Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Einsatz des PC zur Führung des Postausgangsbuchs
Leitsatz (NV)
Gegen den Einsatz des PC oder ähnlicher elektronischer Medien bestehen grundsätzlich keine Bedenken, sofern gewährleistet ist, dass sich aufgrund dieser Aufzeichnungen die Postausgänge ebenso schlüssig und zwingend nachvollziehen lassen wie aufgrund eines auf herkömmliche Weise geführten Postausgangsbuchs. Das elektronisch geführte Postausgangsbuch muss deshalb aufgrund eines speziellen Programms gegen spätere "Korrekturen" gesichert sein.
Normenkette
FGO § 56
Nachgehend
Tatbestand
I. Gegen das klageabweisende Urteil des Finanzgerichts (FG) legten die Kläger und Revisionskläger (Kläger) ―vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten― fristgerecht Revision ein. Die Frist für die Begründung der Revision lief am 31. Juli 2001 ab.
Auf den Hinweis des Senatsvorsitzenden vom 13. August 2001, dass die Revisionsbegründung dem Bundesfinanzhof (BFH) nicht vorliege, beantragten die Kläger rechtzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und begründeten die Revision. Sie führten aus: Ihr Prozessbevollmächtigter habe am 17. Juli 2001 Akteneinsicht und Aktenversendung an sich beantragt. Nachdem er bis 25. Juli 2001 hierüber keine Nachricht erhalten habe und die Akteneinsicht zur Revisionsbegründung zwingend erforderlich gewesen sei, habe er mit Schriftsatz vom gleichen Tag die Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist beantragt. Er habe diesen Antrag selbst fertig gestellt, kuvertiert, frankiert und ―zusammen mit der anderen Post seiner Kanzlei― in den ca. 150 m entfernten Postbriefkasten eingeworfen. Die rechtzeitige Absendung des Fristverlängerungsantrags ergebe sich aus dem Postausgangsbuch. In diesem würden das Datum des Postausgangs, der Adressat der Postsendung, der jeweilige Mandant, stichwortartig der Inhalt des übersandten Schreibens, das Kürzel des Bearbeiters sowie das zu entrichtende Porto vermerkt. Er habe darauf vertrauen dürfen, dass seinem rechtzeitig und ordnungsgemäß gestellten Fristverlängerungsantrag entsprochen werde, da die Akteneinsicht unumgänglich gewesen sei.
Zur Glaubhaftmachung der zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags vorgetragenen Tatsachen legten die Kläger eine eidesstattliche Versicherung ihres Prozessbevollmächtigten sowie einen "Auszug aus dem Postausgangsbuch für den 25. Juli 2001" vor. Hierbei handelt es sich um ein mit PC geschriebenes, DIN A 4 großes Einzelblatt, das der Prozessbevollmächtigte beglaubigt hatte.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) wendet sich nicht gegen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision war wegen Versäumung der Begründungsfrist als unzulässig zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
1. Die Kläger haben die Revision verspätet begründet. Die Frist zur Begründung der Revision endete am 31. Juli 2001 (§ 120 Abs. 2 FGO). Innerhalb dieser Frist haben die Kläger weder die Revision begründet noch einen Antrag auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist gestellt. Der Schriftsatz vom 25. Juli 2001 ging nicht beim BFH ein.
2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist den Klägern nicht zu gewähren.
a) Einem Verfahrensbeteiligten, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 56 Abs. 1 FGO). Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; innerhalb dieser Frist muss die versäumte Rechtshandlung nachgeholt werden (§ 56 Abs. 2 Sätze 1 und 3 FGO). Wird der Wiedereinsetzungsantrag ―wie im Streitfall― mit der fristgerechten Absendung des beim Empfänger nicht eingegangenen Schriftstücks begründet, ist im Einzelnen darzulegen, wann, von wem und in welcher Weise es zur Post gegeben wurde. Der Vortrag ist durch präsente Beweismittel glaubhaft zu machen (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 7. Februar 1997 III B 146/96, BFH/NV 1997, 674, m.w.N.).
b) Die von dem Prozessbevollmächtigten der Kläger abgegebene Versicherung der Richtigkeit seines Vortrags und die beglaubigte Seite des auf dem PC geführten Postausgangsbuchs vom 25. Juli 2001 reichen zur Glaubhaftmachung der rechtzeitigen Absendung des Antrags auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist nicht aus.
