Entscheidungsstichwort (Thema)
Überraschungsentscheidung; Divergenz
Leitsatz (NV)
1. Ein Überraschungsurteil ist gegeben, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt. Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht jedoch nicht, die für die Entscheidung maßgebenden Gesichtspunkte mit den Beteiligten umfassend zu erörtern und im Voraus anzudeuten.
2. Eine Divergenz liegt nur vor, wenn die Vorentscheidung in einer Rechtsfrage von einem Urteil des BFH abweicht.
Normenkette
FGO § 96 Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nrn. 2-3, § 116 Abs. 3 S. 3; GG Art. 103 Abs. 1
Verfahrensgang
Hessisches FG (Urteil vom 25.10.2004; Aktenzeichen 11 K 2650/00) |
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) macht zu Unrecht als Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geltend, das Finanzgericht (FG) habe eine Überraschungsentscheidung erlassen und dadurch ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 96 Abs. 2 FGO) verletzt. Eine solche Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn das FG sein Urteil auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Auffassungen nach dem bisherigen Verlauf der Verhandlung nicht rechnen musste (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 2. April 2002 X B 56/01, BFH/NV 2002, 947). Das Gebot, rechtliches Gehör zu gewähren, verpflichtet das Gericht nicht, die für die Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte mit den Beteiligten umfassend zu erörtern und ihnen die einzelnen für die Entscheidung maßgebenden Gesichtspunkte im Voraus anzudeuten (z.B. BFH-Beschluss vom 25. Mai 2000 VI B 100/00, BFH/NV 2000, 1235). Danach liegt im Streitfall keine Überraschungsentscheidung vor. Die Frage des Bodenwertabschlags ist vom FG nicht erst im Endurteil in das Verfahren eingebracht worden, sondern schon vorher Gegenstand der Erörterung gewesen.
2. Eine Entscheidung des BFH ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) notwendig (vgl. zu diesem Zulassungsgrund, z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Rz. 40 f., m.w.N.). Das Urteil der Vorinstanz weicht nicht von der in der Beschwerdebegründung benannten BFH-Entscheidung ab. Nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und damit den Senat bindenden Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) sind keine Kosten entstanden, die sich gesondert auf die Gartenanlage beziehen (Bl. 10 FG-Urteil). Hierdurch unterscheidet sich der Streitfall von dem durch den BFH beurteilten Sachverhalt. Eine Abweichung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO liegt jedoch nur vor, wenn das FG in einer Rechtsfrage eine andere Auffassung als der BFH vertreten hat. Eine abweichende Beurteilung von Tatsachen oder Unterschiede in der Sachverhaltswürdigung genügen nicht (BFH-Beschluss vom 23. Juli 2001 III B 107/00, BFH/NV 2002, 36).
Fundstellen