Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Fehlerberichtigung gem. § 107 FGO; offenbare Unrichtigkeit von Tenor und Entscheidungsgründen
Leitsatz (NV)
1. Eine Berichtigung nach § 107 FGO ist nur zulässig bei Fehlern, die bei der Erklärung des Entscheidungswillens, nicht bei der Bildung des Entscheidungswillens unterlaufen sind.
2. Hat das FG als Grundlage für die Bemessung des Veräußerungsgewinns einen für private und betriebliche Wirtschaftsgüter gezahlten Gesamtkaufpreis, den es auch mehrfach richtig angegeben hat, in einem bestimmten Verhältnis aufteilen wollen, bei seiner Berechnung dann aber einen anderen Betrag angesetzt, ist offensichtlich, daß dies versehentlich erfolgt ist.
Normenkette
FGO § 107
Tatbestand
In der Hauptsache war streitig, ob und inwieweit ein von den Klägern und Beschwerdeführern (Beschwerdeführer) aus der Veräußerung zweier Grundstücke erzielter Gesamtkaufpreis abweichend von der getroffenen Vereinbarung zu verteilen war. Von den beiden Grundstücken gehörte das eine ganz und das andere zum Teil zum Betriebsvermögen.
Das Finanzgericht (FG) hat - insoweit dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt - FA -) folgend - die Voraussetzungen für eine abweichende Aufteilung des erzielten Gesamtkaufpreises bejaht, da die von den Beteiligten vorgenommene Aufteilung mit den Realitäten nicht im Einklang stehe.
Nach den - unter Bezugnahme auf den Kaufvertrag vom . . . 1978 getroffenen - Feststellungen des FG hat der Gesamtkaufpreis 705 380 DM betragen. Für die Aufteilung dieses Preises ist das FG von den Wertverhältnissen der privaten zu den betrieblichen Wirtschaftsgütern ausgegangen, die es anhand eines Sachverständigengutachtens mit 42,6 zu 57,4 v. H. errechnet hat. Zur Berechnung des anteilig auf die betrieblichen Wirtschaftsgüter entfallenden Veräußerungsgewinns hat das FG im einzelnen ausgeführt: ,,Um den anteiligen Wert der zum Betriebsvermögen gehörigen Wirtschaftsgüter am gesamten Kaufpreis zu ermitteln, muß dieser also mit 57,4 % multipliziert und hiervon der unstreitige Buchwert von 77 035 DM in Abzug gebracht werden. 688 420 DM x 57,4 % = 395 153 DM, abzüglich 77 035 DM Buchwert ergibt den zu versteuernden Gewinn in Höhe von 318 118 DM aus der Veräußerung dieser Wirtschaftsgüter."
Der Tenor lautete dementsprechend:
,,I. Unter teilweiser Aufhebung des angefochtenen Einkommensteuerbescheides . . . wird der Beklagte angewiesen, bei der Errechnung der Einkommensteuer des Streitjahres von einem Veräußerungsgewinn in Höhe von 318 118 DM auszugehen."
Mit Beschluß vom 29. November 1984 berichtigte das FG gemäß § 107 der Finanzgerichtsordnung (FGO) den Urteilstenor wie folgt:
,,Das Urteil vom 12. 11. 1984 wird im Tenor unter I. dahingehend geändert, daß von einem Veräußerungsgewinn in Höhe von 327 853 DM auszugehen ist."
Zur Begründung führte es aus, es sei davon ausgegangen, daß der ermittelte Multiplikator von 57,4 v. H. auf den erzielten Gesamtkaufpreis anzuwenden sei. Wie sich aus dem Schluß der Entscheidungsgründe ergebe, sei aber versehentlich nicht der gesamte Kaufpreis von 705 380 DM, sondern der vom Sachverständigen ermittelte Teilwert der betrieblich genutzten Wirtschaftsgüter in Höhe von 688 420 DM multipliziert worden. Tatsächlich hätte der Gesamterlös in Höhe von 705 380 DM mit 57,4 v. H. multipliziert werden und damit ein auf die betrieblichen Wirtschaftsgüter anteilig entfallender Veräußerungserlös von 404 888 DM angesetzt werden müssen. Abzüglich des Buchwerts von 77 035 DM ergebe dies einen zu versteuernden Gewinn in Höhe von 327 853 DM.
Dagegen wendet sich die Beschwerde. Die Beschwerdeführer sind der Auffassung, die Unrichtigkeit habe sich nicht - wie für die Berichtigung erforderlich - unmittelbar aus dem Tenor ergeben. Davon abgesehen könnten bei so komplizierten Zusammenhängen wie den Entscheidungsgrundlagen des in Rede stehenden Rechtsstreits auch Flüchtigkeiten im Zusammenfügen einer Gedankenkette maßgebend gewesen sein.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Gemäß § 107 FGO sind außer Schreibfehlern und Rechenfehlern auch ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Urteil jederzeit zu berichtigen. Die Berichtigung dient der Verwirklichung einer erkennbar gewollten Aussage und ermöglicht die Berichtigung von Fehlern, die bei der Erklärung des Entscheidungswillens, nicht bei der Bildung des Entscheidungswillens, unterlaufen sind. Als offenbar ist anzusehen, was durchschaubar, eindeutig oder augenfällig ist. Die Möglichkeit eines Rechtsirrtums schließt die Berichtigung nach § 107 FGO aus. Die Unrichtigkeit kann sich dabei aus dem Zusammenhang des Urteils ergeben. Die Berichtigung kann sowohl Tenor, Rubrum wie Urteilsgründe betreffen (vgl. zu Vorstehendem Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18. Juni 1986 II B 33/86, BFH/NV 1987, 587 m. w. N.).
Die Anwendung des vom FG für die Aufteilung gefundenen Multiplikators von 57,4 v. H. auf den Betrag von 688 420 DM anstatt richtigerweise 705 380 DM beruht offensichtlich auf einem Versehen in dem oben dargelegten Sinn. Das FG hat den Multiplikator ausdrücklich auf den Gesamtkaufpreis anwenden wollen. Diesen Preis hat es mehrfach mit 705 380 DM angegeben. Wenn es im Anschluß daran bei seiner Berechnung einen anderen Betrag angesetzt hat, ist offensichtlich, daß dies versehentlich erfolgt war.
Das FG war deshalb berechtigt und verpflichtet, Entscheidungsgründe und Tenor zu berichtigen. Trotz der ausdrücklich nur für den Tenor ausgesprochenen Berichtigung umfaßt diese auch die in den Entscheidungsgründen vorgenommene Berechnung, als deren Reflex der Tenor lediglich anzusehen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO. Zwar ist das Berichtigungsverfahren nach § 107 FGO kostenfrei; dies gilt, wie sich aus § 135 Abs. 2 FGO ergibt, jedoch nicht für das Beschwerdeverfahren (vgl. BFH-Beschluß in BFH/NV 1987, 587, 588).
Fundstellen
Haufe-Index 416384 |
BFH/NV 1990, 111 |