Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde, Abweichung, grundsätzliche Bedeutung; Abgabe einer gesetzlich vorgeschriebenen Steuererklärung kein Antrag auf Steuerfestsetzung
Leitsatz (NV)
Durch die Rechtsprechung des BFH ist bereits geklärt, daß die Abgabe einer gesetzlich vorgeschriebenen Steuererklärung (hier: Umsatzsteuererklärung) kein Antrag auf Steuerfestsetzung i. S. v. § 171 AO 1977 ist (Urteile vom 18. Juni 1991 VIII R 54/89, BFHE 165, 445, BStBl II 1992, 124; und vom 17. September 1992 V R 17/86, BFH/NV 1993, 279).
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2; AO 1977 § 155 Abs. 1 S. 3, § 171 Abs. 3
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) -- ein eingetragener Verein -- erklärte für 1978 in seinen vierteljährlichen Umsatzsteuer-Voranmeldungen einen Überschuß von insgesamt ... DM. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) stimmte der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt -- FA --) den Voranmeldungen I/78 und II/78 mit einem Überschuß von ... DM zu. Ferner verrechnete das FA aus der Voranmeldung III/78 einen Teilbetrag von ... DM mit anderen Steuerschulden.
Am 26. März 1979 reichte der Kläger die Umsatzsteuer-Jahreserklärung 1978 ein, die ebenfalls einen Überschuß zu seinen Gunsten in Höhe von ... DM auswies. Unter Berücksichtigung eines ausgezahlten Überschußbetrags von ... DM errechnete der Kläger in dieser Umsatzsteuererklärung als "Erstattungsanspruch" einen Betrag von ./. ... DM.
Das FA folgte dem nicht und setzte mit Bescheid vom 26. Januar 1984 die Umsatzsteuer 1978 auf 0 DM fest. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. In der Einspruchsentscheidung vertrat das FA die Auffassung, die Frist für die Umsatzsteuerfestsetzung 1978 sei noch nicht abgelaufen gewesen, weil die am 26. März 1979 eingereichte Umsatzsteuer-Jahreserklärung als Antrag auf Steuerfestsetzung gemäß § 171 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) den Ablauf der Festsetzungsfrist gehemmt habe.
Auf die Klage hob das FG den Umsatzsteuerbescheid 1978 und die Einspruchsentscheidung auf. Das FG vertrat die Auf- fassung, bei Erlaß des angefochtenen Umsatzsteuerbescheids sei die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen gewesen. Eine Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 3 AO 1977 durch Abgabe der Umsatzsteuer- Jahreserklärung sei nicht eingetreten. Insoweit stützte sich das FG auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 18. Juni 1991 VIII R 54/89 (BFHE 165, 445, BStBl II 1992, 124).
Zusätzlich führte das FG aus: "Konnte das FA im Jahre 1984 wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung die Umsatzsteuer für 1978 nicht mehr festsetzen, so ist zum einen der angefochtene Umsatzsteuerbescheid vom 26. Januar 1984 ersatzlos aufzuheben, zum anderen ist aber auch die Klage abzuweisen, soweit der Kläger durch eine Änderung des Bescheids die Erstattung höherer Vorsteuerbeträge begehrt, als er im Rahmen des Voranmeldungsverfahrens erhalten hat. Es mag unbefriedigend erscheinen, daß das FA die Realisierung eines geltend gemachten Vorsteuererstattungsanspruchs durch bloße Untätigkeit vereiteln kann. Im Streitfall bedarf es zu dieser Frage jedoch schon deshalb keiner weiteren Überlegungen, weil dem Kläger, wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen zum Streitjahr 1979 ergibt, bereits im Voranmeldungsverfahren mehr Vorsteuern erstattet worden sind, als er tatsächlich hätte beanspruchen können."
Mit der Beschwerde beantragt das FA Zulassung der Revision wegen Abweichung des angefochtenen Urteils von einem Urteil des BFH und wegen grundsätzlicher Bedeutung.
