Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Richterablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit
Leitsatz (NV)
Lehnt ein Richter einen Antrag auf Verlängerung einer gemäß Art. 3 § 3 VGFGEntlG gesetzten Frist zur Vorlage bestimmter Unterlagen ab, so begründet dies nicht ohne weiteres die Besorgnis seiner Befangenheit.
Normenkette
FGO § 51; ZPO § 42 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin, Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin), eine im Oktober 1985 aufgelöste OHG, ist durch Umsatzsteuerbescheid vom 25. November 1986 zur Umsatzsteuer für 1985 veranlagt worden. Dabei ist die Vorsteuer wegen der Illiquidität der Antragstellerin nach § 17 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) berichtigt worden; hierbei ging der Beklagte, Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt-FA-) von Verbindlichkeiten der Antragstellerin in Höhe von ca. . . . DM aus. Der Bescheid war an den früheren Mitgesellschafter L als Empfangsbevollmächtigten der OHG gerichtet.
Nach erfolglosem Einspruch hat L für die Antragstellerin Klage erhoben, die zunächst beim . . . Senat des Finanzgerichts (FG) anhängig war.
In einem Erörterungstermin beim FA vor dem Richter X wurde die bislang nicht begründete Klage erörtert. Auf Grund dieses Eröterungstermins stellte das FA den angefochtenen Steuerbescheid nun auch noch den ehemaligen Mitgesellschaftern und Liquidatoren M und N zu.
Im September 1990 fand ein zweiter Erörterungstermin im FA vor dem Richter X statt. Nach der Niederschrift über diesen Erörterungstermin hat dort der Kläger (richtig wohl die von L vertretene Klägerin) erklärt, er wende sich gegen die Höhe des Ansatzes von . . . DM Verbindlichkeiten. Der Betrag belaufe sich nach heutiger Sachlage (Bezahlung der Verbindlichkeiten) auf . . . DM.
Auf Grund dieses Erörterungstermins kam Richter X zur Überzeugung, daß wohl eine Sachentscheidung zu § 17 Abs. 2 UStG in Frage stehe, wofür der . . . Senat zuständig sei.
Der Berichterstatter im Senat, Richter Y, legte daraufhin in einem ausführlichen Schreiben die seines Erachtens gegebene Rechtslage zu § 17 UStG dar und forderte L auf, falls er sein Klagebegehren in vollem Umfang oder teilweise weiterverfolgen wolle, bestimmte Unterlagen über die Verbindlichkeiten vorzulegen (Schreiben vom 27. Februar 1991, Bl. 118 FG-Akte).
In Beantwortung dieses Schreibens berief sich L ,,vorab auf die Einrede der Verjährung".
Berichterstatter Y erläuterte darauf in einem zweiten Schreiben, warum die Umsatzsteuer seiner Ansicht nach nicht verjährt sei, und bat zum Schreiben vom 27. Februar 1991 Stellung zu nehmen (Schreiben vom 17. April 1991, Bl. 132 FG-Akte).
Nachdem dieses Schreiben unbeantwortet blieb, forderte der Berichterstatter L nochmals auf, die mit Schreiben vom 27. Februar 1991 angeforderten Unterlagen vorzulegen sowie einen Beschluß des Amtsgerichts, mit dem ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens abgelehnt worden sei; gleichzeitig setzte er ihm hierfür gemäß Art. 3 § 3 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFGEntlG) eine Frist mit ausschließender Wirkung bis zum 5. Juni 1991 (Schreiben vom 8. Mai 1991, Bl. 136 FG-Akte).
L bat darauf, über die Frage der Verjährung zunächst durch ,,Zwischenurteil" zu entscheiden, hilfsweise, ihm die Frist zur Vorlage der Unterlagen angemessen zu verlängern, da er nur höchst lückenhaft in deren Besitz sei und sich ihre Beschaffung als schwierig und zeitraubend erweise (Schreiben vom 5. Juni 1991, Bl. 140 FG-Akte).
Berichterstatter Y lehnte dies ab, weil die Antragstellerin genügend Zeit zur Beibringung der Unterlagen gehabt habe und er dem Senat auch kein ,,Zwischenurteil" wegen der Verjährung vorschlagen werde, da er das Klagevorbringen insoweit nicht für erfolgversprechend halte (Schreiben vom 10. Juni 1991 Bl. 142 FG-Akte).
Gegen diese ,,Entscheidung" vom 10. Juni 1991 hat L sofortige Beschwerde eingelegt und den Berichterstatter Y als befangen bezeichnet.
Das Gericht sah hierin ein Gesuch der Antragstellerin, Richter am FG Y wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen; es lehnte dieses Gesuch ab (Beschluß vom 12. Juli 1991).
Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der vorliegenden Beschwerde. Sie behauptet, sie habe vor Ablauf der mit prozeßleitender Verfügung des Gerichts gesetzten Frist zur Vorlage der Belege und Unterlagen eine Verlängerung der Frist beantragt. ,,Als Ergebnis einer vor dem FA stattgefundenen Verhandlung" habe sie sich ,,die Rechtsansicht des Herrn Vorsitzenden Richters am Finanzgericht, X, zu eigen gemacht", die Umsatzsteuer sei verjährt. Sie habe deshalb mit der beantragten Verlängerung der Frist gerechnet. Demgegenüber habe der Berichterstatter die Fristverlängerung abgelehnt, und zwar erst nach Ablauf der Frist. Hierdurch habe er den Eindruck erweckt, daß er der Verteidigung der Antragstellerin befangen gegenüberstehe.
Einen förmlichen Antrag hat die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren nicht gestellt.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Nach § 51 der Finanzgerichtsordnung (FGO), § 42 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.
Die in der Beschwerdeschrift genannten Gründe rechtfertigen kein Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters Y.
Dieser war ,,bei gehöriger Objektivität" nicht in der Lage, die Antragstellerin rechtzeitig von seiner Absicht in Kenntnis zu setzen, die beantragte Fristverlängerung abzulehnen. Die Frist, um die es geht, lief am 5. Juni 1991 ab. Der Antrag auf Verlängerung dieser Frist ging beim FG per Telefax am 5. Juni 1991 um 15.19 Uhr ein. Unter diesen Umständen war die Antwort des Richters Y vom 10. Juni 1991 keinesfalls verspätet.
Sie konnte auch inhaltlich die Antragstellerin nicht überraschen, da Richter Y seine Ansicht zur Verjährung der streitigen Steuer bereits in seinem Schreiben vom 17. April 1991 dargelegt hatte.
Der Senat sieht auch sonst keine Gründe, die die Besorgnis der Befangenheit des Richters Y begründen könnten.
Fundstellen
Haufe-Index 418177 |
BFH/NV 1992, 480 |