmehandlung bei nicht buchführenden Landwirten auch vor Inkrafttreten des § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG, der durch das Gesetz zur Neuregelung der Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft vom 25. Juli 1980 (BGBl I, 732, BStBl I 1980, 400) in § 4 Abs. 1 EStG eingefügt wurde, landwirtschaftliches Betriebsvermögen. Voraussetzung für ein Ausscheiden aus dem Betriebsvermögen durch eine Nutzungsänderung ist nämlich, daß die Nutzungsänderung jede Beziehung des Wirtschaftsguts zum Betrieb endgültig beendet und allgemeine steuerliche Grundsätze einer weiteren Zurechnung dieses dem Betrieb nicht mehr dienenden Wirtschaftsguts zu einem Betriebsvermögen entgegenstehen. Das ist nur der Fall, wenn durch die Nutzungsänderung das Grundstück notwendiges Privatvermögen geworden ist. Bei bloßer Nichtnutzung eines Grundstücks kann hiervon noch nicht gesprochen werden, weil weder gesagt werden kann, daß es schon zum Privatvermögen, noch, daß es weiterhin zur Landwirtschaft gehört.
Dieser indifferente Zustand kann nur durch eine eindeutige Entnahmehandlung des Steuerpflichtigen beendigt werden, was im Streitfall nicht geschehen ist. Auch der Antrag vom 19. März 1968 ist keine solche Handlung, da die damit verfolgte Bauabsicht infolge des abschlägigen Bescheids der Gemeinde nicht realisiert werden konnte. Dabei sind die Motive des Steuerpflichtigen, die für das Aufgeben des Planes ursächlich waren, für die Frage des Vorliegens einer eindeutigen Entnahmehandlung ohne Bedeutung.
Zudem hat der Kläger durch den Antrag auf Feststellung des niedrigeren Teilwerts sowie durch die Beantragung der Rücklage selbst dokumentiert, daß er das Grundstück weiterhin als zu seinem Betrieb gehörig betrachtete.
b) Die bewertungsrechtliche Zuordnung des Grundstücks zum Grundvermögen ab 1. Januar 1974, die nach § 69 des Bewertungsgesetzes sogar bei landwirtschaftlich genutzten Flächen möglich ist, besagt über die Vornahme eines Entnahmeaktes, die Jahre vor dem Bewertungsstichtag stattgefunden haben soll, nichts. Deshalb kann mangels Entscheidungserheblichkeit der Grundstücksbewertung die vom Kläger erhobene Verfahrensrüge nicht durchgreifen.
Fundstellen
Haufe-Index 414308 |
BFH/NV 1986, 210 |