Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsprüfung beim Rechtsnachfolger; Erweiterung des Prüfungszeitraums; Verfahrensmangel
Leitsatz (NV)
1. Zur Darlegung eines angeblichen klaren Verstoßes gegen den Inhalt der Akten.
2. Soll sich eine angeordnete Prüfung auf das gesamte, am 1. Mai eines Jahres beginnende Wirtschaftsjahr erstrecken, obwohl der bisherige Betriebsinhaber im Verlauf dieses Wirtschaftsjahres verstorben ist, kann der Rechtsnachfolger die an ihn adressierte Prüfungsanordnung auch als gegen sich selbst gerichtet verstehen.
3. Im Erbfall ist eine Prüfungsanordnung an den Rechtsnachfolger des bisherigen Betriebsinhabers zu richten, weil der Rechtsnachfolger die Prüfung zu dulden hat.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2; AO 1977 § 193
Verfahrensgang
Niedersächsisches FG (Urteil vom 27.11.2002; Aktenzeichen 7 K 550/99) |
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Erweiterung einer Außenprüfung auf die Einkommen- und Umsatzsteuer 1991 mit Anordnung vom 6. Juni 1997 nichtig ist.
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) war die Ehefrau und ist die Rechtsnachfolgerin des im August 1992 verstorbenen X. Dieser war Inhaber eines selbst bewirtschafteten landwirtschaftlichen Betriebes. Zum 1. April 1992 wurden die landwirtschaftlichen Nutzflächen verpachtet. Die Klägerin verkaufte den ererbten Betrieb im September 1994.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) ordnete daher mit Verfügung vom 26. März 1997 bei der Klägerin eine allgemeine Außenprüfung u.a. für die Einkommensteuer 1992 bis 1994 (Wirtschaftsjahre 1992/93 bis 1994/95) sowie die Umsatzsteuer 1992 bis 1994 an. Auf den Einspruch der Klägerin vom 14. April 1997 stricht das FA antragsgemäß die gleichfalls angeordnete Prüfung der Vermögensteuer auf die Stichtage 1. Januar 1992 bis 1. Januar 1995; auch sollte die Prüfung nunmehr im FA stattfinden.
Mit Verfügung vom 6. Juni 1997 ordnete das FA sodann die streitige Erweiterung der Prüfung auf die Einkommen- und Umsatzsteuer 1991 an. Der dagegen gerichtete Einspruch und die anschließende Klage, mit der die Klägerin die Feststellung der Nichtigkeit der Anordnung vom 6. Juni 1977 begehrte, blieben erfolglos.
Mit der Beschwerde erstrebt die Klägerin die Zulassung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Die Klägerin hat einen Zulassungsgrund i.S. von § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechenden Form dargelegt. Das gilt sowohl für die geltend gemachten Verfahrensmängel und Abweichungen von Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) und einzelnen Finanzgerichten (FG) als auch für die angebliche grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.
1. a) Soweit die Klägerin einen klaren Verstoß gegen den Inhalt der Akten hinsichtlich des strittigen Landarbeiterwohnhauses rügt, hat sie einen Verfahrensmangel nicht schlüssig dargelegt. Insoweit nimmt der Senat auf seinen Beschluss vom heutigen Tag in der Sache IV B 83/03 Bezug. Zum anderen hat das FG hinsichtlich der ergangenen Prüfungsanordnungen ausdrücklich festgestellt, dass die Klägerin gegen die Prüfungsanordnung vom 26. März 1997 Einspruch eingelegt hat, und weiter, dass das FA dem Einspruch abgeholfen hat. Weiter hat das FG festgestellt, dass die zunächst angeordnete Prüfung sich auf das gesamte, am 1. Mai 1992 beginnende Wirtschaftsjahr 1992/93 erstreckte, obwohl der Ehemann der Klägerin erst im August 1992 gestorben war. Nach den Feststellungen des FG hatte dies die Klägerin akzeptiert, obwohl die Prüfungsanordnung vom 26. März 1997 keinen Hinweis auf die eingetretene Rechtsnachfolge enthielt. Einen Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten hat die Klägerin damit weder dargelegt noch ist ein solcher ersichtlich.
b) Nach dem von ihm zugrunde gelegten, für die Beurteilung der behaupteten Verfahrensfehler auch maßgeblichen materiell-rechtlichen Rechtsstandpunkt (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 96, m.w.N.) brauchte das FG den Sachverhalt auch nicht weiter aufzuklären. Denn die Klägerin hat die ergangenen Prüfungsanordnungen auch ohne Hinweis auf die Rechtsnachfolge als gegen sich gerichtet verstanden. Zudem musste sie in eigener Person die sich daraus ergebenden Pflichten erfüllen und die Prüfungen dulden (BFH-Urteil vom 9. Mai 1978 VII R 96/75, BFHE 125, 144, BStBl II 1978, 501). Etwaige Sachaufklärungsmängel des FA begründeten ohnedies keinen Zulassungsgrund i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO (s. z.B. Senatsbeschluss vom 27. Februar 2003 IV B 199-202/01, BFH/NV 2003, 1189).