Soll die rechtzeitige Aufgabe eines Schriftstücks zur Post nachgewiesen oder glaubhaft gemacht werden, reicht die anwaltliche Versicherung allein hierfür auch dann nicht aus, wenn der Bevollmächtigte darlegt, er selbst habe das fristwahrende Schriftstück zur Post gegeben (vgl. BFH-Beschluss vom 25. April 1995 VIII R 86/94, BFH/NV 1995, 1002, m.w.N.). Die nach ständiger Rechtsprechung des BFH zusätzlich erforderlichen objektiven Beweismittel ―vor allem die Eintragung der Frist im Fristenkontrollbuch und deren Löschung aufgrund der Eintragung im Postausgangsbuch― müssen im Zeitpunkt der Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag präsent sein (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1995, 1002, m.w.N.; vom 4. November 1999 X B 81/99, BFH/NV 2000, 546).
Eine eidesstattliche Versicherung ist uneingeschränkt zur Glaubhaftmachung eines Sachverhalts nur dann geeignet, wenn ―außer der eigenen Erklärung des Antragstellers oder dritter Personen― keine weiteren Mittel der Glaubhaftmachung zur Verfügung stehen. In den übrigen Fällen muss dargelegt werden, weshalb objektive Beweismittel nicht vorgelegt werden können (vgl. dazu Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ―BVerfG― vom 11. Februar 1976 2 BvR 849/75, BVerfGE 41, 332).
Soll die rechtzeitige Absendung eines fristwahrenden Schriftsatzes glaubhaft gemacht werden, kommen insbesondere die Eintragung der Frist in ein Fristenkontrollbuch, das Festhalten der Absendung in einem Postausgangsbuch und die Löschung der Frist auf der Grundlage der Eintragung im Postausgangsbuch als objektive Beweismittel in Betracht (BFH-Beschluss in BFH/NV 1997, 674, m.w.N.). Werden im Postausgangsbuch nicht nur der Empfänger und die Postgebühr vermerkt, sondern auch die Art der Versendung (Einschreiben, Brief, Fax), der Empfangsort, die Beteiligten des Rechtsstreits und das Aktenzeichen, bedarf es nach der Senatsentscheidung vom 13. November 1996 X R 30/96 (BFH/NV 1997, 253) keiner Darlegung darüber, wie die Fristenkontrolle organisiert ist.
Obwohl in dem vom Prozessbevollmächtigten vorgelegten "Auszug aus dem Postausgangsbuch" neben dem Empfänger und der Postgebühr auch die Namen der Kläger und eine kurze Beschreibung des Inhalts des Schriftsatzes vermerkt sind, ist dieser Beleg nicht geeignet, die rechtzeitige Absendung des Fristverlängerungsantrags glaubhaft zu machen. Der Bevollmächtigte der Kläger führt nach eigenem Bekunden sein Postausgangsbuch auf dem PC. Gegen den Einsatz dieser und ähnlicher elektronischer Medien zur Führung eines Postausgangsbuches ist grundsätzlich nichts einzuwenden, wenn sich aufgrund dieser Aufzeichnungen die Postausgänge ebenso schlüssig und zwingend nachvollziehen lassen wie aufgrund eines auf herkömmliche Weise geführten Postausgangsbuches. Hierzu ist jedoch erforderlich, dass das Postausgangsbuch aufgrund eines speziellen Programms gegen spätere "Korrekturen" gesichert ist (z.B. das DATEV-Programm "Fristen und Bescheide"; vgl. auch für die Führung von EDV-gestützten Fristenkalendern: Bundesgerichtshof, Beschlüsse vom 10. Oktober 1996 VII ZB 31/95, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1997, 343, und vom 23. März 1995 VII ZB 3/95, Neue Juristische Wochenschrift 1995, 1756). Weder die Begründung des Wiedereinsetzungsantrags noch die vorgelegte eidesstattliche Versicherung des Prozessbevollmächtigten lassen erkennen, dass dieser ein handelsübliches oder ein anderes Programm verwendet hätte, das derartige Sicherungsmaßnahmen enthält. Der "Auszug aus dem Postausgangsbuch" enthält keinen Hinweis auf eine maschinelle Speicherung und Verwaltung der ausgedruckten Daten. Angesichts dieser Lage lässt sich nicht ausschließen, dass die Fristversäumung auf einem Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten der Kläger beruht.
Fundstellen
Haufe-Index 674546 |
BFH/NV 2002, 533 |