Entscheidungsstichwort (Thema)
Bilanzierung der Provisionsansprüche von Versicherungsvertretern
Leitsatz (NV)
Ein Provisionsanspruch, der bereits mit Vermittlung eines Versicherungsvertrages entstanden ist, muss stets und in vollem Umfang aktiviert werden.
Normenkette
HGB § 92 Abs. 4, § 266 Abs. 3; EStG § 4
Verfahrensgang
FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 29.11.2006; Aktenzeichen 1 K 2256/05) |
FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 29.11.2006; Aktenzeichen 1 K 2257/05) |
FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 29.11.2006; Aktenzeichen 1 K 2255/05) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erzielt als Versicherungsmakler Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Er ermittelt seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich.
Bei einer vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt) durchgeführten Außenprüfung, die die Streitjahre 2000 bis 2002 umfasste, beanstandete der Prüfer jeweils den Passivposten "Provisionsvorschüsse", der in den Bilanzen zum 31. Dezember 2000 (… DM), 31. Dezember 2001 (… DM) und zum 31. Dezember 2002 (… €) enthalten war. Der Kläger hatte die Bilanzposition im Hinblick darauf gebildet, dass er bei der Stornierung eines von ihm vermittelten Lebensversicherungsvertrages innerhalb der sog. Stornolaufzeit die Provision zeitanteilig zurückzuzahlen hatte. Nach Ansicht des Klägers handelte es sich um Vorschüsse, für die Passivposten zu bilanzieren waren, die über den Stornozeitraum hinweg aufzulösen waren. Der Prüfer war demgegenüber der Auffassung, die Provisionsansprüche seien bereits nach Abschluss der vermittelten Verträge in voller Höhe zu aktivieren. Wegen des Stornorisikos bildete er gewinnmindernde Rückstellungen von … DM (2000), … DM (2001) und … € (2002).
Der Kläger wandte sich ohne Erfolg mit Einsprüchen und Klagen gegen die aufgrund der Außenprüfung ergangenen geänderten Einkommensteuerbescheide 2000 bis 2002.
Das Finanzgericht (FG) führte u.a. aus, aufgrund der vertraglichen Abmachungen zwischen dem Kläger und den einzelnen Versicherungsunternehmen seien die Provisionsansprüche zu aktivieren, sobald die jeweilige Vermittlungsleistung erbracht sei, d.h. sobald der Vertrag zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer zustande gekommen sei. Provisionsvorschüsse im Sinne von Anzahlungen seien nicht anzunehmen, da keine Vorleistung eines Vertragsteils vorliege.
Zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerden trägt der Kläger im Wesentlichen vor: Die Frage, ob ein bilanzierender Versicherungskaufmann die bei Abschluss eines Versicherungsvertrages gezahlte Provision sofort und in voller Höhe als Umsatz ausweisen dürfe, sei von grundsätzlicher Bedeutung. Hierzu gebe es, soweit bekannt, noch keine höchstrichterliche Entscheidung. Aus den Versicherungsbedingungen, die Bestandteil der Verträge mit den einzelnen Versicherungsgesellschaften seien, sowie aus dem Realisationsprinzip ergebe sich, dass eine Provision erst mit Ablauf der Stornozeit von (überwiegend) drei Jahren verdient sei, so dass sie bei einem Ausfall von Beitragszahlungen innerhalb der Stornolaufzeit zeitanteilig zurückzuzahlen sei. Dies rechtfertige einen nur anteiligen Gewinnausweis. Die Provisionszahlungen seien lediglich Vorschüsse. Der entsprechende Passivposten sei in dem Zeitraum, in dem die Provisionen durch die Prämienzahlungen verdient seien, schrittweise aufzulösen. Die Realisierung von Umsätzen und Gewinnen sei erst in dem Zeitpunkt zulässig, in dem die geschuldete Leistung erbracht sei. Nach § 92 Abs. 4 des Handelsgesetzbuches (HGB) stehe einem Versicherungsvertreter ein Provisionsanspruch zu, sobald der Versicherungsnehmer die (Jahres-)Prämie gezahlt habe. Bis dahin habe der Versicherungsvertreter die geschuldete Leistung nicht voll erbracht. Auch aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. November 1997 XI R 30/97 (BFHE 184, 505, BStBl II 1998, 252) gehe hervor, dass es sich um Provisionsvorschüsse handele.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerden sind als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat nicht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) in der durch § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise dargelegt.
1. Um die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache darzulegen, muss in der Beschwerdebegründung substantiiert und unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen dargetan werden, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn die Rechtsfrage anhand der gesetzlichen Grundlagen und der bereits vorliegenden Rechtsprechung beantwortet werden kann und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung der Frage durch den BFH geboten erscheinen lassen (z.B. Beschluss des BFH vom 17. August 2007 XI B 22/07, BFH/NV 2007, 2075, m.w.N.).
2. Der Kläger begehrt die Klärung der Frage, ob ein bilanzierender Versicherungskaufmann den Anspruch auf die Provision für die Vermittlung eines Versicherungsvertrages sofort und in voller Höhe aktivieren muss. Er hat sich jedoch nicht mit der hierzu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung auseinandergesetzt (s. BFH-Urteil vom 14. Oktober 1999 IV R 12/99, BFHE 190, 349, BStBl II 2000, 25) und damit die Darlegungserfordernisse des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO nicht erfüllt.
3. Im Übrigen ist die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage bereits geklärt und somit nicht klärungsbedürftig. Nach der Rechtsprechung des BFH ist ein Provisionsanspruch, der entstanden ist, sobald der vom Versicherungsmakler vermittelte Vertrag zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer zustande gekommen ist, stets und im vollen Umfang zu aktivieren (BFH-Urteil in BFHE 190, 349, BStBl II 2000, 25; vgl. auch BFH-Urteil vom 3. August 2005 I R 94/03, BFHE 210, 398, BStBl II 2006, 20). Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung hat das FG entschieden.
Der Hinweis des Klägers auf das Urteil des BFH in BFHE 184, 505, BStBl II 1998, 252 sowie auf § 92 Abs. 4 HGB führt zu keiner anderen Beurteilung. In dem Streitfall, der der zitierten Entscheidung zugrunde lag, waren die einem Versicherungsmakler zustehenden Abschlussvergütungen wegen des besonderen Abrechnungssystems als Provisionsvorschüsse zu beurteilen. Demgegenüber erwarb der Kläger im Streitfall die Provisionsansprüche aufgrund der vertraglichen Abmachungen mit den einzelnen Versicherungsunternehmen und abweichend von § 92 Abs. 4 HGB bereits zu dem Zeitpunkt, zu dem der jeweils vermittelte Versicherungsvertrag zustande kam.
Unabhängig hiervon hätte eine Beurteilung der Provisionszahlungen als Vorschüsse nicht zur Folge, dass diese in der vom Kläger praktizierten Weise als erhaltene Anzahlungen (s. § 266 Abs. 3 HGB) zu passivieren wären. Die Bildung eines entsprechenden Bilanzpostens käme nur dann in Betracht, wenn die Versicherungsunternehmen mit den Provisionszahlungen Vorleistungen gegenüber dem Kläger erbracht hätten (BFH-Urteil in BFHE 190, 349, BStBl II 2000, 25). Dies war jedoch, wie das FG zutreffend entschieden hat, nicht der Fall.
Fundstellen
Haufe-Index 1979080 |
BFH/NV 2008, 947 |