c) Ein etwaiger Verstoß gegen die Denkgesetze kann einen Verfahrensfehler nicht begründen (Senatsbeschluss vom 10. November 1994 IV B 23/94, BFH/NV 1995, 691). Im Übrigen nimmt der Senat Bezug auf seinen Beschluss in der Sache IV B 83/03.
d) Letzteres gilt ferner für den gerügten Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör. Aus der maßgeblichen materiell-rechtlichen Sicht des FG kam es mangels einer bindenden Erklärung des Prüfers auch nicht darauf an, was der Prüfer tatsächlich gesagt hat.
2. Die Revision ist auch nicht wegen Divergenz zuzulassen. Die Klägerin hat auch diesen möglichen Zulassungsgrund nicht in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Form dargelegt. Sie hat zwar die Entscheidungen des BFH vom 21. Oktober 1985 GrS 4/84 (BFHE 145, 110, BStBl II 1986, 230), vom 28. November 1991 IV R 96/90 (BFH/NV 1992, 506) und vom 17. Juni 1992 X R 47/88 (BFHE 169, 103, BStBl II 1993, 174) sowie des Niedersächsischen FG (Urteil vom 14. Mai 1986 IX 497/84, in Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1987, 219) und des FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 6. April 1998 5 K 2423/97, juris) genannt, von denen das angefochtene Urteil abgewichen sein soll. Die Klägerin hat auch abstrakte Rechtssätze aus diesen Entscheidungen genannt, von denen das FG abgewichen sein soll. Sie hat diesen Rechtssätzen aber nicht wie erforderlich (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 1. Oktober 2002 IV B 91/01, BFH/NV 2003, 304) abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil gegenübergestellt, so dass eine Divergenz erkennbar würde.
Eine Divergenz liegt indes auch tatsächlich nicht vor. Denn die jeweils zu beurteilenden Sachverhalte sind nicht miteinander vergleichbar. In den genannten Entscheidungen ging es jeweils um Steuer- bzw. Feststellungsbescheide, während im Streitfall eine Prüfungsanordnung zu beurteilen ist. Wie bereits erörtert, ist eine Prüfungsanordnung im Erbfall nach der Rechtsprechung des BFH (s. Urteil in BFHE 125, 144, BStBl II 1978, 501, sowie Senatsurteil vom 24. August 1989 IV R 65/88, BFHE 158, 114, BStBl II 1990, 2) an den Rechtsnachfolger zu richten, weil dieser die Prüfung zu dulden hat. Deshalb hat die Klägerin auch mit dem Hinweis auf den Senatsbeschluss vom 29. Juni 1988 IV B 70/88 (BFH/NV 1989, 613) eine Divergenz nicht dargelegt, weil das FA die Klägerin zu Recht als Inhaltsadressaten angegeben hatte. Im Übrigen kommt es auch nach diesem Beschluss darauf an, ob die Bezeichnung des Adressaten klar genug ist. Außerdem hat das FG in Übereinstimmung mit dem von der Klägerin zitierten BFH-Beschluss vom 25. August 1981 VII B 3/81 (BFHE 134, 97, BStBl II 1982, 34) allein auf den Empfängerhorizont abgestellt; also darauf, wie die Klägerin die Prüfungsanordnung verstanden hat. Aus diesen Gründen weicht das angefochtene Urteil auch nicht von dem BFH-Urteil vom 30. September 1988 III R 218/84 (BFH/NV 1989, 749), dem BFH-Beschluss vom 19. Februar 1992 II B 100/91 (BFH/NV 1992, 784) und --wie im Beschluss in der Sache IV B 83/03 ausgeführt-- dem BFH-Urteil vom 25. September 1990 IX R 84/88 (BFHE 162, 4, BStBl II 1991, 120) ab.
3. Da --wie ausgeführt-- die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage durch die Rechtsprechung des BFH bereits geklärt ist, hat die Rechtssache schließlich auch keine grundsätzliche Bedeutung. Die Klägerin hat zudem nicht in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Form dargelegt, dass eine erneute Befassung des BFH mit dieser Rechtsfrage erforderlich wäre.
Fundstellen
BFH/NV 2005, 1477 |
NWB 2006, 2435 |