Zur Abweichung trägt das FA vor: Zwar sei der BFH im Urteil in BFHE 165, 445, BStBl II 1992, 124 von dem Rechtssatz ausgegangen, daß die Abgabe einer gesetzlich vorgeschriebenen Steuererklärung grundsätzlich keinen den Ablauf der Festsetzungsfrist hemmenden Antrag auf Steuerfestsetzung i. S. des § 171 Abs. 3 AO 1977 darstelle.
Dagegen enthalte das BFH-Urteil vom 4. Juni 1986 IX R 52/82 (BFHE 147, 393, BStBl II 1987, 3) den Rechtssatz, daß die Abgabe der Steuererklärung jedenfalls dann als Antrag auf Steuerfestsetzung i. S. von § 155 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 anzusehen sei, wenn ein berechtigtes Interesse an einer Steuerfestsetzung dargetan sei. Da das Interesse des Steuerpflichtigen insoweit -- zu § 155 Abs. 1 Satz 3 und zu § 171 Abs. 3 Satz 1 AO 1977 -- gleichgelagert sei, komme es auf die Frage, ob zwischen beiden Vorschriften ein Sachzusammenhang besteht (verneinend BFHE 165, 445, BStBl II 1992, 124), nicht an.
Das angefochtene Urteil weiche demzufolge von dem Urteil in BFHE 147, 393, BStBl II 1987, 3 ab und beruhe auf dieser Abweichung. Denn auf der Grundlage dieser Rechtsauffassung wäre das FG zum Ergebnis gekommen, daß der Kläger -- obwohl eine Veranlagung von Amts wegen durchzuführen war -- mit der Abgabe der Umsatzsteuererklärung 1978 nicht nur habe seiner Erklärungspflicht genügen, sondern auch einen Antrag auf (negative) Steuerfestsetzung stellen und zugleich verhindern wollen, daß die Festsetzungsfrist zu seinem Nachteil ablaufe, bevor über seinen Antrag unanfechtbar entschieden worden sei. Mit der Umsatzsteuererklärung habe er nämlich über die bereits im Voranmeldungsverfahren vergüteten Umsatzsteuern hinaus die Festsetzung einer weiteren Steuervergütung in Höhe von rd. ... DM angestrebt.
Zur grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache macht das FA geltend, die Frage, wie weit der Begriff "Antrag auf Steuerfestsetzung" reiche und was darunter im einzelnen zu verstehen sei, sei in der AO 1977 nicht definiert, und überdies sei die Frage durch den BFH -- wie die beiden zitierten Entscheidungen zeigten -- nicht zweifelsfrei geklärt.
Der Kläger tritt der Beschwerde entgegen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Eine Abweichung vom BFH-Urteil in BFHE 147, 393, BStBl II 1987, 3 scheidet aus. Das angefochtene Urteil bezieht sich auf das spätere BFH-Urteil in BFHE 165, 445, BStBl II 1992, 124. In diesem Urteil wird ausgeführt, daß die frühere Entscheidung zu § 155 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 ergangen sei und diese Vorschrift zugunsten des Steuerpflichtigen auslege. Ein Sachzusammenhang mit den §§ 170, 171 AO 1977 bestehe nicht.
Eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung scheidet danach ebenfalls aus. In BFHE 165, 445, BStBl II 1992, 124 wird klar darauf hingewiesen, daß kein Sachzusammenhang zwischen der hier maßgeblichen Vorschrift des § 171 Abs. 3 AO 1977 und der Vorschrift des § 155 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 -- auf die sich das FA beruft -- besteht. Zudem wird in der Entscheidung dargelegt, aus welchen Gründen die Abgabe einer gesetzlich vorgeschriebenen Steuererklärung (auch unter bestimmten Voraussetzungen) nicht als Antrag auf Steuerfestsetzung i. S. des § 171 AO 1977 gleichzuachten sei. Der erkennende Senat hat sich im übrigen dieser Rechtsprechung mit Urteil vom 17. September 1992 V R 17/86 (BFH/NV 1993, 279) angeschlossen. Grundsätzlicher Klärungsbedarf in einem Revisionsverfahren besteht danach nicht.
Die Entscheidung ergeht im übrigen gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Angabe von Gründen.
Fundstellen